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X. Open Air der Evangelischen Jugend in Sachsen    5./6.07.1997    Röhrsdorf, Rehgarten
von rls

Eine Dekade ist es mittlerweile her, daß eine Handvoll Leute im Raum Karl-Marx-Stadt diverse Hebel in Bewegung setzte, um der etwas anderen christlichen Musik ein Podium zu geben. Das damals geborene Kind ist dieses Jahr logischerweise nun zehn Jahre alt geworden und gab am ersten Juliwochenende eine kleine Geburtstagsfeier in Röhrsdorf. Leider hielt sich die Zahl der Gäste in Grenzen, weil zum einen Dauerregen angesagt worden war (der dann aber zum Glück doch nicht eintraf), zum zweiten diverse Verwirrung wegen der neuen Lokalität aufgetreten sein dürfte und zum dritten in Gestalt des With Full Force IV-Open Air in Zwickau sowie des Jethro Tull-Konzertes auf dem Chemnitzer Theaterplatz starke Konkurrenzveranstaltungen auf dem gleichen Wochenende lagen. Die Anwesenden sorgten nichtsdestotrotz für gute Stimmung und positive Atmosphäre.
Wenn man mit einer halben Stunde Verspätung in Röhrsdorf eintrifft, weiß man die Vorzüge eines verspäteten Konzertbeginns natürlich zu schätzen. Trinitatis legten nämlich erst um 16.40 los. Ebenso wie die nachfolgenden Return hatten sie allerdings das Problem der Unauffälligkeit - weder besonders gute noch ultraschwache Rockmusik stand auf dem Programm, und diese unspektakuläre Mucke hatte leider bei beiden Truppen den berüchtigten "Zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus"-Effekt.
Phönix the resurrection aus Adam Ries City drückten den Altersdurchschnitt der Bands locker ein Stück nach oben und erwiesen sich auch musikalisch als sehr old school-beeinflußt. "Frühe Uriah Heep" lautete hier das Zauberwort. Halt! Wer hat da was von "zahnlos" und "verstaubt" gemurmelt? Diese Attribute konnte man den Annabergern nun wahrlich nicht anhängen. Schwachpunkt: Die Pflege heimatlichen Liedgutes ist zwar ein durchaus lobenswertes Unterfangen, aber ob es dann doch sechs Versionen von "Ein Männlein steht im Walde" sein mußten? Trotzdem Daumen hoch.
Kreuzschnabel räumten dann erstmal ordentlich ab. Die Stilvielfalt, die Johannes Kirchberg etwas sauer aufstieß (vgl. CD-Rezension), halte ich eher für einen Trumpf der Band, denn anders als bei vielen anderen Protagonisten des musikalischen Genres Crossover (ja, das heißt wirklich so!) wirkten die verschiedenen Bestandteile nicht krampfhaft und lieblos aneinandergeklatscht, sondern schlüssig und manchmal gar logisch aneinandergefügt. Als Geniestreich darf auch die Idee, einen "Halleluja"-Gesang nacheinander in mehreren Sprachen (und mit jeweils angepaßter Musik) darzureichen, gewertet werden, was im Gegensatz zu Phönix´ ähnlich gelagertem Versuch NICHT nach dem zweiten Mal nervte. Und wenn der Bassist bei der russischen Strophe eine sowjetische Offiziersmütze trägt, dann wirkt das doppelt kultig. Das Publikum war dementsprechend auch gut drauf.
Tiefpunkt des Festivals sollte Moderator Michael Rausch werden, der diesen Job bei den letzten vier Bands übernahm und mit seinen völlig unoriginellen Ansagen nicht nur mir, sondern auch den in meiner Nähe Stehenden einfach nur auf die Nerven ging. Laßt die Bands das doch selber machen!
Go out standen vor dem gleichen Problem wie Trinitatis und Return: Simple "Normalo-Rockmusik" reicht heutzutage einfach nicht mehr aus, um Aufsehen beim Publikum zu erregen, und auch der streckenweise Einsatz eines Akkordeons trug nicht entscheidend dazu bei, der Band eine eigene Identität zu verschaffen und aus x-beliebigen Tracks typische Go out-Songs zu machen. Schlecht war´s zwar beileibe nicht, was die Drebacher vom Stapel ließen, aber...
Sunrise dagegen überzeugten auf ganzer Linie. Speziell Tastenmensch Michael Fröhlich trieb seine Mitstreiter immer wieder zu Höchstleistungen an, die Band spielte zusammen wie ein Uhrwerk, das Songmaterial ist sowieso klasse - und dann war da noch Conny Fröhlich am Frontmikro, die einmal mehr unter Beweis stellte, daß man als Frau durchaus nicht nur zartes Engelsgesäusel für den Background hervorbringen kann, und an diesem Abend in bestechender Form war. Der Bär tobte schließlich endgültig, als der allseits geschätzte Wolfgang Tost als Gastsänger auf der Bühne erschien ...
Es war fast unglaublich, aber Crying Blue setzten noch eins drauf. Die Bautzener waren in "Neukirchen-Form" - alles weitere lese man in der Extra-Rezi jenes Konzertes nach. Sowohl Qualität als auch das Schnüff ("Child in Time" ist halt leider über 10 min lang...) können kommentarlos übernommen werden. Der Kelch für die beste Band des 97er Open Airs geht damit nach Ostsachsen.
Wer kurz vor Mitternacht und nach einer solchen Band auf die Bretter muß, der hat es doppelt schwer, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. out of tune aus Brand-Erbisdorf hatten denn auch arge Probleme, das Auditorium noch einmal aufzuwecken. An der Musik lag´s mit Sicherheit nicht, denn das Gemisch aus Synthie-Pop, Rap und Rave war durchaus auch für Elektrohasser wie mich gut anhörbar, und ein Track wie "Freiheit" wäre, stammte er aus der Feder etwa von DJ BoBo, schon längst ein in allen Landen bekannter Discotheken-Hit. Susanne und Tobias stellten ferner unter Beweis, daß sie im Gegensatz zu diversen Genre-Protagonisten auch ordentlich singen können, und die Tanzeinlagen waren zumindest zu 97% exakt und ordentlich durchchoreographiert. Schieben wir das relative Desinteresse des Publikumsrestes also mal auf die späte Stunde ...
Die den sonntäglichen Gottesdienst akustisch untermalenden Mac Ichthys stammten ebenfalls aus Senf City (Bautzen, genau...) und sind offenbar aus einer Ten Sing-Gruppe hervorgegangen. Die achtköpfige Truppe stellte unter Beweis, daß durchaus ordentliches Potential in ihr steckt, welches aber noch etwas Zeit zum Ausreifen braucht. Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre, und zumindest die ausgezeichneten Leistungen der je zwei Herren und Damen an den Frontmikros ließen erahnen, daß diese junge Band später durchaus zu Höchstleistungen fähig sein wird.
Ziehen wir also Bilanz: Erneut ein gutes Billing, wenn auch das letztjährige nicht getoppt werden konnte, für eine allerdings enttäuschende Besucherzahl in einem idyllischen Fleckchen Erde. Bleibt zu hoffen, daß der Fan-Zustrom nächstes Jahr wieder reichlicher ausfällt.
 






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