www.Crossover-agm.de FAKTOR STRACHA: Teatr Wojennych Deistwij - Akt 1
von rls

FAKTOR STRACHA: Teatr Wojennych Deistwij - Akt 1   (CD-Maximum)

Musiker von Trizna und Boney Njem tun sich zusammen und spielen ein völlig genresprengendes, modernes wie traditionelles Metalalbum ein. Das funktioniert konzeptseitig offensichtlich so gut, daß es dieses Bandprojekt mittlerweile außer dem vorliegenden ersten Theaterakt auch noch auf einen zweiten sowie zwei weitere Studioalben gebracht hat, die allerdings allesamt bisher noch nicht den Weg ins Rezensentenbüro geschafft haben. Konzentrieren wir uns also erstmal auf den ersten Akt, zugleich das Debütalbum der Mannen um Gitarrist/Keyboarder/Alleinkomponist Konstantin Selesnew, den Rezensenten vor akute Probleme stellend, wie das 48minütige Resultat denn nun beschrieben werden soll. "Moderner Power Metal" wäre vielleicht noch am wenigsten falsch, Vergleichsbands aus nichtrussischen Gefilden wollen einem kaum einfallen, denn sobald man eine Idee hatte, sind einem die fünf Russen garantiert schon wieder einen Einfall voraus, ohne daß allerdings das Resultat konzeptlos oder gar verworren anmuten würde. Freilich braucht man schon den einen oder anderen Durchlauf, bis man alle Zutaten als zusammengehörig erkannt hat. Nehmen wir als Exempel nur mal den zweiten Song "Wysche Sil": Strophen, die an den neuzeitlichen modernen Göteborgmetal erinnern, werden immer wieder von harschen Thrashattacken unterbrochen, ein zentrales Break weist in elektrogotische Gefilde, der Refrain hat Hymnencharakter, und obendrauf gibt's als Sahnehäubchen noch ein klassisches Metalgitarrenheldensolo und ein ruhiges Akustikgitarrenoutro. Wie gesagt: Man braucht eine gewisse Zeit, um sich in diese Mixtur hineinzudenken. Möglicherweise hilft dem Russischkundigen auch das Verständnis der (nicht abgedruckten, aber zu zwei Dritteln in verständlichem Cantus gesungenen) Texte, um die Struktur des offensichtlichen Konzeptalbums besser zu entschlüsseln; für die prinzipielle Feststellung, daß es sich um eine Kriegsthematik handelt, reichen auch das Rekognoszieren der Luftschutzsirene in "Woina", marginale Russischkenntnisse für das Übersetzen von Songtiteln wie "Woina" ("Krieg") oder "Soldat" oder schließlich Augen im Kopf, um die Szenerie im Booklet hinter dem Bandfoto oder auch schon die Zutaten, die das Theater auf dem Cover zu einem wenig einladenden Raum machen, zu erkennen. Die erwähnte Drittelteilung gesanglicherseits ist auch personell fixiert: Kirill Njemoljajew übernimmt das herbe Thrash-/Death-Shouting, Ilja Alexandrow die in der Gesamtabrechnung dominierenden Klargesangparts, kleinere vokale Anteile entfallen darüber hinaus auch noch auf Häuptling Selesnew, Bassist Dmitri Skopin sowie die Gäste Maxim Samoswat (Epidemija, zu hören in "Woina") und Olga Korschak, die in "Professional" als verzerrt eingemischte Nachrichtensprecherin agiert. In der musikalischen Summierung überwiegen die modernen Elemente die traditionelleren deutlich, so daß also der Freund neuzeitlicherer "Everything goes"-Klänge deutlich schneller mit dem Album warm werden wird als die "Früher war alles besser"-Fraktion. Zunächst muß man nämlich mit häufigem Keyboardeinsatz warmwerden, auch Loops und Samples kommen immer mal zum Zuge, Gesänge werden nicht selten verzerrt, für den Gitarrensound wählten Selesnew und Studioinhaber/Coproduzent Dmitri Borissenko (ja, der von Tschornij Obelisk - in zwei Songs auch gleich noch als Gastgitarrist vertreten) auch eine etwas modernere Variante, und der generelle Breakquotient dürfte für den gemeinen Traditionsmetaller auch deutlich zu hoch ausfallen. Selbiger wird sich, so er härteren Klängen zugeneigt ist, wiederum über Njemoljajews Gesang freuen, und wenn er eher auf klassischen Italometal steht, pumpt ihm Selesnew mit diversen quicklebendigen Soli (in "Besdna" sogar gleich zwei, eins als Intro und eins in der Songmitte) ordentlich Adrenalin in den Körper. Mit dem hymnischen Charakter vieler der Refrains dürften beide Personengruppen etwas anfangen können, und auch das zwischen Ballade, klassischem Melodic Rock und Metalhymne pendelnde "Notsch" wäre prinzipiell als vereinend-übergreifendes Element geeignet. Als Hidden Track covern die Russen übrigens noch George Harrisons "While My Guitar Gently Weeps" vom Weißen Album der Pilzköpfe und setzen den Song konsequent in ihren originellen Stil um. Wie gesagt: Vergleichsbands wollen einem kaum einfallen. Hätten die Landsleute Valkyria zwischen ihren beiden doch recht unterschiedlichen Alben noch ein weiteres als stilistisches Bindeglied eingespielt, läge das vermutlich irgendwo in der Nähe dieser 48 Minuten hier (auf dem letzten Album dieser Band sang übrigens ebenfalls Njemoljajew), und wären Labyrinth, um doch mal eine "westliche" Band anzuführen, den auf "Sons Of Thunder" eingeschlagenen Weg konsequent weitergegangen, anstatt mit dem selbstbetitelten Nachfolger wieder ein Stück rückwärtszumarschieren, so hätten sie nach zwei oder drei Alben kontinuierlicher Entwicklung eine ähnliche Platte fabrizieren können. Irgendwie kommen einem beim Hören auch ab und zu mal die Schweden Assailant in den Sinn. Aber das alles taugt nur als grobe Orientierung - Faktor Stracha sind bereits auf ihrem Debütalbum ziemlich originell, und das war auch schon 2005, als diese neun Songs und der Hidden Track eingespielt wurden, eine beachtenswerte Leistung. Mit dieser Ausprägung kann man entweder zwischen allen Stühlen landen oder tatsächlich einen Zielgruppenspagat hinbekommen, und Faktor Stracha haben offensichtlich letzteres geschafft, ansonsten wäre es nicht innerhalb von fünf Jahren zum Release vierer Alben gekommen. Also beim nächsten Rußlandurlaub Augen auf oder mal einen der üblichen gutsortierten Importeure befragen.
Kontakt: www.factorstraha.com, www.cd-maximum.ru

Tracklist:
Rasjetajas W Pyl
Wysche Sil
Woina
Professional
Besdna
Swet Kriwych Serkal
Soldat
Notsch
Standart Kriwolineijnych Liz
 




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