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CHINCHILLA: Take No Prisoners
von rls

CHINCHILLA: Take No Prisoners   (Armageddon Records)

Keine Gefangenen? Das stimmt dann doch nicht so ganz, denn auch mit ihrem jüngsten Werk "Take No Prisoners" sollten Chinchilla die Herzen der Freunde melodischen deutschen Stahls weitgehend problemlos gefangennehmen können. Die Schrumpfung zum Quartett hat zwar die Streichung der noch gar nicht lange zuvor eingerichteten neuen Keyboarderplanstelle mit sich gebracht (Gitarrist/Chefdenker Udo übernahm diesen Job im Studio gleich mit), aber das führte zu erstaunlich geringen Änderungen im Soundbild - lediglich die schon vorher nicht sonderlich hohe Keyboardpräsenz hat logisch bedingt eine gewisse Abschwächung erfahren, wenngleich die atmosphärische Funktion beispielsweise in Bridge und Chorus von "Death Is A Grand Leveller" nicht zu missen ist, widrigenfalls eine gewisse Leere erzeugend, was aber eine eher latente Erscheinung bleibt. Udo ist schließlich lange genug im Geschäft, um zu wissen, wie man trotz eines äußerst eingegrenzten stilistischen Spektrums immer noch spannendes Material schreibt und arrangiert, und das ist auch auf "Take No Prisoners" nachzuhören. Ein gewisser hardrockender Einfluß bleibt über weite Strecken präsent - auf früheren Alben beispielsweise mit Covers von Kiss oder Thin Lizzy verkörpert, auf dem coverfreien "Take No Prisoners" beispielsweise im Hauptsolo zu "Death ...", das in ähnlicher Form beispielsweise auch ein Michael Schenker hätte umsetzen können. Generell auffällig ist eine gewisse Straffung des Materials auf eine Durchschnittslänge von 4 Minuten und 18 Sekunden, die vom gar nicht so epischen "Death ..." als ausladendstem Exempel um lediglich 1:20 überschritten wird. Miniopern braucht man hier also ebensowenig zu suchen wie kurze Punkeruptionen - die Liebe zu straightem Rock'n'Roll lebt Udo nach wie vor in seiner Zweitband Bastards, einer Motörhead-Tribute-Combo, aus. So richtig originell sind Chinchilla natürlich nach wie vor nicht, aber überraschenderweise fällt einem auch keine Band ein, mit der man die Böblinger rundum vergleichen könnte - die deutlichsten Parallelen bestehen nach wie vor zu Grave Digger, als deren melodische Brüder im Geiste Chinchilla durchgehen können. Ach ja, und das eröffnende Riff in "The Ripper" ist definitiv irgendwo anders schon mal erklungen, mir fällt nur wieder mal nicht ein, wo (komme niemand und schreie allein aufgrund des Songtitels "Judas Priest!"). Von der Optik her versetzt einen "Take No Prisoners" in eine gesetzesarme Zeit zwischen dem Goldrausch im US-Westen und den mafiösen Chicagoer Zeiten zurück, was auch seinen Widerhall in den Lyrics findet, welchselbige von Thomas Laasch in bekannt rauher, aber nicht unmelodiöser Art und Weise an den Hörer gebracht werden. Teile des Digipacks sind themenentsprechend in der Art und Weise einer Zeitung namens "Chinchilla Tribune" gestaltet, welchselbige den Untertitel "The Heavy Metal Newspaper" trägt, rechts oben in der Titelzeile aber auch noch den Stempel "Final Edition". Sollte das etwa auch programmatisch gemeint sein? Ich hoffe doch nicht, denn trotz des einen oder anderen Durchhängers (gerade der Titeltrack packt zumindest mich nicht so, wie man das eigentlich erwarten sollte) wäre eine Bandauflösung nach "Take No Prisoners" definitiv als Verlust zu bezeichnen - man höre als Beweis des Lebenswillens einfach das originelle Gastsolo von Primal Fears Stefan Leibing in "Money Talks" (komme auch hier wieder niemand und kreische "AC/DC!") oder auch die interessante Halbballade "Silent Moments"; auch hier kommt ein Gast zum Zuge, nämlich Violinistin Elisabeth Palacios - doch nicht etwa verwandt oder verschwägert mit Ex-Guardian Tony P.? -, und macht aber auch die einzige Schwäche im Soundgewand der CD deutlich: Viele Instrumentallinien sind so gehalten, daß sie klanglich beinahe ineinanderfließen, was zwar ein romantisch-warmes Gesamtbild erzeugt, gerade die Möglichkeiten des Violineneinsatzes in dieser Halbballade aber nicht ausschöpft und das Instrument mehr oder weniger zum reinen Harmoniestützer degradiert. Das klingt wie gesagt gar nicht schlecht, aber hier hätte man mit einem Tick mehr Klarheit einfach noch mehr herausholen können. Vielleicht ist diese Kritik aber auch nur durch übermäßiges Hören der eher steril gehaltenen neuzeitlicheren Power- und Prog Metal-Produktionen evoziert (zu Vinylzeiten wäre dieses Ineinanderfließen jedenfalls nicht so sehr ins Gewicht gefallen, sondern als normal interpretiert worden). Ansonsten haben Chinchilla mehr oder weniger das gleiche Problem wie mit ihren letzten Alben: Kein Fan wird davon enttäuscht sein, aber die Chance auf die Erschließung neuer Fanschichten bleibt - neues Label hin, immense Livetätigkeit her - ein schwieriges Pflaster. "Take No Prisoners" gehört also wie seine Vorgänger ins Regal des Freundes deutsch geprägten Power Metals, der sich damit abfinden kann, daß es auch noch Bands gibt, deren Geschwindigkeitsobergrenze eben knapp unter der Markierung "Hier beginnt der Speed Metal" liegt, denn dort springen die Südwestler auch diesmal nicht drüber. Müssen sie ja auch nicht, solange sie im stampfenden bis gehobenen Midtempo gute und im Rahmen ihrer Möglichkeiten abwechslungsreiche Arbeit verrichten, auch wenn auf "Take No Prisoners" wie beschrieben nicht ganz jeder Schuß in die Herzgegend trifft.
Kontakt: www.armageddon-music.com, www.chinchilla.rocks.de

Tracklist:
The Almighty Power
Death Is A Grand Leveller
The Call
The Ripper
Take No Prisoners
Lost Control
Money Talks
Silent Memories
Stillborn Soul
Rich Hounds





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