www.Crossover-agm.de RIVERSIDE: Voices In My Head
von rls

RIVERSIDE: Voices In My Head   (InsideOut)

Gerade eben habe ich mit Arijas "Bespetschnij Angel" eine Balladencompilation reviewt, und jetzt kommt mit Riversides "Voices In My Head" beinahe noch eine hinterher. Zumindest die fünf Studiotracks blenden das metallische Element, das es auf den beiden Full-Length-Scheiben der Band in trauter Tateinheit mit Düsternis, Atmosphäre und ausladendem Progrock zu bewundern gibt, vollkommen aus, genaugenommen rockt das Material kaum mal richtig. Das Paradoxe wie Überraschende ist nun aber, daß das auch nicht stört, daß man sich zumindest über diese vergleichsweise kurze Distanz gut unterhalten fühlt. "Us" fungiert dabei mehr als eine Art zweieinhalbminütiges und eher unauffälliges Intro, auch "Acronym Love" beginnt äußerst entspannt und setzt erst mit der wunderbaren Gitarrenmelodie von Piotr Grudzinski einen richtigen Hinhörpunkt, der sich auch durch die kompletten letzten zwei Drittel des Songs zieht, wobei im hinteren Drittel dann auch die Schlagzahl durch Trommler Piotr Kozieradzki nach oben gefahren wird und ein fast typisch progrockiges Solo erklingt, das aber auch immer riversidetypisch bleibt (schon erstaunlich, daß diese Band bereits zu Zeiten ihres 2004er Debüts, denn aus dieser Phase müssen auch die Writingsessions zu diesen fünf Songs stammen, bereits einen sehr eigenständigen und wiedererkennbaren Stil besaß). Dafür überläßt der Drummer im dritten Song, dem über siebenminütigen "Dna ts. Rednum or F. Raf" (viel Spaß beim Entschlüsselungsversuch, für den man im Refrain von "Acronym Love" schon mal üben konnte), seinen Arbeitsplatz ohrenscheinlich einem Computer, jedenfalls klingt der Trommelunterbau hier sehr steril, was dem ganzen Song einen fast light-industriellen Charakter verleiht, wie man ihn auf den regulären Studioalben Riversides bisher nicht entdecken konnte. Sicherlich ein Experiment, kein schlechtes, aber ein gewöhnungsbedürftiges und neben "Us" in den Ohren des Rezensenten der schwächste der hier vertretenen Songs. Ebenfalls ein Experiment wagt "The Time I Was Daydreaming", und wieder ist der Drummer dafür verantwortlich. Nach ruhig schwebendem, ja fließendem Beginn programmiert er nämlich wieder eine eigentümliche Patternfigur aus einem cajunartigen Effekt und einer verechoenden Snare, während der restliche Teil der Musik seinen Gestus behält - auch hieran muß man sich erst gewöhnen, aber dieser Prozeß benötigt definitiv weniger Durchläufe als der zum vorgenannten Song. "Stuck Between" schließlich baut ebenfalls eine schummrige Atmosphäre auf, das sicherlich erneut computergesteuerte Drumming stört diese nicht, und man fühlt sich manchmal gar an "Sehnsucht" von Purple Schulz erinnert, bemerkt aber spätestens am urtypischen Gesang von Mariusz Duda, welcher Band man gerade lauscht. Diese fünf Tracks erschienen 2004 (scheinbar aber schon in früher aufgenommenen Versionen - die hier zu hörenden sind dem Booklet zufolge erst Anfang 2005 aufgenommen worden) als EP "Voices In My Head" in Eigenregie der Band, es gab sie auch nur über die Band und auf Konzerten zu kaufen, und sie ist längst vergriffen, woraufhin man in Polen eine Neuauflage konzipierte, die drei am 15.5.2004 im Traffic Club mitgeschnittene Tracks addiert, deren Studioversionen allesamt auf dem Debütalbum "Out Of Myself" nachgehört werden können. Hier könnte also vielleicht noch der frühere Keyboarder Jacek Melnicki zu hören sein, obwohl das Booklet der InsideOut-Version der Neuauflage (welche die polnische Neuauflage noch um ein Video zu "Acronym Love", Lyricsheets zu allen Platten sowie eine allerdings nicht sonderlich prall bestückte Fotogalerie ergänzt) schon den Neuzugang Michal Lapaj zeigt. Bei den drei Tracks handelt es sich um "I Believe" (auch 'ne Quasi-Ballade und sich damit in den eher relaxten Gestus der Studiotracks gut einfügend), "Loose Heart" (locker vor sich hin groovend und das stimmliche Markenzeichen von Mariusz Duda am eindrucksvollsten ausmalend, dazu die ersten "richtigen" Gitarrenriffs dieser CD transportierend, im Schlußteil fett bombastisch und dann doch einen kurzen metallischen Moment auf der CD markierend) und "Out Of Myself" (im geflüsterten Intro den EP-Titel hergebend und ebenfalls gekonnt zwischen spannender Ruhe und viel Druck, ja manchmal gar Hektik pendelnd). Somit bleiben unterm Strich 36 Minuten, die sich zwar vom gewohnten Riverside-Erscheinungsbild zumindest in den ersten zwei Dritteln leicht abheben, aber dennoch ihren sinnvollen Platz im noch übersichtlichen Gesamtwerk dieser polnischen Hoffnungsträger des Progrock/Progmetal einnehmen. Für Fans vermutlich Pflicht (wenngleich man sich den Erwerb zweimal überlegen sollte, wenn man die Originalversion der EP schon hat - wie das ja bei extended re-releases immer so ist), Einsteiger sollten sich aber erstmal die regulären Studioalben "Out Of Myself" und "Second Life Syndrome" einverleiben.
Kontakt: www.insideout.de, www.riverside.art.pl

Tracklist:
Us
Acronym Love
Dna ts. Rednum Or F. Raf
The Time I Was Daydreaming
Stuck Between
I Believe
Loose Heart
Out Of Myself
 




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