www.Crossover-agm.de ARMORY: The Dawn Of Enlightenment
von rls

ARMORY: The Dawn Of Enlightenment   (Eigenproduktion)

Amerikaner? Ja, wirklich - obwohl Armory so sehr nach wahlweise finnischem oder italienischem Melodic Speed Metal klingen, daß man sie ohne größeres Nachdenken auch in einem dieser Länder verorten könnte (oder meinetwegen auch in Rußland - man erinnere sich an eine Band namens Archontes). Ähnlich ungewöhnlich wie dieser Hintergrund ist auch die Bandgeschichte: Anno 2004 spielte ein 2001 gegründetes Quartett zehn Songs ein und vertickte diese als CDR "The Dawn Of Enlightenment". Der eigentlich nur als Engineer und Gastkeyboarder vorgesehene Peter Rutcho fand aber so viel Gefallen an der frischen melodischen Geschwindigkeitsüberschreitung, daß er kurzerhand einstieg und die Band zum Quintett machte. Da Joe Kurland mit der Doppelfunktion als Gitarrist und Drummer live allerdings naturgemäß überfordert war, heuerte man mit Tom Vieira auch noch einen Schlagzeuger an, so daß Joe sich auf die Gitarrenpartnerfunktion von Chad Fisher konzentrieren konnte (eine ähnliche Konstellation hatte man weiland schon mal bei In Flames erlebt - sollte die Entwicklung weiter parallel verlaufen, müßte jetzt Chad Fisher aussteigen, Tom Vieira sich aber auch als eigentlicher Gitarrist entpuppen und daher auf den Gitarristenposten wechseln, bis dann mal die Drummerposition noch fest besetzt werden kann - mal sehen, ob das tatsächlich eintritt ...). Die Besetzung mit Peter, aber noch ohne Tom entschied sich allerdings anno 2007, "The Dawn Of Enlightenment" noch einmal neu einzuspielen, um zwei Coverversionen als Boni zu erweitern und auch in neuer optischer Gestaltung ein weiteres Mal herauszubringen. Wer die 2004er Fassung kennt, kann Direktvergleiche anstellen, der Rezensent muß sich mit dem Hinweis begnügen, daß die zehn regulären Songs in den Neueinspielungen etwas kürzer ausgefallen sind, also entweder das Tempo nach oben geschraubt wurde oder einzelne Parts weggefallen sind. Und bei dem Melodiegebretter, das "Faith In Steel" gleich nach dem noch relativ zurückhaltenden Intro "The Tempest" auf knapp sechs Minuten zelebriert, erscheint eine Tempoverschärfung wirklich nicht aus der Welt - erneut fühlt man sich an die Konstellation auf Archontes' "The World Where Shadows Come To Life" erinnert. Freilich kommen Armory an die quasi unbeschwerte Leichtigkeit und Genialität der Russen nicht ganz heran (diese selbst seither übrigens auch nicht), und auch in einem anderen Direktvergleich, der sich aufdrängt, können Armory nicht gewinnen: "Silence" von Sonata Arctica bleibt unerreicht, wobei Armory aber die perfekte Ersatzdroge für all diejenigen darstellen, denen Tony Kakko damals entschieden zu hoch sang. Adam Kurland kann das zwar notfalls auch, wie gleich sein einleitender Schrei in "Faith In Steel" beweist, aber er hält sich dann doch bevorzugt eine Oktave weiter unten auf. Sein passendstes Vergleichsobjekt kommt definitiv aus Italien, aber der Name will dem Rezensenten spontan nicht einfallen. Im Gegensatz zu Sonata Arctica komponieren Armory allerdings auf der Basis zweier Gitarren (das taten sie auch schon zu der Zeit, als Joe live noch trommeln mußte, ergo Chad die Gitarrenparts auf der Bühne allein zu bewältigen hatte), und sie stehen auch strukturell in der alten Tradition, indem sie im Booklet detailliert aufschlüsseln, wer an welcher Stelle das Gitarrensolo spielt. Wie jede vernünftige traditionelle Metalband stehen auch Armory auf Iron Maiden, was man ihnen streckenweise auch anhört, etwa im Instrumental "Forged In Dragon Flames" oder nach 30 Sekunden von "Heart Of Dreams" im dortigen doppelläufigen Gitarrenpart. Die Vorliebe