www.Crossover-agm.de
The Iron Maidens, Shotgun Valium   06.05.2016   Jena, F-Haus
von rls

Bei so einem Bandnamen ist es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch weiblich besetzte Ensembles Iron Maiden huldigen - und die sinnigerweise The Iron Maidens getaufte Truppe tut das bereits seit 2001 und verläßt ihren amerikanischen Heimatkontinent aktuell mal wieder, um auch den Europäern klarzumachen, was in so einer Eisernen Lady für Musikalität stecken kann. Bevor sich auch das Publikum im Jenaer F-Haus davon überzeugen kann, gibt es allerdings noch eine Dreiviertelstunde Musik eines unangekündigten Supportacts. Aber Moment mal, die Truppe kennt der Rezensent doch?! Richtig, es sind Shotgun Valium aus Erfurt, die er gerade erst zweieinhalb Monate zuvor nur ein paar Schritte nordöstlich, im Kulturbahnhof Jena, als Support von Dätcha Mandala gesehen hat. Dort paßten sie allerdings zugegebenermaßen stilistisch auch etwas besser hin - zwar ist Steve Harris bekennender Siebziger-Rock-Fan, aber abgesehen davon, daß Maiden im neuen Jahrtausend immer mehr altertümliche Progelemente einbauen, hat sich diese Vorliebe nur selten im Songmaterial Bahn gebrochen, und so steht der feiste Siebziger-Rock von Shotgun Valium an diesem Abend ein bißchen vor dem falschen Publikum, wenngleich das Trio klug genug ist, einen eher kompakten Set zu spielen und sich nicht ellenlangen Instrumentalsoli hinzugeben. Heißt praktisch: Es tauchen auch Songs wie "Angry Child" auf, die es damals nicht zu hören gegeben hatte, und "Coming Down" mit seinem urlangen Instrumentaleinleitungspart bleibt der einzige Ausflug in diese Richtung. Allerdings haben Shotgun Valium offenbar durchaus einige Anhänger im Publikum und nach der Dreiviertelstunde High-Energy-Rock (ohne sehr speedige Ausbrüche) den einen oder anderen dazugewonnen, zumal sie sich über ein relativ gutes Klanggewand freuen dürfen und sich selber auf der Bühne nicht zu ernst nehmen. Drummer Paul umrundet allerdings auch diesmal wieder sein Instrument auf Knien, Basser Konstantin darf gelegentlich solistisch in den Vordergrund treten, und Gitarrist Denny hält das Ganze außerdem auch noch mit seinem Gesang zusammen, der etwas rauher wirkt als beim Gig zuvor. Ob's am Bier lag? Oder an der Songauswahl? Oder am Soundmenschen? Keine Ahnung - aber der Gig macht Spaß.
Das hätte der von The Iron Maidens mit besserer Klangqualität auch getan - aber die Mädels haben unter massiven technischen Problemen zu leiden, und auch als nach dem halben Set eine gewisse Stabilität eingekehrt ist, fehlt es besonders der Gitarrenarbeit an der wünschenswerten Klarheit, so daß man diverse Licks und Melodien eher erahnt, weil man die Vorlage halt kennt. Das ist schade, denn auch unter den gegebenen Verhältnissen wird klar, daß es diese fünf Damen faustdick hinter den Ohren haben: vier erstklassige Instrumentalistinnen und dazu eine Sängerin, die in den höheren Lagen ebenfalls prima Arbeit abliefert, in den tieferen allerdings ein wenig unbeholfen klingt. Da trifft es sich gut, daß die Band einen Oldschool-Set zusammengestellt hat, also aus Zeiten, als Bruce Dickinson seinem Spitznamen "Airraid Siren" noch spielend gerecht wurde: Das aktuelle Tourprogramm fokussiert sich auf die Schaffensjahre 1982 bis 1984, wobei im Jenaer Set von "Powerslave" nur das Epos "Rime Of The Ancient Mariner" erklingt (andere Gigs der Tour beinhalteten auch noch den Titeltrack, "Aces High" oder "The Duellists"), ergo noch einmal eine weitere Fokussierung stattgefunden hat, die von "Piece Of Mind" dann auch