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The Skull, Stepfather Fred, Goat Explosion   04.03.2016   Leipzig, Bandhaus
von rls

Nicht die Freundin von Farin Urlaub explodiert beim lokalen Supportact, sondern eine Ziege - entsprechende Showeffekte à la GWAR bleiben an diesem Abend allerdings aus: Das Quartett läßt allein seine Musik sprechen, und die siedelt im Stonerrock, wobei der in traditioneller ABA-Form mit einem treibenden A- und einem schleppenden B-Teil bereits das komplette Tempospektrum umreißt, das in den summiert fünf Songs des Sets zu hören ist, wobei Song 4 (Titel sind Schall und Rauch) das höchste Tempo fährt und zugleich am kompaktesten strukturiert ist, während der als neu angesagte Song 3 lange Zeit sehr minimalistisch bleibt, in der Nähe des absoluten Stillstandes mäandert und gerade dadurch viel Spannung aufbaut, die sich dann im schnellen Teil entlädt. Allerdings präsentiert sich das Klanggewand in den ersten vier Songs, was die beiden Gitarren und den Baß angeht, ein wenig verwaschen und undurchdringlich - erst im Closer wird es auf einmal klarer und unterstützt dessen Anlage prima: Wie Goat Explosion hier einen zähen Grundrhythmus mit einem enormen Vorwärtsdrang ausstatten, das soll ihnen erstmal jemand nachmachen. Nicht nachzumachen braucht man allerdings die Stimme des Sängers, denn der hat erstens einen ganz seltsamen Effekt auf dem Mikro liegen, so daß er klingt wie Ozzy auf ganz schlechten Drogen, und zweitens zeichnet sich sein Tontreffsicherheitsvermögen durchaus noch durch Steigerungsmöglichkeiten aus, ebenso wie übrigens die extrem schüchterne Publikumskommunikation, die allerdings auch am zu leise eingestellten Frontmikrofon leidet. Als Gitarrist ist der Mann jedenfalls deutlich fähiger, die Leads teilt er sich mit seinem Instrumentenkompagnon, und das gut gefüllte Bandhaus spendet freundlichen Applaus.
Stepfather Fred fahren die ganze The-Skull-Tour als Support mit, und man könnte sich durchaus fragen, warum, denn stilistisch passen sie im Gegensatz zu Goat Explosion nicht wirklich zum Headliner, was auch prompt sein äußeres Zeichen darin findet, daß das Bandhaus nur noch zur Hälfte gefüllt ist. Das soll freilich nicht bedeuten, das Quartett sei schlecht - man muß ihren Stil halt mögen, wobei die Grundschwierigkeit schon mal darin besteht, diesen überhaupt zu definieren. Alternative Rock, Groove Metal, etwas Stoner Rock, das Ganze auch noch quellenperiodisch durchaus variabel - vielleicht könnte man so etwas wertneutral mit Crossover bezeichnen, würde man unter dieser Titulierung nicht eher den Rapmetal der Neunziger verstehen. Den gibt es an diesem Abend in Gestalt von "Here Comes The Pain" allerdings auch zu hören, wenngleich nur ebenjenes eine Mal unter insgesamt neun Beiträgen. Nicht einmal vor einer Ballade schrecken die Bayern zurück, und sie meistern auch diese Herausforderung problemlos, zumal sie einen sehr fähigen Sänger in der Besetzung haben. Dem würde man zumindest Teile vom Gehörten rein optisch gar nicht zutrauen, sondern ihn diesbezüglich in eine klassische NYHC-Band stecken. Brüllen kann er zwar in der Tat, aber das Gros des Sets gehört einem leicht angerauhten Gesang der Marke Onkelz-Kevin ab den Neunzigern, und wenn die Instrumentalisten melodieorientierte Vorgaben liefern, dann legt er auch eine sehr sanfte Stimme an den Tag. Apropos Instrumentalisten: Der Gitarrist und der Bassist sind trotz relativ kleiner Bühne fleißig in Bewegung, und der Drummer hinterläßt spielerisch einen starken Eindruck. Zwar gelingt nicht jeder Publikumsanimationsversuch, aber insgesamt ist die Stimmung doch durchaus passabel, und vor einem weniger doomfixierten Publikum, sondern als Support von sagen wir mal Disturbed oder den Farmer Boys, wenn es die noch gäbe (an eine keyboardfreie Version ebenjener Bundeslandnachbarn fühlt man sich bisweilen erinnert), wäre der bayrische Vierer sicher gut aufgehoben.
