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Dätcha Mandala, Shotgun Valium   20.02.2016   Jena, Kulturbahnhof
von rls

Zwei klassische Siebziger-Rock-Powertrios bestreiten diesen Konzertabend, freilich allesamt aus Musikern bestehend, die die Siebziger biologisch noch gar nicht miterlebt haben dürften. Den Auftakt bilden Shotgun Valium, die sich einer relaliv straighten und gehärteten, bisweilen ganz leichte Stoneranklänge aufweisenden Herangehensweise an den Siebziger-Rock verschrieben haben, was freilich diverse ausufernde Solopassagen nicht ausschließt, in denen Gitarrist Denny sein Instrument auch schon mal in bester Hendrix-Manier mit den Zähnen bearbeitet ("Mind Trip"). Daß die Erfurter keineswegs stromlinienförmig agieren würden, zeigt schon die originelle Introgestaltung: Bassist Konstantin beginnt allein zu spielen, während die beiden Kollegen noch gar nicht auf der Bühne sind; erst nach einer Weile gesellt sich Denny hinzu, und wieder eine Zeitlang später bahnt sich Drummer Paul einen Weg durchs Publikum auf die Bühne, setzt sich aber nicht gleich hinters Kit, sondern umkreist dieses erst einmal längere Zeit, nur auf den Becken spielend. Auch diverse Songstrukturen sind eher unkonventionell gehalten, etwa die von "Coming Down": Ein langes, oft doomiges instrumentales Intro ist dem eigentlichen Song vorgeschaltet, ist ungefähr genauso lang wie dieser und führt dazu, daß der Komponist aufs Hauptsolo gleich ganz verzichtet hat. Tempomäßig gehen Shotgun Valium durchaus variabel zur Sache, lassen das "White Horse" auch mal flott galoppieren und präsentieren sich zudem als prima eingespielte Einheit - ansonsten wäre das Tempo-Exzelsior am Ende von "Solid" sicherlich nicht so aus dem Handgelenk schüttelbar gewesen. Apropos schütteln: Alle drei Bandmitglieder verfügen über eine sehr wuchsfreudige Kopfbehaarung, die bei Denny und Konstantin auch noch stark voluminöse Züge annimmt, und da die beiden Saitenspieler auch noch sehr bewegungsaktiv sind, wenn sie nicht gerade ihren Sangespflichten nachkommen müssen (Konstantin singt einige Backings, Denny ist Hauptsänger mit einer relativ hohen, leicht nasalen, aber immer energischen Stimme irgendwo zwischen Robert Plant, Chris Cornell und Geddy Lee), ergibt sich ein optisch durchaus eindrucksvolles Bild. Die Spielfreude schwappt während des vielleicht einstündigen Gigs in großen Wellen von der Bühne, und so manches Tanzbein im Publikum gerät bereits in Bewegung. Humor hat die Band übrigens auch: "Wieviel Euro Eintritt habt ihr bezahlt? Acht? Da liegen wir ja nur knapp unter den Rolling Stones - die nehmen achtzig." Angesichts der allgemein guten Stimmung erweist es sich als logisch, daß die Band ohne eine Zugabe nicht gehen darf.
Setlist Shotgun Valium:
Camaro Man
Solid
Mind Trip
Starship Riders
Coming Down
Clockwork Orange
Leicht hat sich's, leicht hat sein's
White Horse
Tornado
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Like Smoke

Dätcha Mandala gehen ein klein wenig vielfältiger an den natürlich weiterhin in den Siebzigern zu verortenden Sound heran. Sie erzeugen manchmal psychedelisch wirkende Geräusche, arbeiten auch dynamiktechnisch etwas vielfältiger, setzen gleich in Song 2, "Mojoy", eine Mundharmonika ein, haben mit Song 4 eine stark blueslastige Nummer dabei, die passenderweise auch "Da Blues" heißt, und spielen als nächstes mit "Carry On" gleich noch eine Blumenkindballade mit dreistimmigen Satzgesängen, wie man sie schon in den Sechzigern kannte. Das Ganze erinnert in seiner Summe dann an die Led Zeppelin der Frühsiebziger, allerdings durchaus mit genügend eigenständigem Profil, für das nicht zuletzt Bassist Nicolas in seinem Zweitjob als Sänger sorgt. Der kleine Mann, der aussieht wie ein Mix aus Jimi Hendrix und dem jungen Michel Platini, erweist sich stimmlich als Riese, der Support-Denny ein wenig ähnelt, allerdings dessen gelegentliche grungekompatible Nöligkeit zugunsten prinzipieller Klarheit beiseiteläßt und damit mehr oder weniger genau in der Mitte zwischen Geddy Lee und Robert Plant landet. Zudem sorgt er mit psychedelischen Effekten für Abwechslung, indem er seinen Kopf vor dem Mikrofon hin und her bewegt, mal harmonisch, mal zuckend, dazu irgendwelche Schreie von sich gibt und diese durch die unterschiedliche Entfernung zum Mikrofon entsprechend variabel aus den Boxen wabern. Spielfreude ist natürlich auch hier Trumpf, und mit zunehmender Spieldauer hat sich auch der ungeübte Teil des Publikums besser in die Dynamikabfolgen des südwestfranzösischen Trios eingehört und verstanden, wann man in welchem Rhythmus das Tanzbein zu schwingen hat, was folglich dann auch recht exzessive Praxis findet. Da sind einzelne Songs irgendwann mal nur noch Schall und Rauch, zumindest solange es um die Eigenkompositionen geht, die allesamt ihre Qualitäten haben, technisch beeindruckend dargeboten werden und dank eines über weite Strecken klaren, aber trotzdem druckvollen Soundgewandes problemlos nachvollzogen werden können. Etwaige letzte Dämme in puncto Partystimmung brechen dann aber im hinteren Teil des Sets, als Dätcha Mandala noch ein paar Coverversionen auspacken, beginnend mit Black Sabbaths "War Pigs" in einer Version mit sehr eigenwillig angeordneten Textzeilen, die auch ohne Sirenengeräusch eindrucksvoll aus den Boxen schallt. Danach gibt's ein Experiment: Das Trio holt seine zwei Roadies Tom Dunza und Panpan auf die Bühne, und in Quintettbesetzung mit teilweisem Instrumententausch (Tom trommelt, Panpan spielt Baß, und die eigentlichen Stelleninhaber wechseln ans Frontmikro respektive eine zweite Gitarre) schmettert man als Hommage an Lemmy "We Are The Road Crew" in die Menge - erst am Vorabend erstmals so praktiziert, kommt das Ganze ehrlich rüber und ist auch musikalisch gar nicht so wüst, wie man befürchten könnte. Auch der Zugabenblock wird noch mit Covers in Form eines großen Medleys gespickt, erst "Move Over" von Janis Joplin, dann das pilzköpfige "Helter Skelter", und ganz zum Schluß kommen auch noch diejenigen Briten zum Zuge, an die man während des Gigs schon öfter mal gedacht hat (und keineswegs nur wegen des Songtitels "Zöso"): Led Zeppelin. Die Wahl fällt auf "Black Dog", natürlich mit vom Publikum gern beigesteuerten "Ah-ah"-Wechselgesängen, und mit einem eingejammten Zitat aus "Rock And Roll", dessen Eröffnungsriff hier als Gigschlußeffekt dient, fällt der virtuelle Vorhang nach weit mehr als zwei hochgradig intensiven Stunden Musik. Mehr davon? www.cosmic-dawn.de informiert über anstehende Termine im sympathischen Kulturbahnhof.

Setlist Dätcha Mandala:
1/Have You Seen The Light?
2/Mojoy
3/Zöso
4/Da Blues
5/Carry On
6/Unicorn
7/Eht Bup
8/God And Philip/Totem
9/Loot
10/Human Free
11/Born To Be A Light
12/Uncommon Travel
13/War Pigs
14/We Are The Road Crew
15/Pavot
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16/Medley (Move Over/Helter Skelter/Black Dog)



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