www.Crossover-agm.de DEWJATIJ WAL: Po Tu Storonu Lschi
von rls

DEWJATIJ WAL: Po Tu Storonu Lschi   (Metalism Records)

Die Neunte Welle (so die Übersetzung des Bandnamens) ist mittlerweile schon wieder am Strand des Arktischen Ozeans an der sibirischen Küste verebbt, denn Dewjatij Wal aus Nowosibirsk haben sich unlängst aufgelöst - schade um eine durchaus vielversprechende Combo aus der mittlerweile recht voluminös gewordenen russischen Traditionsmetalszene. So muß man sich also mit dem Lauschen ihres Debütalbums "Po Tu Storonu Lschi" begnügen, sofern man nicht als beinharter Undergroundler auch noch ihr 2004er Demo "Weter Nad Rekoi" besitzt - fünf von dessen sieben Songs sind allerdings auch auf "Po Tu Storona Lschi" enthalten, nur "Losch" und "Fire That Never Dies" blieben außen vor. Allerdings scheinen auch die fünf übernommenen Songs nochmal neu eingespielt worden zu sein, da es doch einige signifikante Unterschiede in puncto Spielzeit gibt - "Doroga Bjes Woswrata" etwa ist in der neuen Fassung eine halbe Minute kürzer, was auch für ein gewisses Umarrangement spricht. Generell fällt an "Po Tu Storonu Lschi" auf, daß es ein Schätzchen ist, dessen Schönheit entdeckt werden will und sich beim oberflächlichen Hören noch keineswegs erschließt. Beim Nebenbeidurchlaufenlassen enthüllt sich nämlich nur eine normale und nicht weiter auffallende Melodic Metal-Scheibe, deren interessante Details erst beim intensiveren Lauschen auffallen. Rein stilistisch liegt man in der Nähe der härteren Kompositionen von Royal Hunt (Andre Andersen taucht dementsprechend auch in der Dankesliste von Sänger/Chefdenker Dmitri "von Juntz" Lomowzew auf, wohingegen der zweite Musikerdank, nämlich der an Blind Guardian-Hansi, eher weniger Spuren in der Musik Dewjatij Wals hinterlassen hat), verfügt im Gegensatz zur dänisch-internationalen Allianz aber über zwei Gitarristen (zumindest zum Zeitpunkt der Albumaufnahmen - die Finalbesetzung mußte bereits ohne Roman Zwaigert auskommen), wenngleich ein Gutteil der richtig interessanten Akzente in spielerischer Hinsicht von Keyboarder Dmitri "Demid" Poljanski gesetzt werden, ohne daß sich dieser aber demonstrativ in den Vordergrund spielt. Das zeigt sich gleich am Intro, welches der Platte auch den Titel verleiht und in dem die phantasievoll perlenden Melodien Poljanskis einen nicht geringen Teil des Reizes ausmachen. Etliche der Songs weisen Überlänge aus, aber die Arrangementfraktion baut immer wieder geschickte Interessenwachhalter ein, die man mitunter gleich, bisweilen aber auch erst bei späteren Durchläufen entdeckt. Der Tempowechsel in einen verschleppten Refrain in "Wjedmin Tanjez" etwa fällt in die erste Kategorie, das kleine Break mitten im Hauptsolo von "Tschetwertij Reich" nach Minute 4:15 aber in die zweite. "Tschetwertij Reich" ist übrigens kein Cover von Stratovarius' "4th Reich", aber es hätte wie dieses perfekt aufs "Fourth Dimension"-Album gepaßt, wenngleich der Virtuosencharakter bei Dewjatij Wal nicht ganz so stark ausgeprägt ist - nicht mal im Instrumental "Zunami" läßt Gitarrist Iwan Kusnezow, der für diese Komposition verantwortlich zeichnet, die Leinen richtig los, obwohl hier immerhin sogar Bassist Alexei Jegorow mal solieren darf. So richtig die Pferde durchgehen lassen die Jungs außer im kurzen speedigen Interludium "Merkuria" eigentlich nur im Intro der neunminütigen Bandhymne "Dewjatij Wal", aber auch hier entwickelt sich bald ein griffiger Melodic Metaller mit nur gelegentlichen progressiv-mystischen Einschüben und einem zwar ausgedehnten, aber stets kontrolliert offensiven Hauptsolo (und einer wiederum äußerst geschickt eingeflochtenen Tempovariation beim Wiederübergang in den Gesangspart). Einen recht ungewöhnlichen Charakter dagegen besitzt die Ballade "Bjes Tebja", den man sich ungefähr so vorstellen muß, als ob man beim Trans-Siberian Orchestra eine dicke Schicht Zuckerguß entfernen würde. Sonderlich vollgestopft haben Dewjatij Wal ihre Songs nicht (auch nicht mit Orchestertürmen zugestellt), was in der gegenwärtigen "Verdichtungswelle" einen eigentümlichen Eindruck hinterläßt, aber ein prinzipiell angenehmes Durchhören der 56 Minuten ermöglicht. Hierzu trägt auch von Juntzens Stimme ihr Scherflein bei, denn diese bewegt sich in verträglichen Höhen, meidet auch ausdruckstechnisch jegliche Extreme und ist so im besten Sinne unauffällig - für ganz große Emotionen ist sie zumindest in der hier gebotenen Form nicht vorgesehen, nicht mal in den Balladen, die zwar recht einfühlsam, aber wiederum recht unexpressiv klingen. Das ist wie erwähnt kein Nachteil, trägt allerdings zu der scheinbaren Stromlinienförmigkeit bei, die sich erst bei intensiver Beschäftigung zu einem zwar kleinen, aber farbenprächtigen Feuerwerk wandelt. "Weter Nad Rekoi", der Titelsong des Demos, ist in der CD-Fassung als Bonustrack ausgewiesen, allerdings entzieht sich der allgemeinen Kenntnis, für welche Pressung diese Bonifikation gilt bzw. für welche nicht. Das Prädikat "eigentümlich" verdient sich das Covergemälde, bei dem man sich spontan an das Debüt von Fates Warning erinnert fühlt (und das ist kein Kompliment, ähem ...), wohingegen die Ausführlichkeit des Booklets (16 Seiten, alle Texte etc.) für russische Verhältnisse als ausgesprochen vorbildlich bezeichnet werden darf. So bleibt das Vermächtnis einer interessanten Band, auf deren weiteres Schaffen man hochgradig gespannt hätte sein dürfen - aber die Mitglieder sind den Fotos nach zu urteilen noch relativ jung, und man wird von dem einen oder anderen sicher in anderem Kontext noch einmal etwas hören.
Kontakt: www.myspace.com/metalismrecords

Tracklist:
Intro: Po Tu Storonu Lschi
Wjedmin Tanjez
Tschetwertij Reich
Doroga Bjes Woswrata
Bjes Tebja
Zunami
Dewjatij Wal
Angel
Merkuria
Piligrim
Koda: Po Tu Storona Lschi
Weter Nad Rekoi
 




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