www.Crossover-agm.de HEINO: Schwarz blüht der Enzian
von rls

HEINO: Schwarz blüht der Enzian   (Starwatch Entertainment)

Der Rezensent gibt es zu: Er ist schuld an dieser Scheibe. Schließlich steht in seinem Review zum Vorgängeralbum "Mit freundlichen Grüßen" folgender Satz: "Vielleicht kommt ja irgendwann ein Nachfolger mit Metalsongs - die Rammstein-Nummer hier beweist deutlich, daß Heinos Stimme für eine solche Mixtur exzellent geeignet wäre." Freilich könnte, nein, wird er nicht der einzige gewesen sein, den diese Erkenntnis ereilt hat. Unwillensbekundungen aus der Musikwelt nimmt sich der Rezensent also ganz und gar nicht zu Herzen ...
Ernsthaft: "Schwarz blüht der Enzian" will tatsächlich ein Metalalbum sein - ein Metalalbum von Heino (das muß man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen und vergegenwärtigen). Die grundlegende Herangehensweise ist allerdings etwas anders als auf besagtem Vorgänger: Hatte Heino dort Deutschpop- und Deutschrocksongs gecovert, die fernab seines Stammrepertoires angesiedelt waren, so enthält "Schwarz blüht der Enzian" neben einer Neukomposition, aus der sich In- und Outro speisen, metallisierte (oder "metallisierte") Fassungen von Liedern, die sich in ihren Ursprungsfassungen (oder solchen, die man für diese halten könnte) bereits im regulären Repertoire von Heinz Georg Kramm aka Heino befinden. Für die Umsetzungen zeichnen drei verschiedene Produzententeams verantwortlich (Martin Ernst, 300mph Production und Elephant Music), wobei das Booklet keine Angaben macht, wer außer Heino selbst noch auf der CD zu hören ist - die Credits weisen allerdings das Mitwirken von Sascha Paeth aus, immerhin ein äußerst respektierter Metalmusiker und -produzent, und die Frage wäre zu klären, ob es sich bei Hannes Braun um den Fronter von Kissin' Dynamite handelt oder ob die Namensgleichheit zufällig ist. Aber auch diese fähigen Namen haben ein Grundproblem nicht verhindern können: Viele der Umsetzungen wirken beliebig und zusammenhanglos unter Heinos Stimme gelegt, und man wird hier und da den Verdacht nicht los, daß Heino gar nicht erst im Studio war, sondern die Produzenten einfach seine Stimme von einer bereits existierenden Aufnahme genommen und dann mit neuem instrumentalen Unterbau unterlegt haben. Zwar findet sich hier und da eine gute Idee, etwa gleich im Quasi-Opener "Schwarz blüht der Enzian" (dessen Text die Blütenfarbe übrigens nach wie vor als Blau deklariert) der Wechsel in einen Moll-Refrain, aber ebenso häufig stolpert man über Stellen, wo Gesangsmelodie und Unterbau in einem offensichtlich ungeplanten kratzbürstigen oder zusammenhanglos wirkenden Verhältnis zueinander stehen (mehrfach etwa in "Hoch auf dem gelben Wagen" oder "Schwarzbraun ist die Haselnuss"). Dagegen bleibt so manche Chance ungenutzt - wenn "Ja, ja, die Katja, die hat ja" schon thematisch in Osteuropa angesiedelt ist, hätte man durchaus eine flotte Folk-Metal-Version daraus machen können, ohne das Original und auch die Stimme zu sehr verbiegen zu müssen. Richtig große Treffer gibt es in den 43 Minuten jedenfalls ganze zweieinhalb: "Schwarz blüht der Enzian" leidet zwar in den Strophen auch für einen Moment unter der Nichtanpassung der Unterlage an den Gesang (oder umgekehrt), macht dieses kleine Manko durch seinen großen Hymnencharakter aber wieder wett, die bombastische Halbballade "Jenseits des Tales" besitzt viel eskapistisches Feeling, und die Strophen von "Einer von uns" hätte Onkel Tom nicht wesentlich anders gestaltet (der fürchterliche Refrain mit seinen unpassenden weiblichen Gesängen und dem angestrengt rappenden Heino - daß er das nicht kann, wissen wir schon von "Mit freundlichen Grüßen - läßt den Daumen aber schnell wieder nach unten zeigen). Wer aber auf die Idee gekommen ist, dieses Album mit Rammstein zu vergleichen, besitzt entweder einen schrägen Humor oder setzt auch sagen wir Jürgen Drews mit den Toten Hosen gleich. Merke: Ein gelegentliches rollendes r, einige harte Alibi-Riffs und ein bisweilen durchscheinender industrieller Touch machen noch keinen Rammstein-Vergleich sinnträchtiger, und als Metal zu klassifizieren sind zumindest etliche der Nummern definitiv auch nicht. Außerdem war Heino auch schon mal besser bei Stimme: Wenn die häufig vorkommende Zeile "aber der Wa-hagen, der rollt" neu eingesungen worden ist, sollte das ein bedenkliches Stirnrunzeln hervorrufen (und bei 300mph im Studio eigentlich auch hervorgerufen haben). Jedenfalls können die Nummern das Versprechen, das die kongeniale "Sonne"-Umsetzung von "Mit freundlichen Grüßen" gab, nicht einlösen - wenn die musikalische Komponente ähnlich stilsicher ausgefallen wäre wie die optische, hätte "Schwarz blüht der Enzian" ein Überraschungshighlight werden können. Man nehme nur mal das Cover her und stelle sich statt Heinos Gesicht das von Ozzy Osbourne vor - und auf S. 10 im Booklet stellt man fest, daß optisch gar nicht so große Welten zwischen Heino und Udo Dirkschneider liegen. Michael Petersohn (Fotos) und Ronald Reinsberg (Artwork) haben also ein äußerst stimmiges Werk erschaffen und spielen geschickt auf der Klaviatur der üblichen metallischen Elemente, und zu bedauern bleibt "lediglich", daß die musikalischen Beteiligten diese Vorgabe nicht halten können, sondern mit einem überwiegenden Langweiler um die Ecke gekommen sind, der zwar live einen gewissen Unterhaltungswert entfalten könnte (wenn sich Heino traut, mit einer echten Band auf Tour zu gehen, und dieser etwas kreativen Freiraum läßt), auf Konserve aber eher als Beispiel taugt, wie man eine an und für sich gute Idee in den Sand setzt.
Kontakt: www.heino.de

Tracklist:
Intro erst recht
Schwarz blüht der Enzian
Ja, ja, die Katja, die hat ja
Rosamunde
Wir lagen vor Madagaskar
Jenseits des Tales
Einer von uns
Die schwarze Barbara
La Paloma
Komm in meinen Wigwam
Schwarzbraun ist die Haselnuss
Hoch auf dem gelben Wagen
Jetzt erst recht



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