selten gehörte Tracks wie das abermals epische "Revelations" oder gar die Halbballade "Still Life" berücksichtigt und auch von "The Number Of The Beast" mit dem schnellen Opener "Invaders" (den man aufgrund der Klangverhältnisse erst im Refrain erkennt) und "The Prisoner" Raritäten ausgräbt. Spätere Alben kommen hingegen nur zweimal zum Zuge: "Somewhere In Time" mit, nein, zum Leidwesen des Rezensenten nicht "Alexander The Great", sondern "Wasted Years" (okay, auch ein starker Song) und "Fear Of The Dark" mit seinem Titeltrack als Closer des regulären Sets, der zugleich die frenetischsten Publikumsreaktionen erntet und das vielleicht zu zwei Dritteln gefüllte F-Haus in einen riesigen Chor verwandelt. Apropos Chor: Alle (!) Bandmitglieder sind sangesbegabt, was das leibhaftige Aufführen auch mehrstimmiger Backingvokalpassagen ermöglicht, und den größten Anteil daran hat ausgerechnet Schlagzeugerin Linda McDonald, die ja auch ansonsten Schwerstarbeit zu leisten hat, sich dieser Aufgabe aber souverän entledigt. Wer beim Namen gestutzt hat: Ja, es ist die Ex-Drummerin von Phantom Blue, und The Iron Maidens bildeten quasi das Nachfolgeprojekt nach deren Auflösung, wobei von der Gründungsbesetzung aber eben nur noch die Schlagzeugerin dabei ist (der Name der Gründungsbassistin Melanie Sisneros wird dem einen oder anderen US-Metal-Anhänger von ihrem späteren Mitwirken bei Crescent Shield auch noch etwas sagen). Das heutige Quintett hat sich lustige Pseudonyme zugelegt - so firmiert Sängerin Kirsten Rosenberg als Bruce Chickinson und kopiert zudem auch noch eine von dessen legendären Topfschnittfrisuren aus den Achtzigern. Zumindest letzteres verkneifen sich die anderen vier Damen, und das ist auch gut so: Niemand mit optischem Geschmack würde wollen, daß sich etwa Courtney Cox aka Adriana Smith ihrer schönen langen blonden Mähne entledige, um so auszusehen wie Adrian Smith. Dafür beherrscht die Band die Maiden-typischen Posen natürlich aus dem Effeff, und so sieht man Wanda Ortiz aka Steph Harris nicht selten mit dem Fuß auf der Monitorbox. Eddie kommt übrigens auch zum Zuge, aber die Mädels nehmen sich selber nicht gar zu ernst (die Eddie-Fratzen auf den Marshalltürmen etwa werden von rosa Schleifchen geziert), und so sind die vier Auftritte auch eher komisch - in "Wasted Years" etwa sähe Eddie, trüge er statt der Leuchtaugen eine Sonnenbrille, fast wie Heino aus, und die Teufelsverkleidung in "The Number Of The Beast" erinnert ein bißchen an Lordi. Was das Quintett dagegen sehr ernst nimmt, ist die Musik, und da wird einem erst mal wieder bewußt, welchen Sack an Metalklassikern wir Steve Harris und seiner Bande doch zu verdanken haben (und wie genial das urlange Solo in "Phantom Of The Opera" ist). Wenn's all das jetzt noch mit prima Sound gegeben hätte, würde vollste Zufriedenheit herrschen, aber so macht das feierfreudige Publikum halt das Beste draus, singt fleißig mit und hofft nach dem brillanten, allerdings überraschenderweise ohne die Bandhymne "Iron Maiden" auskommenden Zugabenblock (es wird auf der Tour alternierend mit "Run To The Hills" gespielt) wie auch der Rezensent auf ein Wiedersehen (und vielleicht gibt's ja dann "Alexander The Great" ...).

Setlist The Iron Maidens:
Doctor Doctor (Intro)
Invaders
Die With Your Boots On
Revelations
Wasted Years
The Trooper
Killers
Still Life
Rime Of The Ancient Mariner
The Prisoner
The Number Of The Beast
Phantom Of The Opera
Fear Of The Dark
--
Hallowed Be Thy Name
Run To The Hills



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver