www.Crossover-agm.de CRYSTAL VIPER: The Curse Of Crystal Viper
von rls

CRYSTAL VIPER: The Curse Of Crystal Viper   (Karthago Records)

"Wanderer, kommst du nach Sparta, verkünde dorten, du habest uns hier liegen sehen, wie das Gesetz es befahl." Wirkt das Cover dieses Albums noch wie eine bildliche Darstellung des Endes der Schlacht bei den Thermopyläen, als ein kleines spartanisches Heer an einer strategisch wichtigen Engstelle den Vormarsch der riesigen persischen Streitmacht hemmte, so würden das (gasthalber von Gerrit P. Mutz eingesprochene) Intro und die ersten 20 Sekunden des anschließenden "Night Prowler" durchaus noch die Möglichkeit einer Vertonung dieses klassischen Geschichtsstoffes durch Wizard (die deutschen wohlgemerkt, nicht ihre diversen Namensbrüder) offenlassen, bevor die Leadgitarre von Lukasz Halczuch den Song in eine etwas melodischere, aber immer noch eindeutig im Hardrock anzusiedelnde Richtung lenkt und der Gesangseinsatz von Marta Kroczak-Gabriel wiederum 20 Sekunden noch einmal für ein neues Aha-Erlebnis sorgt, wenngleich nicht zwingend für eines der Marke Doro (hoffentlich zumindest ...), denn Martas Melodiehaltevermögen gerade in den etwas angerauhten Passagen ist doch deutlich höher einzuschätzen als das der kleinen unkaputtbaren Düsseldorferin, obwohl sich oberflächlich betrachtet durchaus Parallelen ziehen lassen. Wenn man musikalische Entsprechungen zum Doro-Schaffen suchen möchte, wird man allenfalls in den alten Warlock-Zeiten fündig, und selbst die hatten stets ein gewisses donnernd-teutonisches Element inkorporiert, das man bei Crystal Viper (die, wie mancher anhand der Namen schon vermutet haben mag, aus Polen stammen) so nicht findet. Das Quintett (zu einem solchen ist die Truppe mittlerweile wieder angewachsen, nachdem Lukasz Halczuch bei den Aufnahmen noch alle Gitarren allein einspielte - mittlerweile hat er mit Lukasz Targosz, dem Bruder von Bassist Tomasz Targosz, Verstärkung bekommen) klingt bisweilen eher britisch, wie beispielsweise "Shadows On The Horizon" mit der typischen Leadgitarrenkonstruktion nach Minute anderthalb überdeutlich aufzeigt (da hat der Gitarrist seine Maiden-Einflüsse offenbar schon mit den ersten Atemzügen inhaliert); bei genauem Hinhören zeigt sich eine latente Maiden-Verliebtheit aber auch noch an anderen Stellen, etwa im Riffing unter dem letzten Teil des Hauptsolos von "City Of The Damned". "The Last Axeman" geht introseitig auch nicht als Antithese zur oben aufgestellten Nicht-deutsch-beeinflußt-Theorie durch, denn die dort verarbeitete Melodieskala stammt aus altkeltischer Tradition, und daß sie in ähnlicher Form schon mal auf dem Running Wild-Album "Pile Of Skulls" zu hören war, ist also nur als gemeinsame Wurzelsuche zu werten. Einzig "Sleeping Swords" könnte man mit Zed Yago-Parallelen diagnostizieren, aber die haben den "schweren Beat" ja auch nicht erfunden, sondern nur ihre spezielle Lesart kultiviert, die hauptsächlich im Mittelteil des Songs von den Polen ähnlich interpretiert wird. Crystal Viper pendeln in den insgesamt 10 Songs also zwischen traditionellem Hardrock und teilweise speedangehauchtem Metal - das ist auch der Grund, wieso die Pseudonyme eher kontraproduktiv wirken, denn hinter Tommy Roxx oder Vicky Vick vermutet der Kenner eher irgendwelchen Glamrock (Stikki Fykk winken mit bunten Tüchern hinter der nächsten Ecke), Leather Wych klingt schon metallischer, aber Golem (so möchte der kahlköpfige und beziegenbartete Drummer gerne genannt werden - er ist auch der einzige der Musiker, dessen wahrer Name im Booklet verschwiegen wird) läßt dann wieder eher auf Härtegrade schließen, die Crystal Viper beileibe nicht gewillt sind aufzufahren, und Andy Wave schließlich macht die Verwirrung des unbedarften Herangehers komplett. Wenigstens hinterläßt die musikalische Komponente deutlich weniger Fragezeichen, denn die fünf Polen erweisen sich als Traditionalisten durch und durch, vertonen eine typische kriegerische Fantasygeschichte, fahren einen zwar akkurat durchhörbaren, aber trotzdem recht ungeschliffen anmutenden Sound, lassen Keyboards nicht mal in die Nähe des Studios und füllen das oben erwähnte Spektrum nach allen Seiten bis zum Anschlag aus, ohne aber irgendwie überladen zu wirken. Das schließt auch eine Halbballade mit ein, wobei "Demons' Dagger" refrainseitig die Sängerin zu einer ungewöhnlichen Betonung des zweiten Wortes zwingt, im schnellen Hauptteil wieder ein mehr als typisches Maidenriff unter das in diesem Falle recht unmaideneske Solo legt (dafür ist das Baßbreak ab 4:20 min nur deshalb nicht maidentypisch, weil der Baß akustisch so weit im Hintergrund steht, daß Steve Harris das niemals hätte durchgehen lassen) und mit der nicht komplizierten, aber schönen Gitarrenmelodie der Einleitung auch wieder ausklingt. Das andere Extrem wird mit speedigen Doublebassknallern wie dem unmittelbar folgenden "The Fury (Undead)" ausgelotet, wobei auch diese Tracks temposeitig zumeist relativ variabel zu Werke gehen, ohne sich aber irgendwie das Attribut "progressiv" um den Hals hängen zu dürfen oder zu müssen. So bleibt unterm Strich eine Dreiviertelstunde gutklassigen traditionellen Hardrocks bis Metals (der Schwerpunkt liegt relativ eindeutig in letztgenanntem Genre), der durch die Sängerin einen gewissen Originalitätsfaktor gewinnt (Barbara Malteze mag als grober Vergleich dienen, aber die kennt außer ein paar Spezialisten ja eh niemand mehr), songseitig zwar die ganz großen Highlights vermissen läßt, aber homogen auf hohem Niveau siedelt (das Intro ist ungelogen das Schwächste auf der Platte, denn Märchenerzähler Gerrit P. Mutz versprüht eine Energie wie kurz vor dem Einschlafen - sollte es seine Gründe gehabt haben, daß er das düster-dramatische Intro zu "Slaughter Prophecy" damals nicht selbst eingesprochen hat/einsprechen durfte?) und damit für Genrefreunde zweifellos einen Erwerb wert ist.
Kontakt: Karthago Records, Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de

Tracklist:
...I See Him! (Intro)
Night Prowler
Shadows On The Horizon
City Of The Damned
The Last Axeman
Island Of The Silver Skull
I Am Leather Witch
Demons' Dagger
The Fury (Undead)
Sleeping Swords
 




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