www.Crossover-agm.de HEAVENSHINE: Black Aurora
von rls

HEAVENSHINE: Black Aurora   (Fuel Records)

Hinter dem äußerst düsteren Coverartwork samt dazu passendem Albumtitel könnte man auch eine ultrafinstere Doomband vermuten, aber wer Heavenshine beispielsweise Ende 2013 auf der Tour mit Therion live erlebt hat, weiß, daß diese Vermutung völlig in die falsche Richtung geht: Das Sextett zelebriert auf seinem Debütalbum melodischen Metal, der seinen nächsten Verwandten in Finnland hat bzw. hatte: "Black Aurora" wirkt wie ein missing link zwischen den Nightwish-Alben "Oceanborn" und "Wishmaster", wobei die Italiener die Finnen allerdings keineswegs kopieren, sondern aus verschiedenen Gründen immer ihre Eigenständigkeit behalten. Zu diesen zählt ausdrücklich nicht Sängerin Miriam Cicotti - wenn Tuomas Holopainen irgendwann doch einen Tarja-Klon am Nightwish-Mikro haben will, kommt hier eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen. Das Schöne daran ist, daß die Sopranistin allerdings auch in qualitativer Hinsicht durchaus Tarja-Niveau erreicht, wobei ihre Stimme, wenn man ganz genau hinhört, vielleicht doch einen Tick schlanker anmutet und somit das mit dem Klon einer ganz leichten Relativierung bedarf. Für einen markanten Unterschied zu Nightwish sorgt allerdings Marco Signore, der Miriam durchgehend eine männliche Stimme zur Seite stellt und das in klassischer Baritonlage tut, also deutlich cleaner singt als Marco Hietala, wenngleich es auch hier Berührungspunkte gibt, etwa wenn Signore in "Dreamscape" dann doch mal kurz ins leicht angerauhte Fach wechselt oder sich in "When The Father Lion Mirrors The Stars" fast ganz diesem Idiom widmet. Seine Gesangsparts nehmen allerdings deutlich breiteren Raum ein als die Einsätze Hietalas, so daß das Gesamtgewicht in den Heavenshine-Songs deutlich weniger auf dem weiblichen Gesang liegt als bei Nightwish. Interessanterweise setzen auch Heavenshine gelegentlich auf harsche Brülleinwürfe, wie man das auch auf "Oceanborn" schon gehört hat. Die instrumentale Fokussierung weist der Gitarrenarbeit ein wenig mehr Raum zu - zwar ist Signore nicht nur Sänger, sondern auch Hauptsongwriter und zudem Keyboarder, aber er hat zwei Gitarristen an seiner Seite, die natürlich beschäftigt werden wollen, wobei sie eine klassische Aufteilung wählen: Jo Dardano spielt die Leads, Joey Pandolfi die Rhythmusgitarren - zudem durfte letzterer das abschließende Fast-Instrumental "Lucania" (mit Survivor-Gedächtnis-Intro)beisteuern, zwei weitere Songs stammen von Bassist Ly Holestone, der Rest von Signore, wobei er den Opener "Atlantis Reloaded" interessanterweise mit Bruno Masulli (den man u.a. von Annihilationmancer und von In Aevum Agere kennt, wo er mit Thrash bzw. Doom aber ganz andere Stile spielt) erarbeitet und für Heavenshine neu arrangiert hat - möglicherweise war der Song original also für eine ganz andere Band bestimmt, aber stünde diese Strukturinformation nicht im Booklet, man würde keinen entscheidenden Unterschied bemerken. Auch ohne Hinzuziehung des Booklets freilich bemerkt man eine andere Parallele zu Nightwish: Auch Heavenshine nämlich covern "Phantom Of The Opera", schalten ihm im Gegensatz zu den Finnen allerdings noch einen gesonderten Instrumentalpart vor und zitieren zudem Genesis' "The Musical Box". Nach diesem Prinzip funktioniert "Black Aurora" jedenfalls fast durchgängig: Man fühlt sich sehr häufig an Nightwish erinnert, aber bei genauerer Betrachtung entdeckt man dann doch die Unterschiede, die Heavenshines eigenes Profil ausmachen. Man nehme nur mal "Fear Me", das anfangs mit seiner Gitarre-Piano-Mixtur stark an "Gethsemane" erinnert, sich dann aber doch in eine eigenständige Richtung entwickelt. Und reine Piano-Intermezzi wie "Bean Sidhe" kennt man aus dem Holopainen-Schaffen auch noch nicht. Die Halbballade "Embrace Of The Sun" wiederum wurde mit genau so viel Pathos angereichert, daß sie nicht überladen wirkt, sich im Ausdruck aber doch deutlich genug von den Nightwish-Beiträgen zu diesem Genre unterscheidet. So könnte man die Analyse noch weiter fortsetzen, auch in Richtung der naturmystischen bzw. naturphilosophischen Texte, wo man Signore und Holestone lediglich noch den Tip geben würde, sich beim nächsten Mal professionelle Hilfe zu holen, wenn sie sich anderer Sprachen bedienen wollen: "Heiliges Gral" als deutscher Einwurf in "Sang Real" leistet nur denjenigen Stimmen Vorschub, die Heavenshine anhand eines flüchtigen Höreindrucks als drittklassige Nightwish-Kopisten abstempeln wollen, und das haben die Italiener nun wirklich nicht verdient. Wenn man sich für das nächste Album etwas wünschen darf, dann noch etwas mehr Mut, Songideen bis zu einem fixierten Schlußton auszuspielen und auszuarbeiten - einige der Songs, beispielsweise "When The Father Lion Mirrors The Stars", faden aus, obwohl man als Hörer noch nicht das Gefühl hat, daß hier schon alles gesagt sei. Bis dahin aber bleibt das auch mit einem guten Klanggewand ausgestattete "Black Aurora" ein Pflichterwerb für alle, denen die frühen Nightwish gefallen haben und noch immer gefallen.
Kontakt: www.fuelrecords.eu, https://twitter.com/heavenshine

Tracklist:
Atlantis Reloaded
Bean Sidhe
Black Aurora
Dreamscape
Phantom Of The Opera
Poseidon's Wrath (Interlude)
When The Father Lion Mirrors The Stars
Fear Me
Embrace Of The Sun
Sang Real
Lucania



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