www.Crossover-agm.de GODS TOWER: The Greatest Arrows
von rls

GODS TOWER: The Greatest Arrows   (Go Records/Misteria)

Eine Band aus Weißrußland, die so bekannt ist, daß es gleich vier Quasi-Best Ofs von ihr gibt - ein Oxymoron? Mitnichten, wie Gods Tower beweisen, die der ganz intensive CrossOver-Leser schon kennen sollte, denn sie waren eine der 13 Bands auf "A Tribute To Arija" und hatten "Wolja I Rasum" in eine donnernd-angedoomte englische Variante namens "Power And Reason" umgebastelt. Im Gegensatz zu den allermeisten Bands des ex-sowjetischen Territoriums singen sie komplett in Englisch, wobei unklar bleibt, ob es sich beim Namen des Sängers Lesley Knife nur um ein Pseudonym handelt oder der Vokalist tatsächlich aus anglophonen Ländern stammt. Um nun die oben erwähnte Best Of-Konstruktion mal aufzulösen: 1999 erschien bei Sturmflügel, einem Sublabel der Moseluferbewohner von Prophecy Productions, eine Gods Tower-Platte namens "Ebony Birds" - quasi in Doppelkonstruktion einerseits eine Best Of mit Material der Alben "The Eerie" und "The Turns", andererseits aber auch ein Testballon, wie der deutsche Markt auf die bis dato (trotz eines 1996er Festivalgigs bei Heidelberg, u.a zusammen mit Primordial) dort nur auf dem Importwege und damit entsprechend spärlich vertretene Band reagieren würde. Offensichtlich reagierte er nicht, denn von weiteren offiziellen Deutschland-Releases der Band ist mir nichts bekannt. Statt dessen erschien einige vorgerückte Jahre im neuen Jahrtausend "The Anthology" auf einem englischen Label, vorher aber bereits anno 2001 in der Heimat der Band "Abandon All Hope", eine Art Best Of, eher aber eine Raritätenzusammenstellung mit zwei neuen Songs, drei Coverversionen (neben der bereits oben erwähnten Arija-Umsetzung noch Black Sabbaths "Iron Man" - stilistisch durchaus naheliegend - und Europes "Final Countdown" - womit nicht zwingend zu rechnen war), einer Singleversion von "Life Ends", zwei Dance-Remixen und dem alten Song "Beyond Praying" als Video. Sonderlich produktiv war die Truppe in der Folgezeit dann nicht mehr, denn neueres Material ist auch auf dem 2005 erschienenen Album "The Greatest Arrows" nicht vorhanden (was einen simplen Grund hat: die Band hat sich am 16. Juli 2002 aufgelöst), und das hat nun von den drei erwähnten Scheiben den deutlichsten Touch in Richtung einer klassischen Best Of-Scheibe. Acht als Audioversion vertretene Songs bringen es auf 56 Minuten Spielzeit, was schon einmal nahelegt, daß wir es nicht mit Funpunkern oder Überschallhardcorefreunden zu tun haben dürften, und die generelle Marschrichtung der genannten Arija-Coverversion führt uns auf die korrekte stilistische Fährte: Gods Tower spielen stark doomig angehauchten Metal, sind für reinen Doom geschwindigkeitstechnisch allerdings erstens viel zu variabel und zweitens in der Durchschnittsbetrachtung auch zu schnell. Recht oft schlagen sie ein stampfendes Tempo etwa in der Maßklasse von Accepts "Princess Of The Dawn" an, schleppen sich aber natürlich bisweilen auch ordentlich durch die Gegend und ziehen etwa im Schlußteil von "Abandon All Hope" die Geschwindigkeit auch mal bis in den Speedbereich hoch. Für das ausgeprägte doomige Feeling sorgen allerdings die äußerst voluminösen und tiefen Rhythmusgitarren, die allerdings von einer zumeist äußerst hellen und schneidenden Leadgitarre ergänzt werden, wie gleich der Opener "Rising Arrows" (eine logische Wahl angesichts des CD-Titels) deutlich macht. Dazu kommen selten, aber effektvoll eingesetzte Keyboards, etliche Akustikgitarrenpassagen mit nicht zu verkennendem folkigem Touch, eine Handvoll Breaks und Tempowechsel, und das Ganze ist in einem sehr sauberen Klanggewand gehalten. Bleibt der Sänger zu betrachten: Lesley Knife artikuliert sich normalerweise in recht rauher, aber noch deutlich verständlicher Manier, wobei er in "When Life Ends" schon mal bis in Death Metal-Lagen vorstößt (und dann britische Frühneunziger-Züge offenbart), beispielsweise in "Blood" hardcoreartig shoutet, daß man an Pro-Pains Gary Meskil oder einen weniger leidenden Kirk Windstein von Crowbar denkt, aber auch zu heroischen Klargesängen in der Lage ist, wofür gleich wieder "Rising Arrows" als Exempel herhalten darf, dessen mitmachorientierter "Ohohoh"-Refrain das Stück garantiert zum Livehit gestempelt hat und nicht zuletzt auch für den gewissen Viking Metal-Touch verantwortlich ist, den