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HARDHOLZ: Herzinfarkt
von rls

HARDHOLZ: Herzinfarkt   (Massacre Records)

Reichlich drei Jahrzehnte nach der Bandgründung bringen Hardholz ihr Labeldebüt heraus - und selbst wenn man einkalkuliert, daß die Aktivitätsphasen nur etwa die Hälfte des genannten Zeitraumes umfaßten, bleibt ein ausreichend großer Anreiz, der Frage nach dem Warum nachzugehen. Der Bandproberaum steht in Tambach-Dietharz im Thüringer Wald, nur ein kleines Stück östlich des Großen Inselsberges gelegen, und ebendort nahm die Band zu DDR-Zeiten, anno 1984, die Aktivitäten auf und erspielte sich einen ausgezeichneten Ruf unter dem DDR-Metallervolk, wäre aber auch in gesamtdeutschem Maßstab als originell einzustufen gewesen: Der Rückgriff auf das (nicht nur) heimische Mythen- und Sagengut war seinerzeit im Metal noch keineswegs so weit verbreitet, wie er das heute ist, und auch wenn Hardholz diese Nische eher unfreiwillig besetzten, um der DDR-Zensur ein Kulturargument entgegensetzen zu können, so fühlten sie sich dort offenbar so wohl, daß sie das Konzept konsequent weiterentwickelten. Nun sah es zu DDR-Zeiten mit Tonträgerproduktionen aber bekanntermaßen eher dünn aus, und so debütierten Hardholz erst 1990 mit vier Nummern auf dem "Speed Up"-Sampler, der zu einem Zeitpunkt erschien, als alle DDR-Metaller erstmal die Plattenläden leerkauften und sich mit Scheiben ihrer westlichen, jahrelang unerreichbar gebliebenen Idole eindeckten, aber für die heimische Szene nur noch einen müden Blick übrighatten. Ein 8-Track-Demo aus dem Jahr 1991 brachte die Band ebensowenig voran wie die 1997 erschienene Eigenproduktion "Jäger und Gejagte", die nicht mehr vom durch HammerFall induzierten neuen Traditionsmetalboom profitieren konnte, so daß die Gebrüder Brill und ihre Mitstreiter die Aktivitäten irgendwann einstellten und erst viele Jahre später wieder aktiv wurden, sich einen neuen Sänger suchten, der unter dem Namen Kelle firmiert, und sich ins Studio begaben, um diverse alte Songs neu einzuspielen, sie um einige weitere Nummern zu ergänzen und somit wie eingangs bemerkt nun endlich das offizielle Debütalbum vorzulegen.
Wer die alten Aufnahmen noch kennt, die ja beispielsweise mittlerweile auch in der "Amiga Heavy Metal"-3-CD-Box zu haben sind, der wird zum einen feststellen, daß Hardholz sich in zwei Punkten treu geblieben sind. Erstens siedeln sie auch aktuell noch im Traditionsmetal, den sie schon seit Urzeiten pflegen und der vor allem in der Leadgitarrenarbeit den einen oder anderen Schlenker gen Iron Maiden hören läßt. Zweitens basteln sie nach wie vor gern markante Fremdthemen ein, etwa die Einleitung von Beethovens Fünfter im Finale von "Wieland, der Schmied" (wer mag, darf auch gerne "Tannhäuser" nach Wagner-Zitaten durchsuchen), oder bauen auch gleich eine komplette Coverversion draus, was sie auf dem Album mit dem Finale "Spiel mir das Lied vom Tod" tun, einer kongenialen Metaladaption des Ennio-Morricone-Klassiker-Filmthemas. Es fallen zum anderen allerdings auch markante Unterschiede ins Auge. Erstens fahren Hardholz keinen konsequenten Retro-Sound, sondern zeigen sich mit einem durchaus zeitgemäßen Klanggewand samt recht fetter Rhythmusgitarren - daß die Drums in "Wieland, der Schmied" und an diversen anderen Stellen ein wenig steril klingen, mag Zufall sein. Zweitens spielt vor allem Drummer Franky