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Warrior Rock mit Zed Yago, Dark Suns, Everfest, Second Calling, Warm Und Rosa   28.10.2006   Leipzig, Haus Leipzig
von rls

Eine lobenswerte Initiative, die ein hochklassiges musikalisches Ereignis erzeugte, aber strukturell völlig vor den Baum fuhr: Im Vorfeld dieses Events der Kollegen vom Warrior Rock-Magazin (www.warrior-rock.de) war aus mannigfachen Gründen (ein gewisser Benedikt Zwiener spielte dabei wohl nicht die rühmlichste Rolle) organisatorisch so ziemlich alles schiefgegangen, was nur schiefgehen konnte, und da es mit dem Leipzig-internen Szenezusammenhalt trotz zweier einheimischer Combos im Billing doch nicht so weit her zu sein scheint (wenngleich der größte Teil des mächtigen Publikumshäufleins tatsächlich noch wegen der Dark Suns anwesend zu sein schien) und auch die Informationsflüsse partiell nicht so strömten wie geplant, hatte das Konzert stellenweise eher den Charakter einer öffentlichen Probe. Bitter für die Warrior-Leute - und doppelt bitter dadurch, daß es wie eingangs erwähnt ein musikalisch absolut hochklassiger Event war und viele Leute daher schlicht und einfach etwas verpaßt haben. Nichtsdestotrotz machten Bands wie Fans das Beste aus der Situation, und was das war, darauf sei nun im einzelnen eingegangen:
Mit gehöriger Verspätung eröffneten Warm Und Rosa den Abend und machten im Verlaufe des Sets eine eigenartige Wandlung durch: Waren die ersten Nummern noch so etwas wie eine leicht gehärtete Version von HIM, so steigerte sich der Härtegrad in reziproker Relation zum Bekleidungsgrad des Sängers, der nach der Hälfte des Sets nur noch in Shorts auf der Bühne stand, und zum Schluß hatte man fast reinrassigen Simpel-Death Metal am Start, wobei sich auch in der Artikulation des Sängers eine entsprechende Wandlung feststellen ließ, denn die anfänglichen Valo-artigen Schmachtereien wurden später mehr und mehr von wildem Gebrüll abgelöst. Trotz der grundsätzlichen Simplizität schafften es Warm Und Rosa allerdings nicht, irgendwelche sonderlich einprägsamen Songs zu schreiben, die man nicht nach der nächsten Band schon wieder vergessen hat, wenngleich sie instrumental ihre Sache durchaus passabel machten und nur der Drummer irgendwie deutlich zu statisch, fast verkrampft agierte. Unkollegialität bewies die Truppe allerdings, als seitens des Veranstalters das Bedürfnis nach Setende signalisiert wurde (man erinnere sich an die gehörige Verspätung, und vier Bands sollten ja noch kommen), die Band aber trotzdem noch eine Eigenkomposition anstimmte und diese gar noch übergangslos in Motörheads "Orgasmatron" überleiten ließ - und selbst danach bedurfte es noch etlicher Diskussionen, daß die Zugabewünsche einzelner Enthusiasten nicht mehr erfüllt werden könnten. So nicht!
Fast alle Bands schafften es, die Umbaupausen erfreulich kurz zu halten, und so standen Second Calling ohne größere Verzögerung auf der Bühne, um ihre fünf überlangen Songs zu präsentieren, und das machte die Truppe mehr als kompetent. Klassischer Progrock mit gelegentlichen Metalausflügen stand auf dem Speisezettel, und daß auch der nicht sonderlich einprägsam ausfiel, ist in diesem Falle nicht als Manko zu werten, wenngleich die Truppe unterm Strich gar nicht so hyperkompliziert agierte, nichtsdestotrotz aber natürlich den Instrumentalisten reichlich Gelegenheit zur Präsentation ihrer Fähigkeiten bot, die besonders der Gitarrist oft und gern nutzte, welchselbiger übrigens optisch aus der Truppe herausstach, denn er war der einzige Langhaarige, während die anderen vier Mitglieder in keiner Boygroup aus dem Rahmen gefallen wären. Im Opener agierte der Sänger noch etwas zu zurückhaltend, gönnte sich im zweiten Song aber dann gleich mal eine Pause und schaute sich dieses Instrumental aus der Fanperspektive an, wonach er dann richtig aufgetaut zu sein schien und trotz Konzentration auf Normallagen eine trotzdem abwechslungsreiche und stimmungsdienliche Performance bot, wobei er in "Reflections" sogar mal kurz in Death Metal-Gefilde abdriftete. Dieser Song, an Position 4 gespielt, war auch der beste des Gigs, aber auch die anderen zeigten die Fähigkeiten der fünf Düsseldorfer in einem mehr als hellen Licht.
Everfest schraubten den Härtegrad dann wieder ein gutes Stück nach oben und intonierten klassischen Power Metal mit - Überraschung! - weniger Eurospeedschlagseite, sondern vielmehr deutlichen Tendenzen zum traditionellen US-Metal, was ja in deutschen Landen weit weniger verbreitet ist. Allerdings nahmen sie nicht die verbreakte Variante a la Helstar als Vorbild, sondern eher die rifflastige Version im Stile der frühen Metal Church, wurden beim Versuch, deren Massivität zu erreichen, aber leider ein wenig vom Sound ausgebremst, denn der gestaltete die Gitarren nicht so klar durchhörbar, wie man sich das gerne gewünscht hätte, so daß auch die Soli der Gitarristen nur mit angestrengtem Lauschen durchzuhören waren. Im akustischen Mittelpunkt stand dafür der Sänger, aber er rechtfertigte diese tragende Rolle auch mit einer erstklassigen Leistung, die meist im sirenenartigen Spektrum angesiedelt war, was man aufgrund seiner sonst fast an Mike Muir erinnernden Optik (inclusive Bandana!) nun gar nicht vermutet hätte. Da er auch die Songtitel mit kaum verständlichen sirenenartigen Schreien ansagte, kann ich dazu recht wenig aussagen, aber das macht auch nichts, denn das Gesamtbild, das die Hessebube inszenierten, stimmte zweifellos und ließ die Prognose zu, daß diese Truppe ein Hoffnungsträger der deutschen Traditionsmetalszene werden könnte, falls sie das nicht schon ist.
