www.Crossover-agm.de HEAVENWARD: Within These Dreams
von rls

HEAVENWARD: Within These Dreams   (Pure Underground Records)

Auch Heavenward zählten zu den vielen Zuspätgekommenen der deutschen Traditionsmetalszene, die zwar interessante Scheiben veröffentlichten, aber eben erst zu einem Zeitpunkt, als der traditionelle Metal tief in den Untergrund abgedrängt wurde und zwischen der kleinen Handvoll arrivierter Bands und dem besagten Untergrund eine relativ große Kluft lag. Freilich hatten Heavenward aus vier Gründen sowieso schlechtere Startbedingungen als manche Kollegen:
Erstens mußten sie einen kompletten Umbruch im Line-up verkraften. Von dem Quintett, das 1991 das Debütalbum "Within These Dreams" einspielte, gehörte ein reichliches Jahr später, als der Zweitling "A Future Worth Talking About?" entstand, nur noch Sänger Stefan Kessel zur Besetzung, und obwohl er mit Drummer Guido Gallus oder Gitarrist Andreas Rippelmeier fähige und sich im Kontext des deutschen Traditionsmetals als durchaus langlebige Szeneangehörige erweisende neue Kräfte gewinnen konnte, so erwies sich der Titel des Zweitlings doch als prophetisch, und Heavenward verschwanden bis 2010 zwar nicht ganz auf dem Bandfriedhof, aber doch weitgehend in der Versenkung, der dann wiederum die Besetzung des Erstlings entstieg (allerdings reduziert um Gitarrist Achim Schneider, der damals Hauptsongwriter der Band gewesen war, wobei sich aber auch die anderen Mitglieder einbrachten), um in Quartettform weiterzumachen und auch den neuen Song "Systems Going Down" einzuspielen, der nunmehr den vorliegenden Re-Release des "Within These Dreams"-Albums bereichert, und zwar nicht etwa als Bonustrack hintangestellt, sondern gleich vorn als Opener. Wer Kessels Stimme noch von früher her kennt, erschrickt allerdings in den Strophen dieses Openers gewaltig, denn da krächzt jemand relativ hilflos herum und macht so gar nicht den Eindruck, als sei das dieser Könner von damals. Der Refrain zeigt dann allerdings, daß Kessel zwar die ganz großen Höhen mittlerweile wohl bewußt meidet, aber immer noch eine melodiehaltefähige halbhohe Stimme ins Feld zu führen vermag. Wie er mit dieser Stimme die alten Songs live singt, müssen Besucher beispielsweise des 2013er Swordbrothers-Festivals beurteilen - der Rezensent hat Heavenward bisher nicht live gesehen, weder in ihrer frühen Aktivitätsperiode noch jetzt in der jüngsten Vergangenheit.
Die Band stammte - und damit sind wir beim zweiten Problemfall - aus Krefeld. Aktuell hat das zwar sogar Vorteile, indem Marcus Siepen beim besagten Opener gasthalber ein Gitarrensolo beisteuerte, aber vor 25 Jahren konnte das eher eine Bürde darstellen: Der übermächtige Schatten von Blind Guardian lastete quasi auf jeder anderen Traditionsmetalband aus Krefeld, wovon beispielsweise auch Pillow Killz ein Lied singen konnten (zumal sie mit Christoph Theissen auch noch einen Gitarristen besaßen, der im Blind-Guardian-Vorläufer Lucifer's Heritage mitgewirkt hatte, während wiederum Thomas Kelleners erst bei Lucifer's Heritage und dann bei Heavenward trommelte, wobei er bei letzteren den wiederum zu Blind Guardian gewechselten Thomen Stauch ersetzte). Heavenward provozierten also zwangsweise allein durch ihre Herkunft Vergleiche mit Blind Guardian, und diese mußten aus zwei Gründen (in der obigen Zählung Nummer 3 und 4) zu ihren Ungunsten ausgehen: Erstens waren Kürsch, Olbrich & Co. 1991 schon bei ihrem dritten Album angelangt und hatten eine entsprechende Routine und Professionalität gewonnen, und zweitens musizierten Heavenward im Direktvergleich deutlich unzugänglicher. Ihr technischer Power Metal verzichtete zwar nicht auf Melodien, aber diese erforderten doch etwas intensivere Arbeit, um sie nachzuvollziehen, und ihre Merkfähigkeit stellte ebenfalls deutlich höhere Ansprüche an das Hirn des Hörers als die Singalongs, die Blind Guardian schon damals mit großer Geschicklichkeit einzubauen wußten (und die dazu führten, daß man etwa "Banish From Sanctuary" oder "Lost In The Twilight Hall" spätestens nach dem zweiten Hören zumindest refrainseitig fehlerfrei mitsingen konnte - ein Kunststück, das wohl kaum ein Metaller bei Heavenward fertiggebracht haben wird). Auf chorische Unterstützung verzichteten Heavenward gleichfalls, und zudem neigte ihre Instrumentalfraktion zu einer relativ hohen Breakdichte, die den Hörer noch vor eine weitere Herausforderung stellte. Zwar gab es