gerne Verschleppungen und halftime-artige Passagen, die er möglicherweise in den Neunzigern schätzen gelernt hat und die im heutigen Traditionsmetal kaum Verbreitung besitzen. Drittens verlassen die Nummern, von denen bisher noch keine Konservenversion vorgelegen hat und die daher möglicherweise jüngeren Datums sind, den textlichen Pfad der vertonten Geschichte: "Herzinfarkt" und "Hartholz" gehen lyrisch eher in den persönlichen Bereich, und gerade erstere Nummer, die sich mit Überbelastung, Burnout und verwandten Problemen auseinandersetzt, geht damit ein Thema an, das vor einem Vierteljahrhundert noch keineswegs im Mittelpunkt des Interesses stand, wohingegen "Hartholz" genau das gegenteilige Szenario beschreibt: "Da mußt du durch, egal was kommt ... Du bist knallhart, du bist aus Hartholz". Ob es einen Zufall darstellt, daß der Baß in dieser Nummer stark an Motörhead erinnert (im Intro vermutet man sogar, es würde eine Coverversion draus), das Hauptsolo aber das maidenlastigste der ganzen Scheibe darstellt? Wie Gitarrist Ede das live im Alleingang bewerkstelligen will, bleibt zwar rätselhaft, aber vielleicht erweitern sich Hardholz ja auch mal zum Quintett. Von den Ex-Musikern ist auf der CD der alte Sänger Fickel zu hören, der den Text zu "Praeludium Wielandia" eingesprochen hat, einem Stück, das interessanterweise nicht nur einfach ein kurzes Intro darstellt, sondern nach Ende des Sprachparts zu einem fast vollwertigen Instrumentalstück reift. Daß Hardholz auch auf diesem Sektor was draufhaben, beweist außerdem auch "Bonusdreck", ein Stück, das auf "Jäger und Gejagte" den Abschluß bildete, hier aber mitten im Album steht. Auch der neue Sänger Kelle bleibt zwar das schwächste Glied in der Hardholz-Kette (das war Fickel früher auch schon), aber er beweist im Refrain von "Die Prophezeiung", daß er sehr wohl in der Lage ist, melodisch zu singen und nicht nur in für die Vorgabe der Songs etwas zu monotoner Weise zu shouten. In diesem Sektor dürfen Hardholz in Zukunft gerne noch Arbeit investieren - was sie gegenwärtig im Songwritingsektor zu leisten imstande sind, das wird erst ein zu erhoffendes nächstes Album zeigen, denn obwohl "Herzinfarkt" noch keineswegs das komplette historische Repertoire der Band aufarbeitet, so wird das Polster doch schon etwas dünner. Kurz zusammengefaßt: Fünf der acht Songs von "Jäger und Gejagte" wurden neu eingespielt, drei des 1991er Demos und gleichfalls drei des 1990er Samplers, wobei die drei des Demos auch schon in Alternativversionen auf dem Sampler gestanden hatten oder auf "Jäger und Gejagte" auftauchten - also stehen netto acht Neueinspielungen auf "Herzinfarkt", wozu wie erwähnt der neue Titeltrack und "Hartholz" stoßen, und der elfte Track ist das erwähnte "Praeludium Wielandia", dessen Abstammung aus der frühen Bandperiode gleichfalls zu vermuten ist, wenngleich auch eine nachträgliche Ergänzung des Quasi-Bandhits "Wieland, der Schmied" nicht auszuschließen wäre. So ergeben sich 46 Minuten interessanter, komplett deutsch betexteter Traditionsmetal, der keineswegs nur den Altfans ans Herz gelegt sei.
Kontakt: www.hardholz.de, www.massacre-records.com

Tracklist:
Charon
Die Prophezeiung
Herzinfarkt
Praeludium Wielandia
Wieland, der Schmied
Bonusdreck
Jäger und Gejagte
Hartholz
Asphaltlady
Tannhäuser
Spiel mir das Lied vom Tod
 





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