www.Crossover-agm.de GARY HUGHES: Veritas
von rls

GARY HUGHES: Veritas   (Frontiers Records)

Veritas Wittenberge spielte eine Zeitlang in der Fußball-DDR-Liga, dürfte aber wohl kaum den Namenspatron für das neue Soloalbum von Gary Hughes hergegeben haben. Ins Deutsche übersetzt heißt das lateinische Wort übrigens "Wahrheit", und ein Album dieses Titels müßte also durchaus programmatisch für einen Künstler ausgefallen sein, um seine Benennung zu rechtfertigen. Diesbezüglich kann bei "Veritas" von Gary Hughes durchaus Entwarnung gegeben werden, denn der Mann bleibt seiner generellen melodicrockenden Linie weiterhin treu, und das, obwohl er diesmal im Gegensatz zu seiner Vorgehensweise beim "Once And Future King"-Doppel von 2003 seine musikalischen Mitstreiter keineswegs ausschließlich aus der Melodic Rock-Szene rekrutierte. Die beteiligten vier Mitglieder der Rhythmusmannschaft agieren ansonsten in Dark Metal-, Blues- oder Alternativebands (wobei die vorliegenden Presseinfos nicht verraten, wer welchen Song eingespielt hat), was allerdings nahezu keinen expliziten stilistischen Ausflug in eines der benannten Genres gezeitigt hat. John Halliwell und Chris Francis wiederum spielen auch bei Hughes' Hauptband Ten Gitarre, und so bleibt als unbekannte gitarristische Größe nur noch Johnny Gibbons übrig. Einen gesonderten Keyboarder hat sich Hughes diesmal nicht geleistet, sondern erledigt diesen Job neben seinem gewohnten als Sänger gleich mit; das Infoblatt verrät erneut nicht, wer seine ohrenscheinlich fast noch kindliche Gesangspartnerin im achtminütigen "Synchronicity" ist. Besagter Song geht als größtes stilistisches Experiment des einstündigen Albums durch, während die meisten anderen im klassischen Melodic Rock verbleiben und auch auf ein reguläres Ten-Album gepaßt hätten. Hört man genau hin, entdeckt man allerdings auch in diesen Songs hier und da einige Feinheiten, die man in dieser Form aus dem bisherigen Hughes-Schaffen eher nicht gewöhnt war. Das geht gleich im Opener und Titeltrack los, dessen sekundenlang unterbrochener musikalischer Unterbau anfangs ein wenig Stirnrunzeln hervorrufen mag, bevor man ihn bei einem der Folgedurchläufe als interessantes und durchaus nicht unpassendes Element identifizieren kann, das diesen so schon starken Song noch ein wenig aufwertet - ein Element des klassischen Ten-Sounds, nämlich das Zubauen diverser Passagen mit enthusiastischen Leadgitarren, findet man übrigens auch hier. "In My Head" wiederum fährt kraftvolle Rhythmusgitarren auf, die man im Melodic Rock sonst nicht gewohnt ist, und "Time To Pray" führt mit einem kurzen vokalen Hinleitungspart zum Refrain hin, den man so aus dem Genre auch kaum kennt. Spätestens hier hat man allerdings auch schon den entscheidenden Schwachpunkt von "Veritas" ausgemacht, nämlich den im Vergleich zu sonstigen Hughes-Produktionen erstens relativ schwankenden und zweitens fast generell etwas zu matschig ausgefallenen Sound. Über weite Teile des Materials legt sich eine Art akustischer Schleier, der diverse Linien ineinanderlaufen läßt und zwar ein schön gemütlich-warmes Ergebnis erzeugt, aber die nötige Klarheit und Durchhörbarkeit etwas vermissen läßt - kurioserweise aber eben nicht über das komplette Material, denn der Titeltrack etwa hat das gewohnte und gewünschte klare Klangbild. Ein anderes Kuriosum erschließt sich nur einem kleinen Personenkreis, nämlich demjenigen, der sowohl Gary Hughes als auch Toxic Smile-Keyboarder Marek Arnold kennt: Einerseits sieht Hughes mit seiner neuen dunklen Kurzhaarfrisur auf dem Cover Arnold etwas ähnlich, und zweitens schreibt er als Outro von "Time To Pray" einen Klavierlauf, der rein stilistisch auch bei Toxic Smile ins Schaffen gepaßt hätte, wenngleich er dort seine größte Ähnlichkeit paradoxerweise im Outro von "Heavsent" findet, das zwar von Arnold eingespielt, aber von TS-Gitarrist Uwe Reinholz geschrieben worden ist. Andere Fragen kompositorischer Art müssen mit einem "Warum" offenbleiben - nicht die nach "Synchronicity" (ein eigenartiges, aber gelungenes Experiment, wie man Gothic, Melodic Rock und Kinderlieder verbindet), aber beispielsweise die, warum die nette Halbballade "Wide Awake In Dreamland" unbedingt mit einem militärisch anmutenden längeren Trommelstakkato abgeschlossen werden mußte oder warum "I Pray For You" gegen Ende hin so klingt, als habe das Rhythmusband einen Schaden, woraufhin der Rest der Musik ebenfalls beendet werden mußte. "Strange" wiederum tönt so, wie es heißt - hier dürfte der Gitarrensound, der hier und da an ein leierndes Aufnahmeband erinnert, Absicht sein. Konsequente Traditionalisten halten sich also lieber an die beiden weiteren Highlights der zweiten Albumhälfte, den schweren Groover "All I Want Is You" (der hätte auch ins Repertoire von Jorn Lande gepaßt, und paradooxerweise erinnert Hughes' Gesang hier manchmal auch an den vielbeschäftigten Norweger) und die typische Abschlußhymne "The Everlasting Light", wenngleich die wieder ein Exempel für den Wunsch nach klarerer Produktion darstellt. So bleibt summiert irgendwie ein zwiespältiger Eindruck zurück, und obwohl "Veritas" durchschnittlichen Ten-Alben wie "Far Beyond The World" zweifellos mindestens ebenbürtig ist und sich songwritingseitig auch mit dem "Once And Future King"-Doppelschlag durchaus messen kann, so bleibt "Babylon" als Spitzenschaffen der Zehnerband weiterhin unerreicht.
Kontakt: www.frontiers.it

Tracklist:
Veritas
See Love Through My Eyes
In My Head
Time To Pray
Wide Awake In Dreamland
I Pray For You
Synchronicity
Strange
All I Want Is You
I Know It's Time
The Emerald Sea
The Everlasting Light



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