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HELLOWEEN: My God-Given Right
von rls

HELLOWEEN: My God-Given Right   (Nuclear Blast)

Es bleibt im neuen Jahrtausend die Regel, daß Helloween nach zwei Studioalben zu einem anderen Label wechseln - im vorliegenden Fall allerdings zu einem, bei dem sie schon mal waren: Nuclear Blast zeichneten für das eher mißlungene Experiment "The Dark Ride" und das gutklassige "Rabbit Don't Come Easy" verantwortlich. Von daher wartete man mit einer gewissen nervösen Spannung auf "My God-Given Right", zumal die Regel bisher auch immer besagte, daß das zweite der Alben stärker war als das erste - andererseits hofft man natürlich bei jeder der betreffenden Gelegenheiten, daß der Aufwärtstrend vielleicht mal länger anhalten könnte. Wie sieht es nun diesmal aus? Zunächst bleibt festzuhalten, daß sich außer den Frisuren zweier Bandmitglieder an der Grundstruktur nichts geändert hat: Das Line-up ist stabil, Charlie Bauerfeind hat produziert, Billy King und Olaf Senkbeil singen wie immer die Backings - ja, und Keyboarder Matthias Ulmer, der "7 Sinners" einen guten Teil der innewohnenden Überambitioniertheit "spendierte", aber auf "Straight Out Of Hell" viel songdienlicher agierte, ist auch wieder mit von der Partie. Zunächst fällt aber eine scheinbare Äußerlichkeit auf: Die ersten acht Songs dauern alle unter fünf Minuten, erst im hinteren Drittel der regulären Edition kommen auch längere Stücke vor. Eine neue Kompaktheit bei Helloween? Jein, stellt sich nach Hören des Albums heraus, bei dem noch ein anderer Faktor auffällt: "My God-Given Right" ist in starkem Maße ein Deris-Album geworden - der Sänger hat sieben der dreizehn Songs der regulären Edition geschrieben (zwei davon als Kooperation mit Gitarrist Sascha Gerstner), und fünf von denen stehen auch noch unmittelbar hintereinander, und zwar in ebenjenem Kompaktblock. Zwar kann Deris auch die Großform umsetzen, wie "Nabataea" vom Albumvorgänger kongenial bewiesen hat, aber hier versucht er sich in teils schon extremer Kürze, wie der Partysong "If God Loves Rock'n'Roll" (gut, aber nicht weiter weltbewegend) und der Titeltrack (auch erstaunlich unauffällig und seinem Funktionsvorgänger "Straight Out Of Hell" deutlich unterlegen) unter Beweis stellen. Außerdem hat er offenbar 'ne alte Aufnahme von The Sweet in die Finger bekommen und deshalb sowohl in "Stay Crazy" als auch im gleich folgenden "Lost In America" Passagen eingebaut, nach denen man mit Anschlüssen aus "Action" fortzufahren geneigt ist. Schlecht sind all diese Songs nicht (besonders "The Swing Of A Fallen World", ein für Helloween eher ungewöhnliches angedüstertes Mini-Epos mit titelgemäß einigen Swingrhythmen von Drummer Dani Löble und einem von der Einflechtung her seltsam anmutenden, aber starken Gitarrenheldensolo, weckt Interesse) - aber nach dem Albumauftakt hätte man eigentlich ein größeres Freudenfeuer erwartet: Sascha Gerstners Opener "Heroes" gerät schon erstaunlich traditionsbewußt, aber dann zaubert Michael Weikath "Battle's Won" aus dem Hut - leicht orchestral angehauchter Melodic Speed vom Aller-Allerfeinsten, eingängig, aber anspruchsvoll, mit unwiderstehlichen Gitarrenmelodien und dieser Spielfreude, für die viele Metaller die damaligen Hanseaten (heute spielt bekanntlich ein Mix aus Hanseaten und Süddeutschen unter der Flagge der Band) schon in den Mittachtzigern liebten und noch heute lieben. So hätte es weitergehen dürfen - geht es aber nicht, denn es folgt der beschriebene Deris-Block, der dieses abartig hohe Niveau nicht halten kann, und auch Gerstners Ballade "Like Everybody Else" wäre mit ein wenig stärkerer Zurückhaltung bei der Orchestrierung des Refrains sicherlich noch aufgewertet worden, obwohl sie vom Grundsatz her durchaus hoch zu punkten weiß (daß der Gitarrist dieses Metier beherrscht, wissen wir seit "Hold Me In Your Arms" vom Vorgängeralbum). Spannend wird's dann im ersten längeren Track: "Creatures In Heaven" ist eine Weikath-Komposition und hat ein anderthalbminütiges Intro vorangestellt bekommen, das aber nie richtig in die Gänge kommt und strenggenommen