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von ta

CRYPTOPSY: The Unspoken King   (Century Media)

Bei den kanadischen Prüglern hatte sich ja im Vorfeld einiges angekündigt, das neugierig machte: Lord Worm verließ nach nur einem Album zum zweiten Mal die Band und wurde durch einen weitestgehend unbekannten Kerl namens Matt McGachy ersetzt. Den hat man im besten Falle schon mal bei 3 Miles Scream gehört und diese spielen modernen Death Metal mit Hang zum Deathcore. Erster Aufmerker. Zweiter Aufmerker: Mit Maggy Durand komplettiert eine Frau das Lineup, zuständig für Keyboards. Cryptopsy - Keyboards? Es dauerte nicht lange und die Dame ist wieder draußen. Auf "The Unspoken King" ist sie aber noch zu hören, manchmal, selten. Wie klingt das Album nun? Wie eine technische und schnellere Version von 3 Miles Scream mit Synthies ab und zu?
Ja.
Und ich wage es hier bereits, vielleicht aus einer etwas borniert-konservativen Sicht geäußert - ich komme auf diesen Punkt zurück - hinzuzufügen: Leider.
Der Opener "Worship Your Demons" knüpft mehr oder weniger nahtlos an den Vorgänger an, mit fieseligen Riffs, brutaler Doublebass, wieselflinken Blastbeats. Aber doch, ein wenig kündigt sich schon eine Veränderung an: McGachy kreischt mehr als er grunzt und die Blastparts sind sehr knackig-kurz gehalten. Außerdem ist Flo Mouniers Gewitter steriler denn je produziert, getriggert bis zum Anschlag. Etwas schade, gerade wenn man sieht, mit welcher Variabilität und Dynamik der Mann live spielt. Egal, ist wirklich ein unwesentlicher Punkt.
"The Headsmen" schlägt in eine ähnliche Kerbe wie "Worship Your Demons". Besonders die Tempoausbrüche sind gewohnt brachial und der schön mittige Bass von Eric Langlois ist ja eh ein Charakteristikum. Etwas weniger technisch als sonst ist die ganze Soße schon und in der vierten Minute überrascht das erste Deathcore-Arrangement. Verhört? Nö, in "Silence The Tyrants" geht's gleich weiter. In 1:27min brüllt Matt McGachy "I Will Not", als würde er bei In Flames singen - kurzer Moment des Grauens, doch das Riff danach holt alles wieder raus. Geil! Im Gegensatz zu einigen Kollegen finde ich auch das ruhige Interlude mit Pianoklängen außerordentlich gelungen. Es ist eine der an einer Hand abzählbaren Passagen, zu denen Keyboarderin Durand einen integralen Beitrag abliefert.
Danach ist Schluss mit lustig. Alle Songs von "Bemoan The Martyr" bis "Bound Dead" zeigen ein Gesicht von Cryptopsy, das gleichzeitig alt und neu ist: Neu für diese Band, alt, was viele Zutaten im Allgemeinen betrifft. Und es ist der zweite Punkt, der mich stört. Ich komme damit auf das Borniert-Konservative zurück: Es ist mir völlig schnurz, dass Cryptopsy sich generell weiterentwickeln. Jede Band darf und soll das. Aber diese Entwicklung hier ist keine progressive. Cryptopsy spielen auf dem Mammutteil ihres Albums Deathcore, wie er von Bands wie Despised Icon, The Red Chord oder (mit Abstrichen) Cattle Decapitation auch gespielt wird. Und das piekt mich etwas. Natürlich sind immer noch genug Sachen zu finden, die eindeutig nach Cryptopsy klingen: Die ganzen Rhythmuswechsel in "Leach" etwa, der brutale Ausbruch, nachdem "Resurgence Of An Empire" eine Weile vor sich hin gegroovt ist, das nach wie vor formidable Drumming von Mounier; auch viele Riffs bieten den schönen Math Metal der jüngeren Veröffentlichungen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen stehen Clean Vocals in jedem, wirklich jedem Song ab "Bemoan The Martyr", breakdown-ähnliche Passagen, viele Midtempo-Beats und ab und zu auch melodiöses Riffing, das man eigentlich aus Schweden erwartet ("The Plagued"). Ich bleibe mal bei der markantesten Veränderung hängen, dem sauberen Gesang. Es ist bemerkenswert, mit welchem Selbstbewusstein der erklingt. Cryptopsy geben sich gar nicht erst mit Interimslösungen zufrieden, die (zumeist) Refrains sind wirklich ausgefeilt, bieten große Melodiebögen, die auch gerne sehr in den Vordergrund gestellt werden ("Bemoan ...", "Resurgence …"). Wie verheulter Emo-Mist klingt das Ergebnis zwar gottlob nicht, nimmt aber doch merklich Durchschlagskraft raus. Seinen Höhe-, je nach Herangehensweise auch Tiefpunkt erreicht das Spektakel in "Round Dead", das bis auf die kurzen, wie als Alibi eingestreuten schnellen Passagen nach allem klingt, nur nicht nach Cryptopsy. Besonders der smoothe Mittelteil, der irgendwo kurz vor der dritten Minute beginnt, dürfte der alten Crypto-Klientel die Kinnlade gleich reihenweise gen Fußboden knallen lassen. Konsequent.
Diese Konsequenz betrifft aber halt nur den einen Punkt, den sauberen Gesang und die Passagen, die unmittelbar um ihn herum gewebt sind. In anderen Passagen toben sich die Kanadier fast wie gewohnt aus, nur dass sie es im Gegensatz zu früher nicht mehr sehr lange aushalten, ehe das nächste Break kommt. Man ist als Altfan deshalb hin und her gerissen: Einerseits freut man sich, dass die Band wieder weiterhin erkennbar ist, andererseits ärgert man sich, dass die Songs so zerhackstückelt wirken. Und eben darüber, dass die Einzigartigkeit verschwunden ist. Das Niveau an Eigenständigkeit, auf dem Cryptopsy mit einer Affenbrutalität technisch und durchgeknallt bis "Once Was Not" die Dampframme ausgepackt haben, ist irgendwo anders zu finden, nicht auf diesem Album.
Ich stehe "The Unspoken King" am Ende deshalb etwas ratlos gegenüber. Hätten sich Cryptopsy entwickelt wie bspw. Extol, die immer softer, aber auch immer gewitzter wurden, ich wäre der letzte, der sich darüber beschwerte. So aber bleibt in mir der ungute Eindruck, dass Cryptopsy gerade nicht so recht wissen, wo sie hin wollen. Ist das jetzt schon engstirnig?
Kontakt: www.cryptopsy.net, www.centurymedia.de

Tracklist:
1. Worship Your Demons
2. The Headsmen
3. Silence The Tyrants
4. Bemoan The Martyr
5. Leach
6. The Plagued
7. Resurgence Of An Empire
8. Anoint The Dead
9. Contemplate Regicide
10. Bound Dead
11. (Exit) The Few



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