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Hellsongs, Sarah Noni Metzner   07.05.2010   Leipzig, Moritzbastei
von rls

Die Berichterstattung vom Gig Sarah Noni Metzners, einer kanadischen Folksängerin, fällt der Kombination "früher Konzertbeginn" und "spätes Eintreffen des Rezensenten" zum Opfer, und auch bei Hellsongs ist der Berichterstatter erst im Laufe des zweiten Songs zur Stelle. Er trifft auf interessante Phänomene. Erstens ist der Gig innerhalb der Moritzbastei von der Ratstonne in die deutlich größere Veranstaltungstonne verlegt worden, da der Besucherandrang so groß ist. Zweitens hängt in der Veranstaltungstonne, zumindest in deren hinterer Hälfte, eine Art "künstlicher Himmel" aus pflanzenartigen Ranken, bei dem nicht so ganz klar ist, ob er für den Hellsongs-Gig gedacht ist oder aber für die zweite Veranstaltung des Abends in der Moritzbastei, nämlich eine Depeche Mode-Party, woraus sich wiederum der für Verhältnisse dieser Lokalität ungewöhnlich frühe Konzertbeginn erklärt - die Überschneidungen sollen offensichtlich gering gehalten werden. Hellsongs spielen allerdings auch keinen überlangen Set - aber einen, der es in sich hat. Das Konzept der Band ist, bekannte Metalklassiker herzunehmen und sie in flauschige Balladen, manchmal auch mit gewissem Folk- oder Jazztouch, umzuwandeln. Hier und da bleibt noch eine Erkennungsmelodie oder ein bestimmter Rhythmus des Originals erhalten, viele der Umsetzungen huldigen aber auch einem totalen Dekonstruktivismus, der lediglich die Originaltexte übernimmt. Das kann man mögen oder auch nicht, aber wenn man es nicht mag, dann geht man logischerweise nicht zu einem Konzert des Quartetts, das in der Besetzung Klavier, zwei Akustikgitarren und weiblicher Gesang, gelegentlich noch durch Perkussion unterstützt, auf der Bühne steht oder auch mal, wenn fröhliche Folkigkeit angesagt ist, wild über diese springt. Die Instrumentalisten unterstützen Elisa gelegentlich mit Chorgesängen, und die hübsche dunkelhaarige Fronterin spielt gekonnt auf der Klaviatur zwischen kuschliger Weichheit, lasziver Verruchtheit und gelegentlichen kratzbürstigen Anflügen. Zweitgitarrist Leo wechselt gelegentlich auch an die Dobro oder die Slidegitarre, und Elisa sammelt in der letzten Zugabe "Running Free" noch Pluspunkte durch ein absonderliches Kazoo-Solo. In der Setlist nehmen Iron Maiden mit vier Beiträgen einen herausgehobenen Platz ein, wobei das erwähnte "Running Free" bisher noch nicht konserviert worden ist. Auch "Sin City" kennt das Publikum noch nicht aus einer Konservenform - es ist auf dem bereits eingespielten, aber noch nicht veröffentlichten neuen Album der Band zu hören. Der Rest des Sets speist sich hauptsächlich aus dem Album "Hymns In The Key Of 666" und füllt wie erwähnt das komplette in der Konzeptbeschreibung genannte Spektrum aus. Dabei gehen Hellsongs mit Geschmack vor, parodieren nicht, sondern huldigen, und sie beweisen auch den Mut, anstelle eines großen Accept-Klassikers mit "Losers & Winners" ein eher unbekanntes Stück vom "Balls To The Wall"-Album umzusetzen. Humor haben die Schweden übrigens auch, und besonders Gitarrist Kalle sorgt mit seinen gemischt deutsch-englischen Ansagen für allgemeine Erheiterung. Als seine Sängerin beispielsweise "Losers & Winners" als "German love song by Udo" angekündigt hat, setzt er mit der Theorie "Dirkschneider ist Liebe" noch eins drauf. Solche Einfälle halten die Stimmung im Publikum oben, das sich ansonsten hingebungsvoll dem Erraten der Stücke widmet (die natürlich nicht titelmäßig angesagt werden - es soll ja nicht zu einfach werden) und spätestens mit dem entschleunigten und deshalb das Original längenmäßig verdoppelnden "Paranoid" in eine Feierlaune gerät, als gäbe es kein Morgen. Nach TNTs "10000 Lovers", das eine lokale Gastsängerin namens Marianne weder auf- noch entwertet, fordert man dementsprechend lautstark Zugaben ein, die in Gestalt von "Run To The Hills", "Symphony Of Destruction" und, weil das Publikum gar keine Ruhe gibt, "Running Free" gewährt werden. Nur "We're Not Gonna Take It" fehlt im Set, was manchen Anwesenden etwas traurig stimmt. Kuriosität am Rande: Hellsongs haben für ihre laufende Tour zwei Setlisten vorbereitet, die eine "för gamla bekanta städer, typ Hamburg", also für Orte, an denen sie schon mal gespielt haben, die andere ohne "xtra, xtra om det krävs" (also die Bedarfszugabe "Running Free") "för nya sköningar, t ex Leipzig och Münster", also für bisher noch nicht bereiste Orte. Die eigentliche Kuriosität gibt's nun im Doppelpack: Erstens ist die Setlist für die unbekannten, also noch zu knackenden Orte u.a. mit "Seasons In The Abyss", einem kaum erkennbaren und schwer zugänglichen Brocken, anstelle etwa des deutlich zugänglicheren "Breaking The Law" ausgestattet, und zweitens wird in Leipzig ganz im Gegensatz zur Zuweisung auf der ausgedruckten Setlist nicht der zweite, sondern der erste Set gespielt. Dem Publikum ist's freilich recht, und so bleibt auch keine Zeit mehr, um zu ergründen, was denn die Titelangabe "Seek & Västkust" (das ist im Original "Seek & Destroy" von Metallica, aber "seek" ist kein schwedisches Wort, und "västkust" heißt soviel wie "Westküste" - danke an Kollegin Marlene für die Übersetzungshilfe) zu bedeuten hat. Aber da hat man gleich einen Grund mehr, beim nächsten Mal wieder hinzugehen ... Skeptiker hören vorher rein: www.myspace.com/hellsongs

Setlist:
Breaking The Law
Seek & Västkust
The Evil That Men Do
The Trooper
Losers & Winners
Blackened
Paranoid
Thunderstruck
Sin City
10000 Lovers
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Run To The Hills
Symphony Of Destruction
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Running Free



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