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Excalibur   16.12.2016   Leipzig, Arena
von rls

König Artus' legendäres Schwert hat nicht nur einer Kohorte von Metalformationen Bandname, Album- oder Songtitel verschafft (am populärsten dürfte sicherlich das so benannte Grave-Digger-Album aus dem Jahre 1999 samt seinem refrainseitig hochgradig einprägsamen Titeltrack sein), sondern selbstredend auch in anderen Bereichen der populären Musik seine Spuren hinterlassen. So schrieb der bretonische Komponist Alan Simon schon in den Frühneunzigern seine erste "Celtic Rock Opera" mit ebenjenem Titel, die sich bald zur Trilogie auswuchs, bevor Simon das Gefühl hatte, in der vorliegenden Konstellation alles gesagt zu haben. Aber ein externer Impuls sorgte dafür, daß sich der Komponist abermals mit dem Stoff beschäftigte und einen vierten, "The Dark Age Of The Dragon" untertitelten Teil schuf, der nun in den Tagen vor Weihnachten 2016 auf die deutschen Bühnen kommt, darunter auch die der leider nur mäßig besuchten Arena in Leipzig, woselbst der letzte Gig der Tour ansteht.
Kurz zusammengefaßt geht es darum, daß Merlin nach jahrtausendelangem Schlaf erwacht, feststellt, daß sich die Menschheit unter Morgane LeFays Einfluß nicht gerade zum Positiven entwickelt hat, und daher beschließt, es bedürfe eines neuen Anlaufs des Kampfes Gut gegen Böse, für dessen Struktur das nach Artus' Tod offensichtlich wieder in den Stein gesteckte Excalibur-Schwert abermals extrahiert werden muß. Die einzeln herbeigerufenen Ritter der Tafelrunde plus ein paar Neuzugänge zeigen sich aber allesamt außerstande, diese Heldentat zu vollbringen, und selbst der Versuch, Artus aus Avalon herüberzuholen und zu reaktivieren, scheitert, so daß der Kampf gegen Morgane LeFays Heerscharen ohne Excalibur aufgenommen werden muß und nur eine Ballerina als Verkörperung der Hoffnung übrigbleibt. Interessanterweise gewinnt das gute Lager trotzdem (mit Gewalt natürlich), und zum Schluß wird ein Kind aus dem Publikum geholt, das Excalibur auch tatsächlich herauszuziehen in der Lage ist und somit einen Sack von Deutungsmöglichkeiten offenläßt, von der Vertagung des Endkampfes in die nächste Generation bis zur Verkörperung der kindlichen Unschuld, die allerdings allesamt nicht so richtig zum vorausgegangenen Kampfgetümmel passen wollen und mehr Fragen offenlassen, als sie beantworten, zumal vorher auch noch die Kraft der Musik als Quasi-Waffe benannt worden ist. Ein geplanter Cliffhanger? Auszuschließen ist natürlich nichts, aber der Homogenität dieses vierten Teils hilft dieser Aspekt natürlich nicht, und falls sich jemand fragt, wo denn der untertitelgebende Drache bleibt - der bleibt während der ganzen Show abwesend, obwohl er interessanterweise auf dem Cover des zugehörigen (allerdings noch unveröffentlichten) Albums zu sehen ist, dort in der klassischen Pose, wie er vom Heiligen Georg erlegt wird, der aber der Tafelrunde an diesem Abend auch fernbleibt.
In musikalischer Hinsicht bleiben dankenswerterweise weniger Fragen offen. Simon und seine strukturellen Partner haben weder Kosten noch Mühen gescheut, ein eindrucksvoll besetztes Ensemble zusammenzubekommen, und sieht man davon ab, daß das Prager Sinfonieorchester, das man von den Rock-Meets-Classic-Touren kennt, so weit in den Hintergrund gemischt worden ist, daß es zumindest vom Sitzplatz des Rezensenten aus zwar spielen gesehen, aber kaum je spielen gehört werden kann, ist das Gros der restlichen Mitwirkenden durchaus in der Lage, seine jeweiligen Stärken ins Gesamtkonzept einzubringen. Wir hören eine gefällige Klassik-Pop-Rock-Folk-Mischung mit - natürlich - keltischem Anstrich (die eine oder andere Skyclad-Parallele wird kein Zufall sein), durchaus vielfältig konzipiert und intelligent arrangiert, so daß die Solistenriege eindrucksvoll nach vorn treten kann. Die Sänger (unter ihnen internationale Größen wie Moya Brennan oder Michael Sadler, aber auch Deutsche wie Alea der Bescheidene von Saltatio Mortis) sind dabei weitgehend paritätisch besetzt, so daß jeder zwei Solonummern erhält, während die Instrumentalisten der voluminösen, in der Grundbesetzung italienisch dominierten Band recht unterschiedlich bemessene Solospots haben. Freilich ist niemand böse, Könner wie Supertramp-Saxer John Helliwell oder Jethro-Tull-Gitarrist Martin Barre (der hier seinen Spitznamen Lancelot nicht tragen darf, denn diese Rolle gibt es gesondert unter den Sängern) häufig an vorderster Front zu erleben. Merlin selbst ist eine Sprechrolle, für die eigentlich Michael Mendel angekündigt war, aber statt dessen erleben wir in Leipzig Ralf Bauer, der sich sichtlich Mühe gibt, die etwas verquaste Story zumindest halbwegs nachvollziehbar zu halten und zugleich mit dem kuriosen Mix aus historischer und moderner Sprachweise zurandezukommen. Im zweiten Teil fallen seine Sprechparts deutlich sparsamer aus, Simon (der auch selbst als Sir Galahad mitwirkt und Flöte spielt) setzt dort stärker auf die musikalischen Komponenten, ergänzt die ganzen zwei Stunden hindurch noch von Tanzeinlagen (teils mit Stepelementen) und die beeindruckende Akrobatik von Morgane LeFay, die mehrfach an einem Klettertuch in Richtung Hallendecke entschwindet und dort der Erdanziehungskraft trotzt. Was dem ganzen Material fehlt, ist eine etwas einprägsamere Nummer - dieses Kriterium erfüllt eigentlich nur "Don't Be Afraid", vokalisiert übrigens von Labyrinth-Fronter Roberto Tiranti und wohl nicht zufällig als eine der beiden Zugaben nochmal gespielt. Vielleicht kristallisieren sich bei mehrmaligem Hören, das anhand der CD ja dann ab Frühjahr 2017 möglich sein wird, dann doch noch weitere Highlights heraus, und gerade die diversen knochentrocken groovenden keltischen Tanznummern würden in anderem Kontext, also in einem kleinen, aber nicht zu kleinen Club, vermutlich zu wildem Schwingen des Tanzbeines beim Publikum führen. In der Hallenmitte wäre für so etwas zwar auch ausreichend Platz, aber das traut sich vor dem Zugabenblock dann doch niemand. Die anfangs stark blendenden Scheinwerfer am vorderen Bühnenrand erfahren im weiteren Verlaufe der Show dankenswerterweise einen sparsamen Einsatz, und die Bildleinwand an der Bühnenrückseite bietet für die heutige Zeit typische, aber nicht zwingend mit der Handlung verwobene Untermalungen unterschiedlichster Natur. Das Publikum spendet nicht frenetisch, aber doch fleißig Applaus, und zwei Stückwiederholungen als Zugaben beenden wie erwähnt eine solide bis gute, punktuell sehr gute Aufführung eines seltsamen Stückes.



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