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von rls

ARIJA: Bespetschnij Angel   (Classic Company)

Schon am Titel merkt der Arija-Kenner, daß es sich wohl wieder nicht um ein neues Studioalbum der größten Metalband Rußlands handelt. Schließlich ist "Bespetschnij Angel" eine textlich russifizierte Coverversion einer zauberhaften Ballade aus der Feder der Holländer Golden Earring, die erstmals 1999 auf der ersten der "Tribute To Harley Davidson"-Mini-CDs im Arija-Kontext auftauchte und seither auch im Liveprogramm der Band einen festen Platz innehat. Daß ein neues Studioalbum diesen Titel tragen würde, ist also mehr als unwahrscheinlich, und der Schriftzug neben dem Titel bestätigt diese Theorie, denn dort steht "Lutschschoje Ballady" geschrieben. Wir haben es also mit einer Balladencompilation zu tun, und die macht über die kompletten 73 Minuten hinweg so viel Freude, daß man der Band wieder mal keinen Strick aus der Tatsache drehen kann, daß sie derzeit mehr Zwischendurch-Platten als reguläre neue Studioscheiben veröffentlicht. 14 Tracks umfaßt die Liste, bis auf den Titeltrack handelt es sich dabei ausschließlich um Eigenkompositionen, und man wundert sich dann doch ein bißchen, daß die Band trotz ihres gepflegten metallischen Daseins, das jedes ihrer bisher neun regulären Alben (Livescheiben, Minis etc. nicht mitgezählt) dominiert, schon so viel Halb- oder Komplettballaden zuwege gebracht hat. Aber dem ist tatsächlich so, wie vorliegende CD beweist. Allerdings liegen mir keine Informationen vor, inwieweit die Songs mit der aktuellen Besetzung nochmal neu eingespielt wurden oder in den Originalversionen auf der CD gelandet sind. Ich vermute über weite Strecken eher letzteres, denn das Soundgewand unterscheidet sich titelweise doch etwas, wenngleich eine vorsichtige Anpassung besonders des Lautstärkepegels stattgefunden zu haben scheint. Allerdings habe ich nicht mit den Originalaufnahmen quergehört (zumal mein Arija-Albenbestand auch noch die eine oder andere Lücke aufweist) und verlasse mich in diesem Punkt also nur auf mein musikalisches Gedächtnis, welches mir sagt, daß es das meiste Material so auch schon auf den in meinem Besitz befindlichen Alben gehört hat (die Tracklist auf www.aria.ru, die nur in einem Fall eine Neueinspielung angibt, scheint diese These zu bestätigen, wenngleich selbst das keine letzte Sicherheit verleiht, denn es sind auch einige der Liveversionen als solche genannt, andere aber nicht). Man sollte ja eigentlich vermuten, daß man am Sänger eindeutig hören könnte, ob es alte oder neu aufpolierte Aufnahmen sind, denn bekanntlich hat ja Artur Berkut anno 2002 Waleri Kipelow am Frontmikro abgelöst und müßte demnach auf Neueinspielungen alter Songs zu hören sein. Aber Pustekuchen - die beiden klingen sich im Direktvergleich so ähnlich, daß man auch das nicht als Kriterium heranziehen kann. Im eröffnenden "Tam Wysoko" muß Artur Berkut zu hören sein, denn der Song stammt schon im Original aus der Post-Kipelow-Ära, und hier ist auch problemlos feststellbar, daß es sich noch einmal um einen alternativen Take handelt, da er aus einer Halb- in eine Komplettballade umgebastelt wurde. "Angelskaja Pil" wiederum hat definitiv Waleri Kipelow am Mikro, denn es handelt sich um die Liveaufnahme, die auch auf dem "W Poiskach Nowoi Shertwy" zu hören ist (Publikumseinsätze etc. sind absolut identisch). Lassen wir also die Detektivarbeit sein und schauen wir durch, was sich alles unter den 14 Songs findet. Zunächst fällt auf, daß die komplette Albumkarriere abgedeckt wird - mit "Bjes Tebja" greift man bis auf den 1986er Zweitling "S Kjem Ty?" und mit "Metschty" gar bis zum noch ein Jahr früher erschienenen Debütalbum "Mania Welitschija" zurück, wohingegen am anderen Ende wie erwähnt die neue Version von "Tam Wysoko" steht. "Schtil" gibt es hier ohrenscheinlich ebenfalls in der originalen Albumversion zu hören, also nicht in der mit Udo Dirkschneider als Gast eingespielten Version, welche den Titeltrack der gleichnamigen 2002er Raritäten-CD abgibt. Das erwähnte "Angelskaja Pil" soll auch nicht die einzige Liveaufnahme bleiben, aber gleich die nächste stellt eine doppelte Frage: Wo stammt "Raskatschajet Etot Mir" her? (Vielleicht von der 1996er "Sdjelano W Rossii"-Live-CD, die ich nicht besitze, oder auch von der neuen 2004er Live-CD "Schiwoi Ogon", die ich ebenfalls nicht besitze? Der Sänger ist jedenfalls mal wieder nicht eindeutig zu identifizieren.) Und wer hatte die Idee, ausgerechnet diesen Song auf eine Balladencompilation zu packen? (Das Ding ist im Hauptteil relativ massiver, wenngleich trotzdem locker groovender Midtempo-Metal, der dann gar noch ein richtiges Speedsolo ansetzt.) Hier könnte an Position 11 also der Kuschelfluß ein wenig unterbrochen werden, die Wiederaufnahme mit "Wsje, Schto Bylo" an Position 12 ist aber problemlos möglich. Wer sich übrigens fragt, warum denn "Ballada O Drewnorusskom Woinje" fehlt, ist auf den Doppelcharakter des Begriffs "Ballade" reingefallen, denn bei diesem Song handelt es sich um eine titelseitige Anspielung auf das literarische Genre der Ballade, musikalisch dagegen wäre der Song ähnlich deplaziert wie es "Raskatschajet Etot Mir" eigentlich ist. Der Nichtkenner könnte Analoges anhand des feisten Riffings am Beginn von "Begi Sa Solnzem" vermuten, aber hieraus entwickelt sich dann doch eine Halbballade, die es auch wieder als Liveversion gibt, von der "W Poiskach ..."-CD stammend (was man vor allem anhand des klassischen Chores identifizieren kann, der den Part nach dem Hauptsolo veredelt). Analoges gilt auch für den abschließenden Titeltrack, der (nicht nur, aber hauptsächlich) im Refrain ebenfalls die Dienste des Chores beansprucht und ein interessantes, wenngleich ohrenscheinlich bis auf "Tam Wysoko" nichts Neues beinhaltendes Album auf hohem Niveau abschließt. Für die gewissen Momente im zweisamen Leben mit Sicherheit zu empfehlen - und für September 2006 ist dann endlich auch ein neues Studioalbum namens "Armageddon" angekündigt.
Kontakt: www.aria.ru, www.classic-co.ru

Tracklist:
Tam Wysoko
Bjes Tebja
Schtil
Matschty
Samknuty Krug
Angelskaja Pil
Wosmi Mojo Serdze
Pytka Tischinoi
Wampir
Oskolok L'da
Raskatschajet Etot Mir
Wsje, Schto Bylo
Begi Sa Solnzem
Bespetschnij Angel






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