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Hubert von Goisern 05.08.2015 Jena, Kulturarena
von rls
Fast genau sechs Jahre zuvor hatte Hubert von Goisern schon einmal auf der Open-Air-Bühne vor dem Jenaer Theater gestanden und mit dem damaligen erweiterten "Haut & Haar"-Liveprogramm das ausverkaufte Rund zu begeistern vermocht, inclusive des Rezensenten, für den das weiland sein erstes Liveerlebnis des Goiserers bildete, dem seither zwei weitere bei den Hallentourneen 2012 und 2015 gefolgt sind. Von daher war die Frage interessant, ob das "Federn"-Tourprogramm des Frühjahrs 2015 auch in der Open-Air-Situation dargeboten oder eine Spezialanfertigung zum Zuge kommen würde. Kurz nach 22 Uhr, als das Konzert endet, läßt sich feststellen, daß es sich nicht um eine "Entweder-Oder-Frage" gehandelt hat, sondern eher um ein "EntwederUndOder", um den Titel des 2011er Studioalbums des Goiserers anzuführen, das mit einer gewissen "Tradition" gebrochen hat, was die Setlisten angeht: Wenn ein neues HvG-Album anstand, verschwanden in letzter Zeit die Nummern des Vorgängeralbums aus dem Set, und selbiger bestand aus dem neuen Werk plus einer Handvoll Klassiker aus den Neunzigern. Das war schon auf der Frühjahrstour 2015 anders: "Brenna tuats gut" vom "EntwederUndOder"-Album hat sich zum ersten Nummer-1-Hit des Goiserers überhaupt gemausert (auch das legendäre "Hiatamadl" hat das in den Frühneunzigern nicht ganz geschafft) und somit völlig logisch auch Einzug in den Klassikerreigen des aktuellen Tourprogramms gefunden. In abgewandelter Form stand es zudem Namenspate für den aktuellen HvG-Film "Brenna tuats scho lang", der im Rahmen des Kulturarena-Festivals am Vorabend über die Leinwand flimmert, so daß ein Teil des Publikums schon mit aktuellen Bildern im Kopf wie im Ohr am Folgeabend das ausverkaufte Rund betreten haben dürfte, während sowohl der Rezensent als auch seine Begleiterin den Streifen noch nicht gesehen haben, allerdings aufgrund Erlebt- bzw. Nichterlebthabens des Frühjahrshallentourprogramms trotzdem strukturell völlig unterschiedliche Vorsituationen aufweisen.
Um nun die Strukturfrage von oben aufzuklären: Der erste Setteil entspricht vom Aufbau her exakt demjenigen vom Leipzig-Gig - es handelt sich dort um das neue Material vom "Federn"-Longplayer, und das war schon damals dramaturgisch schon so geschickt arrangiert worden, daß sich dort keinerlei Änderungen nötig machen. Klar, Details unterscheiden sich immer - so gerät "Am hellichten Tag" noch einen Deut psychedelischer als in Leipzig, während die große Bewegungsfreude, die das gelegentliche schnellere Material, allen voran "Stoansteirisch", eigentlich erzeugt, aufgrund der dicht stehenden Publikumsreihen nicht ausgelebt werden kann, ohne seine Umstehenden reihenweise niederzumähen, so daß der zivilisierte Hörer dann nur auf engem Raum das Tanzbein zucken läßt. Bei näherem Überlegen nicht weiter verwunderlich ist die Tatsache, daß man beim zweiten Liveerlebnis die Texte des Oberösterreichers zu doch etwas größeren Teilen versteht als beim ersten, wobei freilich auch das exzellente Klanggewand hervorgehoben werden muß, das an diesem Abend so gut wie keine Wünsche offenläßt. So gerät "Snowdown" wieder zum alles niederwalzenden Epos, aber ihm folgt diesmal natürlich keine Pause, sondern der zweite Setteil, und der ist diesmal etwas anders strukturiert und hinterläßt in puncto Dynamikkurve einen stärkeren Eindruck als auf der Hallentour. Die damaligen drei Zugabennummern sind diesmal in den Hauptset integriert, wobei "Krippensteiner" durch das extra für diesen Song mitgeschleppte Alphorn besticht - andere Nummern dagegen sind in den ausgedehnten Zugabenblock gewandert, wobei "Weit, weit weg" und "Hearst is nit" die beiden epischen Schlußnummern bilden, die vom Publikum in bewährter Weise fleißig mitgesungen werden. Und nach denen braucht man eigentlich auch keine Tempoverschärfung mehr (obwohl vermutlich niemand außer den Anwohnern böse gewesen wäre, hätte man auch noch das "Hiatamadl" angehängt), so daß die Gesamtdynamik hierdurch nicht beeinflußt wird. Daß die fünfköpfige Band exzellent aufeinander eingespielt ist, versteht sich nach den vorausgegangenen Touraktivitäten natürlich von selbst, und außer Pedal-Steel-Spieler Bob Bernstein sind ja alle auch schon etliche Jahre im Kosmos des Goiserers aktiv und waren auch schon 2009 in Jena dabei, als Hubert nach eigener Aussage das gegenüber der Bühne aufragende runde Hochhaus noch gar nicht aktiv wahrgenommen hatte, was sich 2015 geändert habe, als man ihm eröffnete, daß dieses Objekt im Volksmund den einprägsamen Spitznamen "Keksrolle" trägt. Und darin, dem Volk "aufs Maul zu schauen", um mit Luther zu sprechen, war der Goiserer bekanntlich schon immer gut, wie das den grundlegenden Bluesrock diesmal um Americana-Einflüsse bereichernde aktuelle Werk "Federn" einmal mehr bewiesen hat - auf Konserve und auch in der Livedarbietung. Der Rezensent und seine Begleiterin sind sich trotz der genannten unterschiedlichen strukturellen Voraussetzungen in ihrer Meinung ob der hohen Qualität des Konzerts einig, und augen- wie ohrenscheinlich zieht auch das Gros der weiteren Besucher aus dem ausverkauften Rund zufrieden in den Rest der milden Sommernacht hinaus.
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