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Dust Bolt, Prowler, Skapa Flöw   01.05.2015   Leipzig, Moritzbastei
von rls

Hauptanziehungspunkt dieses Abends ist "Stallions Of Steel", das Debütalbum von Prowler, als deren Record-Release-Party der Gig deklariert ist. Zu einem solchen Event lädt man sich natürlich Freunde ein, und um die ersten livehaftig zu begutachten, ist pünktliches Erscheinen zur verbrieften Anstoßzeit um 20.30 Uhr notwendig. Das schafft der Rezensent aufgrund anderweitiger vorgelagerter Verpflichtungen nicht - als er gegen 21.10 Uhr in den Katakomben der Moritzbastei eintrifft, kommt ihm eine Schar von Menschen entgegen, die gerade eben den Gig von Skapa Flöw goutiert hat und nun entweder zur Tränke oder, was wahrscheinlicher ist, zur Nikotininsel in einem der Innenhöfe strebt.
Nächste Band sind überraschenderweise nicht Dust Bolt, sondern Prowler selbst. Bei der Releaseshow eines Debütalbums, die einen Quasi-Headlinergig darstellt, schreibt sich die Setlist natürlich in gewisser Weise von selbst, und so überrascht der Fakt, daß alle neun Songs von "Stallions Of Steel" in der Setlist auftauchen, wenig. Das bedeutet praktisch, daß sich Prowler live auch an die komplexeren Songs wie "Mexican Story" und das auf Platte acheinhalbminütige Abschlußepos "A Maiden's Funeral" herantrauen, und sie beweisen diesen Wagemut zu Recht. Schließlich haben sich um die beiden Gitarristen und Bandgründer David Junold und Clemens Richter mit Bassist Marvin Mehrländer und Drummer Michael Czernik zwei weitere instrumentale Könner versammelt, und auch wenn an diesem Abend durchaus nicht alles so gelingt wie geplant (oder sollte das Finale des Openers "Out Of The Night" wirklich so ein bißchen nach, sagen wir, King Crimson klingen?) und der Gesamtsound in den ersten drei Setvierteln einen Tick zu verwaschen ist, um die gitarristischen Feinheiten in ihrer vollen Pracht genießen zu können, so herrscht doch auf wie vor der Bühne offensichtlich beste Laune. Diverse der Songs sind im Publikum außerdem bestens bekannt (zumal einige bereits in Frühfassungen auf der 2012er EP "Hard Pounding Heart" standen und bereits länger zur Setlist gehören), und so finden diverse Mitsingaufforderungen ein dankbares Echo. Nur kommen die Animationsversuche nicht immer zielgenau: Nach "Motorcycle Of Love" feiert das Publikum die Band mit lauten rhythmischen "Hey-hey"-Shouts, und Sänger Ronny Dietrich unterbricht diese, indem er eher halbherzig ins Publikum fragt, wie es diesem gehe. Auch weitere Ansagen lassen alles andere als Selbstsicherheit oder gar Frontmannqualitäten erahnen. An der Animation muß er also noch arbeiten, was auch auf seine Stimme zutrifft: Er hinterläßt einen geringfügig sichereren Eindruck als ein reichliches Vierteljahr zuvor, als Prowler ihrerseits als Supportact auf der Record-Release-Party von Alpha Tiger spielten - aber es fehlt ihm nach wie vor sowohl an Stimmkraft als auch an Treffsicherheit, besonders in den Höhenlagen. Das ist schade, denn man wird irgendwie das Gefühl nicht los, er sei das schwächste Glied in der ansonsten schon ziemlich reißfesten Prowler-Kette. Freilich muß man, um die Musik des Leipziger Quintetts goutieren zu können, erstens melodischen Traditionsmetal der Früh- bis Mittachtziger-Prägung mögen, zweitens aber auch einigen Überraschungen nicht abgeneigt sein, etwa dem völlig unvorbereiteten Übergang in den Refrain des Titeltracks - solche harten Kontraste ist man sonst eher aus dem jüngeren Metalcore-Kontext gewöhnt. Freilich mangelt es nicht an einprägsamen Momenten, und so steht auch dem unkundigen Teil der Besucher (der freilich sowieso in der Minderheit zu sein scheint) der Zugang zum Material problemlos offen und erlaubt ein großartiges Konzerterlebnis, das neben den neun "Stallions"-Songs und dem nicht neu eingespielten EP-Titeltrack durch drei Coverversionen abgerundet wird: Judas Priests "Diamonds And Rust" (endlich mal eine Band, die sich nicht auf einen der üblichen Verdächtigen im Songfundus von Tipton & Co. stürzt), wie bereits im Januar Saxons "Princess Of The Night" und als Zugabe schließlich der Titeltrack der ersten Manowar-Langspielplatte, der die stimmlichen Defizite zwar nochmal ganz besonders schmerzlich zu Gehör bringt, aber andererseits schon von seiner Originalkomposition her so stark zu überzeugen weiß, daß einen das irgendwann auch nicht mehr stört und man statt dessen gemütlich headbangend virtuell in den Kampf zieht. Der diese Komposition offensichtlich nicht kennende Soundmensch startet die Umbaupausenmusik schon nach dem akustischen Mittelteil, als die Band eine "Abfeierpause" einlegt und selbst der sonnenbebrillte Drummer Michael mit nach vorn kommt, aber die Umstehenden machen ihn darauf aufmerksam, daß da noch was kommt, und nachdem der Drummer wieder nach hinten geeilt ist, bringt man das Stück würdig zu Ende.