man nicht verkennen kann. Überhaupt neigen Chefdenker Alexander Urakow (der übrigens am 14. Dezember 2003 verstorben ist, so daß mit einer Reaktivierung der Band kaum zu rechnen sein dürfte) und seine Mannen stark zum "Füllen" ihrer Kompositionen mit Soli oder zusätzlichen Instrumentallinien, was im Doombereich ja nicht ganz gewöhnlich ist, wo der musikalische Purismus noch deutlich mehr Anhänger hat als in anderen metallischen Subgenres. Gerade dadurch heben sich Gods Tower aber im positiven Sinne ab und werden auch für Hörer, die der reinen Doom-Lehre eher wenig abgewinnen können, interessant, ohne darüber aber ihre generelle theoretische Kompatibilität für ein Festival wie das Doom Shall Rise zu verlieren. Einen optischen Vorgeschmack kann man sich auf der CD schon mal holen, denn neben den acht Audiotracks sind noch vier weitere Songs als Video vertreten (man frage mich allerdings nicht, womit man diese vier MPEG-Dateien abspielen soll, denn sowohl ein neuerer Windows Media Player als auch mehrere Quick Time-Versionen scheiterten daran). Schauen wir durch die Tracklist, so finden wir das 1996er Album "The Turns" am stärksten vertreten, nämlich fünffach mit "Rising Arrows", gleich einem ganzen Block am Ende der Audiosektion mit "Blood", "Twilight Sun" und der Ballade (!) "Mysterious" sowie dem 1998 gedrehten Video "An Eye For An Eye". "The Eerie" stellt "When Life Ends" und das Instrumental "Inis Afalon" (kein Tippfehler) für den Audio- sowie den Titeltrack für den Videosektor (1998 gedreht), wobei mir nicht bekannt ist, ob es sich um die 1993er oder die 1997er Versionen der Songs handelt ("The Eerie" war als Tape 1993 erschienen, wurde aber 1997 für den anstehenden CD-Release nochmal komplett neu eingespielt). "Abandon All Hope" stellt seine beiden neuen Songs zur Verfügung, davon den Titeltrack als Audio- und "Civilisation" als Videovariante (2001 gedreht). Vom "Canticles"-Tape aus dem Jahre 1994 stammt "Beyond Praying", das es zudem 1993 schon als Single gegeben haben soll; auf "The Greatest Arrows" ist das 1994er Video vertreten - ob es das gleiche ist, das schon auf "Abandon All Hope" stand, muß an dieser Stelle offenbleiben. Bleibt "Living Mirror", ein als unveröffentlicht gekennzeichneter Song, der sich stilistisch nicht vom Rest unterscheidet (aber soundlich - man bemerkt einen kleinen Bruch nach dem davor plazierten "Abandon All Hope", was Gesamtvolumen und Gitarrensound angeht). "Abandon All Hope", "Living Mirror" und das "Civilization"-Video sind in der Tracklist übrigens noch mit einem Sternchen gekennzeichnet, aber im Booklet findet sich nirgendwo ein Hinweis, was das zu bedeuten habe - es gibt nur eine Unklarheit in der Besetzungsliste. Die führt nach den fünf Mitgliedern, die auch in Riermaiers Osteuropa-Lexikon genannt werden (ein zusätzlicher Zweitgitarrist gehörte nur 1994/95 mal ein Jahr lang zur Band), nämlich noch "Valery Novoseltsev - bass on tracks" und "Sergey Sergeichikoff - keyboards on tracks" auf; möglicherweise ist dort einfach je ein Sternchen zu setzen vergessen worden, und diese logische Lösung würde bedeuten, daß sich die Besetzung vor "Abandon All Hope" geändert hat, diese beiden Musiker Bassist Juri Siwtsow und Keyboarder Dmitri Owchinnikow ersetzt haben und auch "Living Mirror" aus dieser Phase stammen müßte. Diese theoretischen Überlegungen (die auf der Bandhomepage in der History ihre Bestätigung finden, zumindest was den Besetzungswechsel angeht) haben allerdings keinen Einfluß auf das Verdikt, daß wir es bei Gods Tower mit einer hochinteressanten Band zu tun hatten/haben, die auch in Mitteleuropa trotz des fehlgeschlagenen Versuchs mit "Ebony Birds" definitiv eine größere Bekanntheit verdient hätte. Wer beispielsweise schon die russischen Scald schätzt, wird mit Gods Tower sicherlich glücklich und sollte mal schauen, wo er die Alben noch herbekommt. Den großen Einfluß, den die Band in den ex-sowjetischen Gefilden ausübte, erkennt man beispielsweise an der Tatsache, daß es außer vier Quasi-Best Ofs mittlerweile sogar eine Doppel-CD "A Tribute To Gods Tower" gibt.
Kontakt: www.godstower.com, gorecords@land.ru

Tracklist:
Rising Arrows
When Life Ends
Abandon All Hope
Living Mirror
Inis Afalon
Blood
Twilight Sun
Mysterious
Beyond Praying (Video 1994)
The Eerie (Video 1998)
An Eye For An Eye (Video 1998)
Civilization (Video 2001)
 




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