für überlange Songs haben sie auch gleich mit "geerbt", wobei sich ihre Kompositionen nicht so monoton winden wie manche Maiden-Elaborate der jüngeren Vergangenheit. Der an dritter Setposition stehende Siebeneinhalbminüter "Riding The Cosmic Winds" etwa windet sich erstmal eine ganze Weile hin und her, bevor er sich für sein Grundtempo zu entscheiden imstande ist (er wählt eines, das in der Nähe von "False News Travel Fast" liegt - wieder eine strukturelle Parallele zu "Silence", die allerdings mit dem nächsten Song durchbrochen wird, denn "Forever Triumphant" ist eine Halbballade und hat mit "The End Of This Chapter" wenig gemeinsam), und es ist ganz und gar nicht langweilig, Armory bei diesem Entscheidungsprozeß zuzuhören. Midtemposongs haben sie sich gleich von vornherein verkniffen, mit einer großen Ausnahme allerdings, nämlich dem knapp 14minütigen Titeltrack, der in seiner vielschichtigen Anlage auch eine Menge Platz für mittlere Tempolagen bietet, ja sich weitgehend auf diese konzentriert. Freilich zeigt sich hier auch die relative Unerfahrenheit Armorys im Beherrschen der ganz großen Form - wie man einen Spannungsbogen über knapp 14 Minuten schlägt, müssen sie sich noch einmal in Nightwishs "The Poet And The Pendulum" anhören, denn obwohl der Song nicht schlecht ist und einige gar als großartig zu bezeichnende Elemente enthält (z.B. das große epische Solo rings um Minute 6), so fesselt er doch auch nicht genug, um über diese lange Spielzeit hinweg tragfähig zu sein. Dafür enthält das Album aber genügend andere Elemente, an denen man sich erfreuen kann (und seien es die aberwitzigen Gitarrensoli in "The Eyes Of Time"); Metronombesitzer dürfen zugleich analysieren, ob die Drums an manchen Stellen (z.B. im Speedpart des letzten langen Solos von "The Eyes Of Time") tatsächlich schneller werden, wie es den akustischen Anschein hat, und "Das kenne ich doch"-Liebhaber finden einige Harmoniestrukturen, die Armory nicht als erste Band verwendet haben (man lausche z.B. dem Intro von "Mystic Star"). Zwei Songs, nämlich die beiden Boni, sind allerdings wirklich Coverversionen. Bei der bereits angeführten Maiden-Liebe ist die Wahl von "Flight Of Icarus" kein Wunder, allerdings haben sich Armory damit nun nicht gerade das beste Elaborat von Harris & Co. herausgesucht, und irgendwie ist auch ihre Umsetzung komisch, weder richtig "kommerziell" noch in die andere Richtung tendierend (ein Spagat, den freilich auch das Original, im Gegensatz zu seinem Singlevorgänger "Run To The Hills", nicht geschafft hat). Dafür macht das knapp zweiminütige Instrumental "Dr. Wily" aus der Feder dreier Japaner nachnamens Matsumae, Kun und Sakaguchi richtig Hörspaß, obwohl oder gerade weil es nicht sonderlich kompliziert strukturiert ist - Anspruch ist da, aber er wird nicht zum Selbstzweck erhoben, und die doppelläufigen Gitarren klingen skurrilerweise mehr nach Maiden als das Maiden-Cover selbst. Damit endet die Neufassung von "The Dawn Of Enlightenment" nach knapp 70 Minuten (bei richtig professionellem Sound übrigens) auf sehr hohem Niveau, das Armory erfreulicherweise über weite Strecken der Spielzeit halten konnten, wenngleich wie erwähnt die Genreführer noch nicht ganz vom Thron gestoßen werden. Wer aber melodischen Eurospeed ohne viel Pathos mag, der sollte hier schleunigst zugreifen, in Deutschland beispielsweise via www.karthagorecords.de
Kontakt: www.faithinsteel.com

Tracklist:
The Tempest
Faith In Steel
Riding The Cosmic Winds
Forever Triumphant
Heart Of Dreams
Warrior Forlorn
Forged In Dragon Flames
The Eyes Of Time
Mystic Star
The Dawn Of Enlightenment
Flight Of Icarus
Dr. Wily




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