Second Calling hatten nur fünf Songs in ihrem Set untergebracht, Dark Suns schafften auch nicht mehr, und auch sie siedelten irgendwo im Proglager, allerdings mit deutlichen Wurzeln im Düstermetal, was gelegentliche deathmetallische Ausbrüche sowohl bei Nikos Vocals als auch in der Instrumentalarbeit noch deutlich durchhören ließen. Im Gegensatz zu beispielsweise Kollege Tobias habe ich die Entwicklung der im Disillusion-Umfeld angesiedelten Band bisher aber kaum aktiv verfolgt, so daß Aussagen, inwieweit sich die heutige Ausrichtung von der vor ein, zwei, drei oder x Jahren unterscheidet, einen gewissen Unsicherheitsfaktor beinhalten. Natürlich schwebt das Banner "Opeth" über den heutigen Songs, aber die fünf gespielten siedelten derart weit im klassischen Progrock, wie es Akerfeldt & Co. sich allenfalls mal im Rahmen bestimmter auch als solcher deklarierter Experimente trauen. Hätten Anathema nach "Eternity" nicht die Elektronik und den Alternative Rock entdeckt und ihre Pink Floyd-Soundreise fortgesetzt, hätte ein Ergebnis ähnlich dem von Dark Suns erreicht werden können, und mit Riverside sind unterdessen eine weitere passende Vergleichsband aufgetaucht, wobei Dark Suns zwei Gitarristen besitzen und dieses Instrument folglich etwas stärker gewichten. Der Soundmensch weitete diese Gewichtung an diesem Abend sogar so weit aus, daß man den Keyboarder fast gar nicht vernehmen konnte, obwohl der Sound ansonsten noch vergleichsweise klar ausfiel. Einen eigenständigen Fronter brauchen Dark Suns nicht, der singende Drummer (!) dirigiert von seinem Instrument aus Band wie Fans auch so intensiv genug (wobei er durchaus zu Scherzen aufgelegt war, denn er sagte seine Band als Napalm Death an - die Briten spielten am gleichen Abend in Leipzig), und im Publikum fanden sich offensichtlich eine ganze Menge Die Hards, die auch schwierige Taktwechsel timingsicher mitbangten. Aber auch für Neulinge wie den Rezensenten blieb es ein starker Gig einer interessanten Band.
Hernach leerte sich die Halle zunehmends, nur ein kleines Häuflein Menschen wollte sich noch von der Wiederauferstehung Zed Yagos mit Jutta Weinhold am Mikro überzeugen, zumal die Geisterstunde schon wieder vorüber war, ehe die Truppe loslegen konnte. Daß sie trotz dieser späten Stunde vor einer Handvoll Menschen trotzdem ihren vollen Headlinerset durchzog, spricht für die hohe Professionalität der Band, die sich auch spieltechnisch voll ins Zeug legte, alles gab und sich nicht anmerken ließ, daß es natürlich mehr Spaß macht, vor einer vollen Halle zu spielen. Die Altmetaller im Publikum hatten ihre wahre Freude am Set, denn der setzte sich im wesentlichen aus vier Komponenten zusammen: einigen neuen Songs, die sich perfekt ins restliche Material einfügten, obwohl sie phasenweise die schnellsten Parts enthielten, die diese Band jemals komponiert hat, dann einem Drumsolo, das vom Gewohnten abwich, indem der neue Drummer von Konsevenkeyboards, die den einen oder anderen Orchesterturm aufstellten, begleitet wurde, ferner dem Song "Merlin", der eigentlich nicht aus dem Repertoire von Zed Yago, sondern demjenigen von Velvet Viper stammt (das war die Truppe, die Jutta nach dem Split Zed Yagos ins Leben rief, da es ihr damals nicht gelang, sich die Namensrechte zu sichern - die zwei Velvet Viper-Alben sind ebenfalls allererste Sahne) und ebenfalls perfekt zum Rest paßte, und dann natürlich jeder Menge Songs von den beiden Zed Yago-Klassikeralben "From Over Yonder" und "Pilgrimage", die Ende der 80er mit dem Einbau von Orchesterelementen, Frauengesang und der konsequenten Verweigerung der Schneller-Härter-Welle durch Konzentration auf einen schweren Beat Neuland beschritten und auch heute noch mit Genuß anhörbar sind, was man beileibe nicht von jedem als Klassiker gehandelten Album aus dieser Periode behaupten kann. So segelten die "Rebel Ladies" über das Meer, der "Black Bone Song" läutete den Zugabenteil ein, und natürlich vergaß man auch meinen Lieblingssong nicht, nämlich die Halbballade "The Pale Man", die trotz der Tatsache, daß die hintergründige Fragilität der Studiofassung in der Livesituation nicht so richtig reproduziert werden konnte, immer noch ein reizvolles Glanzlicht in den anderthalb hochklassigen Stunden bildete, zumal der anfangs zu laute und undurchsichtige Sound später noch auf ein vernünftiges Level korrigiert werden konnte. Damit endete ein Abend, dessen mehr als unglückliche Begleiterscheinungen zwar nicht folgenlos blieben, was die musikalischen Impressionen aber nicht überschatten kann.



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