seinerzeit durchaus eine gewisse Hörerfraktion, die sich beispielsweise an dem ergötzte, was die weiland etwas unglücklich als Techno Thrash bezeichneten Bands zurechtfeilten, aber deren Schar blieb überschaubar, und die großen Zeiten des Progressive Metal (oder - besser ausgedrückt - des Metal, den man mit als progressiv bezeichneten Elementen anreicherte) sollten erst später anbrechen, wenn es sie in der Form überhaupt jemand gegeben hat. Im Direktvergleich etwa mit Mekong Delta waren Heavenward allerdings durchaus noch als zugänglich einzustufen, wobei sie sich indes schrittweise zum komplizierten Material vorarbeiteten. Diesen Prozeß kann man auf der vorliegenden CD schön nachvollziehen, denn diese enthält nach dem erwähnten neuen Opener und den acht regulären Songs von "Within These Dreams" noch die vier Songs des zwei Jahre vor dem Album, im Jahre 1989, aufgenommenen "At First Nature ..."-Demotapes. Drei von denen schafften es dann auch in Neueinspielungen aufs Album, das nach einem ruhigen Intro relativ geradlinig-schnelle "Hell On Earth" blieb in den Archiven. "At First Nature", der alte Demoopener, zeigt deutlich die zumindest latente Orientierung Heavenwards am Schaffen Blind Guardians, etwa gleich in der Einleitung in einem Gitarrenpart um Minute 1 herum oder auch in der Gestaltung des Refrains, den man sich auch mit Hansi Kürschs Stimme sehr gut vorstellen könnte. Die drei neu eingespielten Songs haben durchaus die eine oder andere Veränderung erfahren, so daß etwa "Dreams In Disguise" in der Neufassung eine halbe Minute länger dauert, und wenn der Hörer sein Wiedergabegerät entsprechend programmiert, kann er die jeweiligen Fassungen nacheinander hören und genauere Analysen anstellen.
Freilich konnten Heavenward durchaus auch zugänglichere Songs schreiben, wenn sie denn wollten. Zum Beweis für diese These gerät neben dem nur dreiminütigen Speedie "Holding The Key", der Elemente von Blind Guardian und den frühen Elegy (die zur Entstehungszeit von "Within These Dreams" allerdings noch im Demostadium waren, so daß eine Vertrautheit der beiden Bands mit dem Schaffen der jeweils anderen unsicher ist) koppelt, ausgerechnet "Raging Waters", mit reichlich sieben Minuten der längste der acht Albumtracks, der lange balladeske und halbballadeske Abschnitte mit einigen härteren Passagen koppelt und auch den Progmetalhörer zum Kuschelbär mutieren lassen kann, wenngleich sich auch hier einige etwas komplexere Stellen tummeln. Erstaunlicherweise finden sich die geeignetsten Vergleichsbands für die Krefelder allerdings nicht in Europa, sondern in den USA, wenngleich Kessel die für eine bestimmte Subsparte des progressiven Power Metals typischen sirenenartigen Vocals nur phasenweise einsetzt und sich sonst eher eine Oktave weiter unten austobt. Interessanterweise gönnen Heavenward auch Bassist Oliver Müller hier und da einige Stellen, wo er in den Vordergrund treten darf, und in der Abmischung bemerkt man ihn, wenn er hohe Töne spielt, auch recht deutlich, was ihn unter seinen Stilkollegen beispielsweise mit John Myung verbindet, wohingegen Dream Theater ansonsten wenig bis keine Spuren im Sound von Heavenward hinterlassen haben, zumal letztgenannte nicht über einen Keyboarder verfügen und dieses Instrument auch gasthalber nicht zum Einsatz bringen. Derzeit denkt die neue alte Besetzung übrigens auch über ein neues Album nach, dem auch einige der weiteren alten Demotracks aus den Achtzigern als Boni beigegeben werden sollen; bis dahin kann sich der Interessent aber erstmal anhand des Re-Releases von "Within These Dreams" (war der Titel vor dem Hintergrund, daß es auf dem Album nur einen Song namens "Within These Walls" gibt, zu dem auch das Coverartwork zu passen scheint, eigentlich Absicht, oder hat da jemand nicht aufgepaßt?) einen Einblick in gleich drei Schaffensphasen von Heavenward verschaffen, was sich für einen kleinen, aber engagierten Personenkreis durchaus lohnen dürfte. Der etwas dünne, aber klare Sound der alten Aufnahmen paßt zum Genre übrigens gar nicht mal so schlecht ...
Kontakt: www.facebook.com/heavenward.de, www.pureunderground-records.com

Tracklist:
System Going Down
The Sky
Dreams In Disguise
Cold Embrace
Their Eyes
At First Nature
Raging Waters
Within These Walls
Holding The Key
At First Nature (Demo)
Dreams In Disguise (Demo)
Hell On Earth (Demo)
Holding The Key (Demo)



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