www.Crossover-agm.de ECLIPTYKA: Times Are Changed
von rls

ECLIPTYKA: Times Are Changed   (Die Hard Records)

Nomen est omen? Teils, teils. Die neun Songs auf "Times Are Changed", dem zweiten Full-Length-Album von Ecliptyka führen einerseits die Linie des Debüts "A Tale Of Decadence" konsequent weiter, aber sie bauen auch neue Elemente in den Bandsound ein, die man bisher so noch nicht kannte. Der eröffnende Titeltrack wird dabei noch nicht zum paradigmatischen Knackpunkt, denn er kombiniert zunächst fast alle Elemente, die die Brasilianer schon auf dem Debütalbum eingesetzt hatten, und läßt die damals gezogenen Vergleiche zu Amaranthe erneut ins Hirn springen. Auch alle drei Gesangsstimmen des Vorgängers sind wieder da, also die dominierende starke Klarstimme von Helena Martins, das mäßig tiefe Growling von Guilherme Bollini an Gitarre 1 und der halbhohe Klargesang von Hélio Valisc an Gitarre 2, wobei das Growling einen recht breiten Raum einnimmt, letzterer aber nur punktuell zum Einsatz kommt, wobei die Anzahl dieser Punkte aber größer ist als auf dem Vorgängeralbum - zudem stehen sie an deutlich prominenterer Position: Bis einschließlich Track 3, "Forgotten" ist Hélio bereits zweimal im Mikrofoneinsatz gewesen (es kommen später noch zwei weitere Songs hinzu). Bis dorthin sind allerdings auch schon die ersten Stilerweiterungen ins mehr oder weniger erstaunte Gesicht des Hörers gesprungen. "To Your Final Breath" an Setposition 2 nämlich hebt mit einem flotten Part an, den jede kalifornische Melodic-Punk-Band ebenso mit Kußhand übernommen hätte wie der fröhlichere Teil der Alternative-Rock-Bands, während "Forgotten" einen musikalisch eher unvermuteten, regional aber nicht unlogischen Einfluß in den einleitenden Songaufbau packt: Der groovig-moderne Metal, den wir dort hören, könnte auch aus der Cavalera-Schule ab den Mittneunzigern entsprungen sein. Und dabei bleibt es nicht: Song 4, "What You Think You Feel", legt abermals punkige Elemente frei, diesmal aber urwüchsigere und europäischer anmutende, die keinen parallelen alternativen Anstrich aufweisen. Das Interessante ist nun aber, daß Ecliptyka nicht etwa ganze Songs in den jeweils angerissenen Stilen schreiben (was zu einer samplerartigen Wirkung des Albums geführt hätte), sondern aus den betreffenden Elementen Songwritingbausteine für ihren althergebrachten Bandsound gewinnen, wobei sich dessen Gewicht ein wenig vom klassischen melodischen Power Metal hin zu einer moderneren Interpretation verschoben hat, wenngleich vor allem die Sologitarrenarbeit nach wie vor tief im traditionellen Metalverständnis verwurzelt ist. Mit "Breathing Again" ist auch wieder ein kurzes instrumentales Interludium vertreten, das uns zur Abwechslung nach Asien entführt: Die Gitarren muten oftmals eher sitarartig an, und im Hintergrund klingeln tibetische Schellenglocken, die allerdings mit etwas Phantasie auch der nordeuropäischen Folklore entsprungen sein könnten. "Embrace The Pain" schaut von allen neun Tracks allerdings wohl am deutlichsten nach Nordeuropa: Hier hören wir eine moderne Variante des göteborg-originären melodischen Death Metals, die groovige Teile mit flottem Geprügel und durch den Wolf gedrehten Iron-Maiden-Gitarrenharmonien paart, wobei spätestens hier dem Hörer auffallen sollte, daß Ecliptyka auch an der Eingängigkeit ihrer Songs gearbeitet haben: Die Refrains gehen durchaus etwas schneller ins Ohr als auf dem Debütalbum, ohne aber in allzu platte Gefilde abzudriften. Interessanterweise haben die Brasilianer die drei epischsten Tracks ans Ende des Albums gestellt: Schon "Changed And Gone" an Position 7 baut in seine anfangs eher geradlinig wirkende Struktur ein rhythmisch interessantes Vor-Solo-Break und später noch etliche Tempovariationen ein, und die letzten beiden Tracks fallen allein schon aufgrund ihrer Länge von reichlich fünf bzw. knapp sechs Minuten aus dem bandtypischen Rahmen, wobei "Save Me From Myself" einleitend wieder so ein klassisches Songschema aus dem Alternative-Rock-Bereich entwickelt, wie man es bisher von diesen Brasilianern noch nicht kannte, wobei es diesmal aber nur in geringerem Maße abgewandelt wird, sondern den Song über weite Strecken prägt und im etwas merkwürdig dramatisierten, da zumindest anfangs ins Leere zu laufen scheinenden Refrain in fast unveränderter Form erneut zutage tritt. Was sich Ecliptyka bei diesem Refrain gedacht haben, demonstrieren seine nächsten Einsätze, die Helena die Gelegenheit geben, quasi nachträglich noch Steigerungen anzufügen und so für eine anfangs völlig unvermutete Art von Dramatik zu sorgen. Das midtempolastige, nach schleppendem Beginn später noch starken Zug zum Tor entwickelnde "If You Only Knew" schließt die nur 37 Minuten von "Times Are Changed" noch mit ganz leichten Anleihen beim modernen Progrock Marke Gazpacho ab und läßt den Hörer zwar leicht verwirrt, aber doch generell auch angeregt zurück - eine interessante, übrigens von Jean Dolabella, der von 2006 bis 2011 bei Sepultura hinterm Drumkit saß, produzierte Weiterentwicklung zum drei Jahre zuvor erschienenen "A Tale Of Decadence", die manchem Traditionalisten zwar nicht schmecken wird, aber der Band durchaus auch neue Hörerschichten erschließen könnte.
Kontakt: www.ecliptyka.com, www.diehard.com.br

Tracklist:
Times Are Changed
To Your Final Breath
Forgotten
What You Think You Feel
Embrace The Pain
Breathing Again
Changed And Gone
Save Me From Myself
If You Only Knew






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