www.Crossover-agm.de HELLOWEEN: Unarmed
von rls

HELLOWEEN: Unarmed   (Sony)

Der Möglichkeiten, ein 25jähriges Bandjubiläum zu feiern, gibt es nicht eben wenige, aber im Regelfall betrachtet man sein Schaffen und wirft einen Jubiläumsrelease auf dem Markt, oftmals eine schnöde Best Of, bisweilen ein sehr wertiges Package und manchmal auch etwas völlig Unerwartetes. Helloween haben sich für die letztgenannte Strategie entschieden und dreizehn Bandklassiker neu eingespielt, diese dabei aber nicht etwa nur an moderne Studiotechnik angepaßt, sondern auch von der Stilistik her komplett umgekrempelt. Das dürfte reihenweise Stirnrunzeln im Lager der Anhängerschaft hervorgerufen haben, aber die bekam ja dann auch noch ein neues Studioalbum in Gestalt von "7 Sinners" vorgesetzt, welches freilich wieder mancherlei Grund zum Stirnrunzeln bot - aber mehr dazu im zugehörigen Review. Hier soll es nur um "Unarmed" gehen, und da ist man nach Durchhören der knappen Stunde Material um einiges schlauer. Erstens ist den Hamburgern nichts heilig, selbst ihre großen Erfolge nicht. Zweitens kennen sie logischerweise die beiden Tributalben "The Keepers Of Jericho" und wollten logischerweise keinen dritten Teil dazu fabrizieren und damit zu ihrer eigenen Coverband mutieren. Drittens enthält die Scheibe einige Tracks, mit denen man auf einer regulären Best Of nicht unbedingt gerechnet hätte - aber eben deswegen ist das hier ja auch keine normale Best Of. Viertens schließlich kann man eine einfache Schlußfolgerung ziehen: Manche der neuen Ideen funktionieren ganz und gar, manche teilweise und manche gar nicht. Mit einem Exempel der erstgenannten Kategorie wird der geneigte Hörer gleich begrüßt: "Dr. Stein" verwandelt sich in einen flotten Funkrocker mit enthusiastischem Gebläse an der Grenze zum Wahnsinn - ein Auftakt nach Maß, wie Heribert Faßbender weiland so schön gesagt hätte. Leider kann dieses Niveau nicht gehalten werden: "Future World" funktioniert als Akustikrock noch leidlich, "If I Could Fly" vom mißglückten "The Dark Ride"-Album wird aber auch in dieser Form nicht besser, und "Where The Rain Grows" als Ballade kann den tatsächlichen Großtaten der Band auf diesem Sektor, die da etwa "Forever And One" oder "A Tale That Wasn't Right" heißen, definitiv nicht Paroli bieten. Damit wären wir beim nächsten Problem: die Unübertreffbarkeit mancher Originale in bestimmten Komponenten. "Perfect Gentleman" versucht in der Neueinspielung die 1994er Fassung an Schmissigkeit zu überbieten, scheitert aber an dieser Aufgabe ebenso wie die beiden auch auf "Unarmed" vertretenen "Forever And One" (hier "Forever & One" und ohne den Untertitel "(Neverland)") und "A Tale That Wasn't Right", die zwar leicht verändert, aber damit keineswegs verbessert wurden. Da macht "Eagle Fly Free" im Arrangement der unvergleichlichen Hellsongs aus Schweden schon deutlich mehr Hörspaß, wenngleich der selbstdefinierte Lounge Metal durchaus noch ein wenig loungiger hätte umgesetzt werden dürfen und Andi Deris hier zugunsten Harriet Ohlssons auch mal ganz hätte schweigen können. Aber unterm Strich gehört dieser Song zu den gelungeneren Umsetzungen auf "Unarmed", dessen Herzstück "The Keeper's Trilogy" heißt. Die 40 Minuten Musik der drei Longtracks auf der "Keeper"-Trilogie, also "Halloween", "Keeper Of The Seven Keys" und "The King For A 1000 Years", sind zu einem 17minütigen Medley eingedampft worden, das in der Besetzung Schlagzeug plus Stimme plus Chor plus Orchester eingespielt wurde. Für das Arrangement zeichnet Ex-Farmer-Boys-Keyboarder Matthias Ulmer verantwortlich, der auch einige andere Umsetzungen betreut und später etliche der Problemfälle auf "7 Sinners" erzeugt hat. Hier in diesen 17 Minuten zeigt er, daß er zwar kein Genie wie Pip Williams, der die neueren Nightwish-Werke orchestriert hat, ist, aber durchaus solide Arbeit abliefern kann, wenngleich mit einem einen oder anderen Schönheitsfehler. An etlichen Stellen nämlich wollen speziell die Leadstimme und der Orchesterunterbau keine richtige Symbiose eingehen, wirken sie wie zusammengestückelt bzw. die Leadstimme einfach über die Musik gelegt, ohne sich weiter um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu kümmern (höre beispielsweise die Hinführung zum zweiten Refrain von "Halloween"!). Trotzdem bereitet diese reichliche Viertelstunde einiges Hörvergnügen, und daß die Gastmusiker in Gestalt des Prague Symphony Orchestra (Dirigent: Adam Klemens) und des sechzehnköpfigen London Choir gute Arbeit abliefern würden, davon war von vornherein auszugehen. Daß das Chorarrangement in "Forever & One" eher bemüht wirkt, dafür können die Sänger ja nichts. Über die Idee, das einleitende Gitarrenlead von "I Want Out" von einem Kinderchor in "Lalala"-Manier singen zu lassen, darf man sicherlich ebenfalls geteilter Meinung sein, während die Einbeziehung der Kinder in den Refrain deutlich organischer wirkt, den insgesamt eher schwachbrüstigen Akustikrock dieser Fassung aber auch nicht mehr entscheidend aufzuhübschen vermag. "Fallen To Pieces" war schon im Original der schwächste Track des ansonsten bärenstarken "Gambling With The Devil"-Albums und gewinnt auch in der Neufassung nicht an Qualität, während die Ausstaffierung von "A Tale That Wasn't Right" am Albumende mit Orchesterklängen teilweise recht voluminöser, aber stark schwankender Intensität wieder die mehrfach erwähnte Frage nach dem Sinn einer Veränderung eines kaum verbesserbaren Originals hervorruft. Letztlich ist die Trefferdichte auf "Unarmed" einfach zu gering, um außer beinharten, aber experimentierfreudigen Helloween-Anhängern (falls es diesen Personenkreis überhaupt gibt) noch jemanden zum Hineinhören in die CD zu bewegen.
Kontakt: www.helloween.org, www.sonymusic.com

Tracklist:
Dr. Stein
Future World
If I Could Fly
Where The Rain Grows
The Keeper's Trilogy
Eagle Fly Free
Perfect Gentleman
Forever & One
I Want Out
Fallen To Pieces
A Tale That Wasn't Right
 




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