The Skull bilden, wie der Metalhistoriker weiß, eine Art Sammelbecken für Ex-Trouble-Mitglieder, die mit dem musikalischen Output der heutigen Trouble-Besetzung nicht so hundertprozentig glücklich sind. Allerdings nimmt Drummer Jeff Olson hier eine Art Opt-in-opt-out-Stellung ein - momentan ist er mal wieder draußen, aber ein Jungspund namens Sean vertritt ihn an diesem Abend bestens. So bleiben zwei Alt-Troubler, nämlich zum einen Bassist Ron Holzner (schade, daß er mit Earthen Grave nie so richtig aus den Puschen gekommen ist), der mit seinem Cowboyhut und seiner sonstigen Optik auch bestens in eine klassische Southern-Rock-Band passen würde, und zum anderen Sänger Eric Wagner, der bedenklich langsam über die Bühne schlurft und in seiner leicht gebückten Haltung einen sehr alten Eindruck hinterläßt, aber stimmlich nach wie vor durchaus anhörbare Fähigkeiten aufzuweisen scheint, soweit man das beurteilen kann. Das Frontmikrofon ist nämlich noch leiser eingestellt als bei Goat Explosion (bei Stepfather Fred hatte durchaus normale Gesangslautstärke geherrscht), so daß man sich teilweise richtig anstrengen muß, um Wagners Gesang zu hören, und die Ansagen versteht man komplett überhaupt nicht - Probleme, die den ganzen Set über erhalten bleiben und seitens des Soundmenschen nicht gelöst werden können (der übrigens auch keinerlei Versuche macht, Holzners in zwei Songs extreme brummende Störgeräusche erzeugenden Baß irgendwie in den Griff zu bekommen zu versuchen). Das ist schade, denn so fällt ein nicht gerade unwichtiges Wertungskriterium aus - und ein Kriterium für die emotionale Zugänglichkeit der Musik natürlich auch. Rein instrumental jedenfalls wissen The Skull ohne Probleme zu überzeugen, neben dem Drummer ist auch der neue Zweitgitarrist augen- wie ohrenscheinlich problemlos integriert. Und das Stichwort Integration ist ein gutes: The Skull sind ja mit dem Anspruch angetreten, erstens Trouble-Songs so zu spielen, wie sie das selber gerne von Trouble hören würden, und zweitens Songs zu schreiben, die auch Trouble hätten schreiben können. Beide Ziele können an diesem Abend erreicht werden: Zwar hat der Rezensent Trouble nie live erlebt, aber die Wiedergabe der Trouble-Klassiker weiß von einem neutralen Standpunkt aus problemlos zu überzeugen (gleich als Opener-Doppel gibt es das auf dem Trouble-Debüt "Psalm 9" an gleicher Stelle stehende Duo "The Tempter" und "Assassin" zu hören, aber The Skull beschränken sich nicht aufs Trouble-Frühwerk, sondern geben u.a. auch den Titeltrack des 1994er "Plastic Green Head"-Albums zum besten), und der Set wirkt komplett wie aus einem Guß, so daß man Trouble- und The-Skull-Kompositionen an nichts Grundsätzlichem unterscheiden kann. Da ein Song vom demnächst zu erwartenden The-Skull-Zweitling bereits live angetestet wird und ebenfalls nicht aus dem Rahmen fällt, wird zu erwarten sein, daß das Quintett diesen Weg auch weitergeht. Daß der Trouble-Doom keineswegs nur aus Schleichpassagen besteht, sondern durchaus Tempovariabilität bis hin zu vereinzelten treibenden Midtempopassagen aufweist, dürfte bekannt sein, aber der Fokus liegt schon im unteren Tempobereich und läßt an Massivität an diesem Abend (bei angenehmer Lautstärke übrigens - nur eben die vom Gesang liegt unangenehm, nämlich unangenehm niedrig) kaum Wünsche offen. Kurioserweise ist der Füllstand des Bandhauses bei The Skull geringer als bei Goat Explosion, wird auch im Verlaufe des Sets nochmal ausgedünnt, obwohl es noch gar nicht so sehr spät ist, und obwohl die erste Reihe offensichtlich aus Trouble-Die-Hards besteht, mit denen sich Eric auch gerne mal so, ohne Mikro, unterhält, hält sich der Rest des Publikums mit Äußerungen des Beifalls merklich zurück. Drei Zugaben spielen The Skull trotzdem, aber so ganz restlos glücklich ist man am Ende dann doch nicht, die vordere Reihe mal abgesehen (vielleicht hat die den Gesang auch besser gehört als der Rezensent, der in Mischpultnähe stand), und man nimmt sich vor, diese Band bei passender Gelegenheit nochmal anderweitig zu begutachten.



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