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von rls

AT VANCE: Only Human   (AFM Records)

Es war im September 1999: Auf der Tour von Primal Fear mit Metalium und Sinergy lief im Ratskeller Fraureuth (RIP) als Umbaupausenmusik eine CD, die ich anhand einer vorher im Rock Hard gelesenen Rezension mit gewisser, nach dem Erklingen eines Abba-Covers wachsender Wahrscheinlichkeit identifizieren konnte (eine Nachfrage beim Soundmenschen ergab das letzte Quentchen Sicherheit): "No Escape" von At Vance. Stilistisch ja sowieso in meiner absoluten Präferenzzone angesiedelt, gefiel mir das Gehörte ausgezeichnet und war in der Nachbetrachtung das Beste am ganzen Gig (okay, Sinergy waren auch nicht übel, aber Metalium litten unter einem fürchterlich schlechten Sound, der einen vor Einsatz des Gesanges nicht mal das gecoverte "Smoke On The Water" erkennen ließ, weil schlicht und einfach keine Gitarre zu hören war, und Primal Fear langweilten mit ihren geringfügigen Variationen zweier verschiedener Tempi völlig). Irgendwie sollte es in der Zukunft aber nie dazu kommen, daß ich mich eingehender mit der Band beschäftigte, welche im Jahrestakt die Alben "Heart Of Steel" und "Dragonchaser" nachschob - bis jetzt, wo mir das neue Label der Band den Viertling "Only Human" zukommen ließ, auf dem sich rein stilistisch nicht sonderlich viel geändert haben mag, wenn ich meinem musikalischen Gedächtnis Vertrauen schenke. Bandkopf Olaf Lenk hat definitiv ein großes Herz für neoklassischen Melodic Metal und besitzt vermutlich alle Alben von Silver Mountain, Yngwie Malmsteen, Stratovarius und Narnia sowie eine respektable Italosammlung, von der sich At Vance aber durch ihre etwas geringere Speedlastigkeit abheben. Auch von Yngwies Schaffen ist die Band eindeutig zu unterscheiden - Lenks Ego liegt bedeutend mehr an der Kette als das des Exilschweden, so daß nicht in jedem Solo der 13 Tracks die Bach-Skalen in Lichtgeschwindigkeit hoch- und runtergedudelt werden. Gut, Yngwie beweist auch immer wieder viel Gefühl - man höre das brillante, zum Weinen animierende "Crying" auf "Trilogy" -, aber das hat unser At Vance-Chef auch, wie nicht zuletzt in "Wings To Fly" nachzuhören ist, wohingegen "Hold Your Fire" in der ersten Bridge schon fast zu yngwig daherkommt. Für die konkreten Klassikadaptionen müssen auf "Only Human" - wen wundert's - Vivaldi und Bach herhalten. Allerdings gehört die At Vance-Umsetzung des "Frühlings" aus den "Vier Jahreszeiten" des erstgenannten definitiv zu den brillantesten Klassik-Metal-Pieces ever - die Eröffnungsmelodie kann ja noch jeder nachspielen, aber wenn es an die trillernden Zwischenparts geht, braucht es schon einen ausgewiesenen Könner mit einem feinen Gefühl für barocke Musik, und hier treibt Lenk jedem Musikliebhaber, so der denn solche Bearbeitungen nicht generell ablehnt, die Freudentränen in die Augen. In etwas geringerem Maße tun dies ebenso die 59 Sekunden von "Solfeggietto", das auf Bach zurückgeht. Ein Abba-Cover gibt's diesmal übrigens nicht, dafür wird ein Altrocker umgesetzt - nicht "Fly To The Rainbow", wie ein flüchtiger Blick auf die Trackliste nahelegen würde, sondern "I Surrender", das auch schon mal zum Rainbow geflogen kam, losgeschickt von Russ Ballard und umgesetzt von Ritchie Blackmore und seinen schon nicht mehr ganz in der Bestform von "On Stage" oder "Long Live Rock'n'Roll" agierenden Rainbow-Mannen auf "Difficult To Cure", das Matthias Herr so gerne in "Impossible To Cure" umbenannt hätte. Das Thema von "Sing This Song" gab's, wenn ich mich recht erinnere, bei Rainbow in ähnlicher Form auch schon mal. Überhaupt: Innovatoren sind At Vance sicher nicht, dafür aber exzellente Musiker und Überzeugungstäter in bezug auf ihren Sound - und gute Songwriter noch dazu. Dreimal Speed ("The Time Has Come" fällt gleich mit der Tür ins Haus, "Take Me Away" nimmt den Hörer zwischenzeitlich hinfort, und "Witches Dance" hopst ausgelassen, von einem fast zigeunerhaften Thema getragen, ums Feuer) lagert zwischen vielschichtigen Midtempostücken, in denen sich die Band an manchen Stellen leicht verzettelt ("Time" oder "Sing This Song"), nur um mit dem Titeltrack einen grandiosen und trotzdem nicht anspruchslosen Hit rauszuhauen, der so etwas wie die ausgereifte Version von Stratovarius' "Playing With Fire" darstellt. Die Tonartenwanderung am Anfang von "Wings To Fly" sollte man als Nachwuchsballadenschreiber ebenfalls mal gehört haben, um sich zu vergewissern, was in dieser Hinsicht so alles möglich ist, ohne den Kuschelcharakter zu vermiesen. Einen guten Sänger braucht man dazu freilich auch noch, aber da gibt sich Oliver Hartmann (der sich von sehr hohen wie sehr tiefen Tonlagen fernhält, ansonsten aber ein breites Spektrum beherrscht) erwartungsgemäß keine Blöße. Schön, daß es in Deutschland solche Bands gibt.
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