Setlist Prowler:
Out Of The Night
Paranoia
Motorcycle Of Love
Mexican Story
Hard Pounding Heart
Freedom
Stallions Of Steel
Mind And Might
Diamonds And Rust
A Maiden's Funeral
Prowler
Princess Of The Night
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Battle Hymn

Dust Bolt sind Freunde von Prowler, man hat schon etliche Male die Bühne geteilt, und auch in Leipzig sind die Bewohner Landsbergs am Lech keine Unbekannten, so daß sich die Moritzbastei nach dem Prowler-Gig zwar erstmal leert (das Publikum eilt entweder zum Prowler-Merchstand oder abermals zur Nikotininsel), aber doch eine erkleckliche Anzahl von Menschen wieder am Start ist, als Dust Bolt zu spielen beginnen. Wer die Band noch nicht kannte und eine stilistisch Prowler-ähnliche Combo erwartet hat, liegt allerdings falsch und bemerkt seinen Irrtum gleich beim Opener "Soul Erazor", der beinharten und überwiegend sehr schnellen Thrash bietet, welchselbiger die Basis des Dust-Bolt-Sounds darstellt, die allerdings im weiteren Verlauf des Sets schrittweise bereichert wird: "Drowned In Blind Faith" etwa mündet in einen Improvisationspart von epischer Breite und entsprechenden Epic-Metal-Qualitäten, und das soll beileibe kein Einzelfall bleiben, auch wenn der Fokus des Quartetts natürlich im Thrash bleibt. Aber so taugen beispielsweise Heathen oder Artillery eher zum Vergleich als die übliche Kreator-Destruction-Sodom-Schiene, die man sonst aus Deutschland zu erwarten pflegen würde, und wenn man die Gitarrenleads noch einen Deut besser aus dem insgesamt nicht schlechten, aber vom Idealzustand durchaus noch etwas entfernten (und ziemlich lauten) Klanggewand hätte heraushören können, man hätte den melodischen Faktor vielleicht noch etwas höher werten können. Dafür überzeugen Dust Bolt im sportlichen Faktor: Der Rezensent hat ja nun schon Hunderte, wenn nicht Tausende Metalbands live gesehen, aber eine Truppe, die derart viel auf der Bühne herumrennt, trotzdem präzise spielt und keinen (Backing-)Vokaleinsatz verpaßt, hat er noch nicht gesehen. Bewundernswerterweise schaffen es die Landshuter außerdem, sich trotz der kleinen Bühne nicht gegenseitig über den Haufen zu rennen, und daß sich der Sänger/Gitarrist mal mit seinen Haaren in den Gitarrenwirbeln verfängt, bleibt angesichts der wilden Bangaktivitäten (alle vier haben teils sehr lange Matten) erstaunlicherweise ein einmaliger Ausnahmefall. Und noch ein Kuriosum: Der Drummer entfacht seinen phasenweisen Orkan hinter einem für Genreverhältnisse winzigen Drumkit mit nur einer Bassdrum und auch ansonsten sehr spartanischer Ausstattung. Da sind offensichtlich absolute Könner am Werk, die auch das Leipziger Publikum zu begeistern wissen, mit "Toxic Attack" einen knackigen Schlußpunkt unter einen aus purer Energie (wenngleich in unterschiedlichen Kanalisierungsformen) bestehenden Set setzen und natürlich ebenfalls zu einer Zugabe überredet werden: "Agent Thrash" bringt das Selbstverständnis der Band auf den Punkt, wenngleich nicht als komplette Stilzusammenfassung, und setzt einem starken Konzertabend das Sahnehäubchen auf.

Setlist Dust Bolt:
Intro
Soul Erazor
Awake The Riot
Violent Abolition
Beneath The Earth
Pleasure On Illusion
Living A Lie
Drowned In Blind Faith
Impro
Worlds Built To Deceive
Children Of Violence
You Lost Sight + Distant Scream (Outro)
Toxic Attack
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Agent Thrash



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