eigentlich überflüssig ist (okay, es führt das Grundthema der Passage ein, die vom zweiten Refrain ins Hauptsolo überleitet, aber das ist wirklich seine einzige strukturelle Funktion), während der eigentliche Song dann wieder den liebgewonnenen melodischen Speed beinhaltet und nur deshalb nicht dessen Speerspitze auf dem Album markiert, weil mit "Battle's Won" ein NOCH besseres Exempel dieser Subgattung weiter vorn steht (und zwei, drei Breaks ein wenig zu bemüht klingen). Bassist Markus Großkopfs Beitrag "Living On The Edge" folgt dem bereits oben erwähnten Kiss-lastigen "If God Loves Rock'n'Roll", wirkt aber auch zu orientierungslos, bevor Weikath zum dritten Mal die melodische Speedrakete zündet, diesmal aber mit einigen ungewöhnlichen Elementen wie plötzlich eingestreuten Blastbeats oder einer Harmonie, die gänzlich aus dem erwarteten Schema herausfällt (letzter Ton des Hauptsolos, aber bereits früher eingeführt). Die reguläre Edition endet mit dem siebeneinhalbminütigen "You, Still Of War", der zweiten Gerstner-Deris-Kooperation, die aber mit den Großtaten der Band auf diesem Gebiet in den letzten 30 Jahren nicht mithalten kann, obwohl das sehnsuchtsvolle Gitarrenintro Großes verspricht. Aber irgendwie kann die Spannung nicht gehalten werden, und die Brutalität des behandelten Themas (ein Bombenabwurf) kommt auch irgendwie nicht richtig rüber, obwohl der Song mit jedem Durchlauf wächst, nachdem er beim ersten Mal noch fast komplett durchgerauscht ist - vielleicht würde sich diese Bewertung bei einem späteren Rezensionszeitpunkt noch ändern, was für das Gros der weiteren Songs allerdings nicht anzunehmen ist. So bleibt am Ende der reichlichen Stunde das Urteil, daß die einleitende These zunächst ein weiteres Mal zuzutreffen scheint: "My God-Given Right" läßt für seinen Nachfolger noch Luft nach oben, ist im Direktvergleich allerdings deutlich stärker als beispielsweise "7 Sinners", kommt indes nicht ganz an "Straight Out Of Hell" vorbei, auch wenn die deutlich traditionellere Orientierung (selbst im Gerstner-Songwriting) vielen Altfans sicher gefallen wird. Erklärtes Ziel der Band war allerdings auch eine ebensolche - aus den Songwriting-Sessions ist allerdings noch jede Menge Material übrig, und so könnten Skeptiker befürchten, ein eventuell aus diesen gespeister Albumnachfolger sei dieser Linie vielleicht wieder abtrünnig. Die Zukunft wird zeigen, wo die Reise hingeht - bis dahin lohnt der Erwerb des Albums für alle, die "Straight Out Of Hell" stark fanden oder generell traditionellen melodischen Power/Speed Metal ohne altbackene Kante mögen, aber definitiv.
Die Special Edition kommt mit einem 3D-Cover daher, das das Erkennen der Einzelheiten des Covermotivs zwar erschwert, aber einen hochinteressanten optischen Effekt zeitigt (die optische Gestaltung ist diesmal an den Film "The Day After Tomorrow" angelehnt, und die Kürbisse sind dementsprechend futuristische Kampfmaschinen). Außerdem gibt es noch zwei Bonustracks: Deris' "I Wish I Were There", ein abermals nur durchschnittlicher Mix aus Speed, Midtempo und Verharrungen, sowie Gerstners "Wicked Game" (kein Cover also, wie auch "Lost In America" schon keines war), das in der Strophe irgendwie Erinnerungen an das "The Time Of The Oath"-Album hervorruft (als Gerstner noch gar kein Bandmitglied war), aber auch ein paar Wechsel zuviel enthält, mit den deathmetallisch-tief gesprochenen Titelworten nochmal ein ungewöhnliches Stilelement einführt und wie sein Vorgänger wohl zu Recht nicht auf der Normaledition gelandet ist. Die Gesamtspielzeit steigt damit auf knapp 70 Minuten - ob sich das lohnt, muß wie üblich jeder selbst entscheiden. Ach ja, und man sollte nicht zu lange auf das 3D-Cover starren - das strengt an ...
Kontakt: www.helloween.org, www.nuclearblast.de

Tracklist:
Heroes
Battle's Won
My God-Given Right
Stay Crazy
Lost In America
Russian Roulé
The Swing Of A Fallen World
Like Everybody Else
Creatures In Heaven
If God Loves Rock 'n' Roll
Living On The Edge
Claws
You, Still Of War
I Wish I Were There
Wicked Game


 



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