www.Crossover-agm.de DRĘSILL: Welcome To The Show
von rls

DRĘSILL: Welcome To The Show   (Karthago Records)

Eiríkur Hauksson war in der ersten Hälfte der Achtziger offenbar so etwas wie die zentrale Figur der isländischen Metalszene: Zunächst spielte er, so sagen die Encyclopedia Metallum und die Liner Notes von Stefan Riermaier, 1981 mit der Band Start ein Album ein (es differieren nur die Stilangaben: "Rockalbum" in den Liner Notes, "NWoBHM-lastig" im Netz), bevor er eine neue Band namens Dręsill zusammenstellte und fünf Songs im Alleingang für ebenjene schrieb. Im Verbund mit Gitarrist Einar Jónsson entstand "Play It Loud", und die einzige richtige Gemeinschaftskomposition des Quartetts bildete "Welcome To The Show". Diese sieben Songs wurden dann 1984/85 für das Debütalbum eingespielt und der Name der besagten Bandkomposition zum Titeltrack erkoren - allerdings kam der Band das Werk etwas zu kurz vor, und so schrieb Hauksson noch einen achten Track: Er nahm das Thema von "Klassisk Romance", einem nur 26sekündigen Instrumentalstück vom justament erschienenen TNT-Album "Knights Of The New Thunder", und baute um dieses eine Ballade namens "Little Star", die er einer Verflossenen widmete, welche wiederum den Grund dafür bildete, daß er Island verließ und nach Norwegen zog, wo er einer Band namens Artch beitrat und dort unter dem Pseudonym Eric Hawk die beiden formidablen Alben "Another Return" und "For The Sake Of Mankind" einsang. Dręsill wiederum kamen ohne ihren Bandkopf keinen Schritt mehr weiter, und weitere Tonzeugnisse von ihnen sind nicht überliefert - auch Demoaufnahmen oder anderes Material scheint es nicht gegeben zu haben bzw. zu geben, so daß der nunmehr vorliegende Re-Release von "Welcome To The Show" in der Heavy-Metal-Classics-Reihe des Karthago-Labels exakt die acht Songs des originalen Vinyls mit zusammen knapp 38 Minuten Spieldauer enthält und übrigens auch von einer LP abgenommen worden zu sein scheint, wie gelegentlich zu hörendes Schallplattenknistern verrrät. Nur einige hundert LPs sollen damals hergestellt worden sein, die nach anfänglichen akuten Vertriebsschwierigkeiten über die Jahrzehnte hinweg doch noch in den Plattenschränken von Sammlern verschwanden, und nun haben 666 Leute die Gelegenheit, mit dem in ebenjener Stückzahl veröffentlichten Re-Release (vorbildlich ausgestattet mit Liner Notes, Lyrics und zusätzlichen Kommentaren Haukssons zu jedem Song) diese Lücke auch noch zu schließen.
Wie immer stellt sich natürlich die Frage, ob bzw. für welchen Personenkreis sich das lohnt. Zu hören ist purer Mittachtziger-Traditionsmetal der zwar zupackenden, aber stets melodisch bleibenden Kategorie, wie man ihn etwa von den ungeschliffeneren Pretty Maids zur gleichen Zeit geboten bekam. Interessanterweise verstecken sich die Highlights fast alle auf der B-Seite, mit Ausnahme des kultigen Stampfers "Left-Right (The Night Of Dreams)" an zweiter Position, der zudem musikgeschichtlich weit vorgreift, indem er ein Cello zum Einsatz bringt und dieses partiell wie eine Rhythmusgitarre klingen läßt - wir befinden uns wohlgemerkt ein Jahrzehnt vor der Gründung von Apocalyptica. Arndor Jónsson kommt mit diesem Instrument, dann allerdings im typischen Streichergestus, dann auch nochmal in der bereits erwähnten Ballade "Little Star" zum Einsatz, die ebenfalls zur stärkeren Fraktion des Albums gehört, ebenso wie der die B-Seite eröffnende, überwiegend flotte und mit einem furiosen Gitarrensolo ausgestattete Titeltrack, der zudem eine leicht orientalisch klingende Passage enthält und damit schon ein wenig auf Artch vorausweist, die hier und da gleichfalls mit solchen Elementen spielten. Der Stampfer "Play It Loud", auch auf der B-Seite, überrascht mit einem ausgedehnten Halbakustikbreak, das in diesen simplen Partyhardrocker irgendwie gar nicht so richtig passen will, wenngleich es an sich exzellent arrangiert ist. Das Albumhighlight steht mit dem siebenminütigen Epos "Fiesta For Friends" allerdings ganz am Ende, wo Dręsill nochmal alle Register ihres Könnens ziehen und ein großartiges, prima instrumentiertes (wenngleich auf spanische Elemente, die vielleicht mancher aufgrund des Songtitels erwartet haben könnte, verzichtendes) Werk erschaffen, das auch Heavy Load oder gar Manowar in ihr Repertoire hätten aufnehmen können. Vor diesem Hintergrund fallen die noch nicht erwähnten drei Songs der A-Seite (der schnelle Opener "Anthem For The Insane", das Midtempostück "Don't Shoot Me Down" und der abwechslungsreiche Seitencloser "We're Coming To Rock You") ein wenig ab, obwohl auch sie mindestens soliden zeittypischen Metal enthalten und auf keinen Fall als Ausfälle zu betrachten sind, zumal Hauksson hier und da geschickt zur Stimmungsuntermalung ein paar Keyboards einbauen läßt und sich auch gesanglich mindestens als Vorstufe des Könners erweist, den wir dann bei Artch kennenlernen konnten - nur wenn er in eine Art Erzählstil abdriftet, wie er das in "Play It Loud" tut, wirkt er etwas unbeholfen, was übrigens auch auf das von ihm gezeichnete Frontcover zutrifft. Da spielt "Another Return" dann doch noch einmal in einer anderen Liga. Auf dem historischen Backcover stehen übrigens nicht vier Leute, sondern fünf in irgendeiner Industrieanlage herum (wobei Hauksson zeigt, wo's langgeht) - ob der fünfte Cellist Jónsson oder aber Gastgitarrist/-keyboarder Sigurgeir Sigmundsson ist, muß an dieser Stelle offenbleiben. Nicht offen bleibt die Frage, ob sich der Erwerb der CD lohnt: Für Artch-Fans sollte sie Pflichterwerb sein, für TNT-Fans ist sie gleichfalls reizvoll, und wer generell melodischen Mittachtziger-Metal ohne Extreme mag, der könnte hier ein interessantes Schätzchen entdecken.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Anthem For The Insane
Left-Right (The Night Of Dreams)
Don't Shoot Me Down
We're Coming To Rock You
Welcome To The Show
Play It Loud
Little Star
Fiesta For Friends
 




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