www.Crossover-agm.de HAMMERFALL: Renegade
von rls

HAMMERFALL: Renegade   (Nuclear Blast)

"Glory To The Brave", das 1997er Debüt dieser Schweden, nahm lange Zeit (bis zum Erscheinen von Seraphims "The Equal Spirit") den ersten Platz meiner Alltime-Favoriten ein. Neben einer Reihe weiterer Qualitäten bestachen die neun Melodic Speed Metal-Songs insbesondere durch eine unverkrampfte Frische und unkalkuliertes Drauflosspielen frei von allen Zwängen, daß es eine wahre Freude war (und ist!). Und außerdem hatte man mit dem Titelsong eine epische Halbballade an Bord, die derart mit melancholischen, aber nicht depressiven Emotionen vollgepackt wurde, daß mir noch heute bei jedem Hördurchlauf allermindestens eine Handvoll mild-kühle Schauer über den Rücken läuft und der Song angesichts von speziellen Situationen wie meiner derzeitigen, da heute meine 92jährige Großmutter zur letzten Ruhe gebettet wurde, noch eine Potenzierung seiner Bedeutung erfährt. Auf dem Nachfolger "Legacy Of Kings" konnten HammerFall diese Frische und die Atmosphäre trotz zweifellos guter Songs und sehr guter instrumenteller Leistungen nicht reproduzieren; man merkte der Band an, daß sie einerseits unter Druck stand und andererseits im negativen Sinne routiniert geworden war. Als bekannt wurde, daß der Drittling "Renegade" von Michael Wagener produziert würde, mutmaßte die Fachpresse, die Band wolle sich weiter in Richtung US-Stadionrock entwickeln, was eine noch stärkere Selbstkontrolle in den Kompositionen zur Folge gehabt hätte. Man übersah allerdings, daß ebenjener Wagener in den Frühachtzigern einer gewissen Band namens Accept zu einem mehr als eigenständigen Sound, vor allem im Gitarrenbereich, verholfen hatte, und ebenjenen Sound wollten auch HammerFall für "Renegade" haben. So klingt der Opener "Templars Of Steel" im instrumentellen Bereich denn auch, als würden Accept "Alien Nation" von den Scorpions nachspielen - ein mächtig stampfendes Epos, das einen vermuten läßt, die Rüstung der Templars sei aus Blei gegossen, und das den Vorwurf, HammerFall würden ausschließlich Happy-Happy-Tralala fabrizieren (der anhand von "Glory To The Brave" eh haltlos ist), ein weiteres Mal eindrucksvoll demontiert. Ein gewisses Feeling der Fröhlichkeit bringen die Speedsongs zum Ausdruck, die im Vergleich mit "Legacy ..." unbeschwerter, lockerer, unerzwungener rüberkommen und damit die Frische des Debüts zumindest ansatzweise zu reproduzieren wissen. So richtig kalkuliert wirkt diesmal eigentlich nur der Titelsong, den man demzufolge als Single ausgekoppelt hat und der tatsächlich auch zu einer dieser US-Stadionrockbands passen würde. Aber schon das folgende "Living In Victory" sieht HammerFall wieder ganz die alten sein, mit einer gelungenen Kombination aus Geschwindigkeit und Melodie glänzen und damit auf der Siegerseite leben. Ein orchestral angehauchtes Intro wie bei "Destined For Glory" geht ebenso als neues Element im HammerFall-Sound durch wie das Instrumental "Raise The Hammer", das mich irgendwie etwas an ADX erinnert und das sich von einem "gewöhnlichen" HammerFall-Song eigentlich nur dadurch unterscheidet, daß hier nicht Joacim Cans, sondern die Leadgitarre eine gesangsäquivalente Melodie beisteuert. Die bisher angeführten Songtitel implizieren, daß sich textlich bei HammerFall nichts geändert hat - man setzt immer noch auf Eskapismus in die Welten der Ritter, Drachen und Burgen. Die Ausnahme bildet diesmal die Ballade "Always Will Be", die einen Rückblick auf das Werden und Wachsen der Band mit einem Nachruf auf Gitarrist Oscar Dronjaks Vater verbindet und wohl aufgrund dieser Kombination nicht ganz als Nachfolger von "Glory To The Brave" durchgeht, da eine Art "Emotionengemisch" entsteht, das allerdings auch keinesfalls schlecht ist. Ein, zwei Songs fallen gegenüber den übrigen dann aber doch leicht ab, und eine hundertprozentige Reproduktion der Unbekümmertheit der ersten Platte gelang erwartungsgemäß ebenfalls nicht. Zudem schlägt das Coverartwork (ja, wieder von Andreas Marschall) in puncto Klischeeabdeckung alles, was seit Wyverns "The Wildfire" erschienen ist, und stürzt vom schmalen Grat zwischen Kult und Kultversuch in letztgenannte Richtung ab. Die brennende Festung im Hintergrund hätte auch einen einheitlicheren Baustil und eine militärisch sinnvollere Bastionierung vertragen können - die abgebildete wäre selbst von Monty Pythons "Rittern der Kokosnuß" ohne Probleme bezwungen worden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß HammerFall mit "Renegade" ein über weite Strecken sehr gutes Album "echten" Metals gelungen ist, welches "Glory ..." nicht übertreffen kann, aber "Legacy ..." ein gutes Stück abhängt und das sich jeder Anhänger beschriebener Klänge sorglos ins Regal stellen kann.
 




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