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Tank86, Watered, Blood Runs Deep   20.02.2015   Leipzig, Bandhaus
von rls

Underground ist im Falle des Leipziger Bandhauses wörtlich zu nehmen: Der Konzertraum des Gebäudes, in dem sich ansonsten eine Fülle von Bandproberäumen verbirgt, befindet sich im Keller und ist trotz eines nicht mal richtig eisigen Winters so kalt, daß selbst der Rezensent, der nicht zu den kälteempfindlichsten Personen gehört, seine Jacke doch lieber anläßt, zumal die drei Bands des Abends auch nur bedingt Gelegenheit bieten, durch etwaiges Schwingen des Tanzbeins die Körpertemperatur nach oben zu treiben.
Auf der Bühne scheint es unter den Scheinwerfern allerdings wärmer zu sein, denn Blood Runs Deep agieren kurzärmlig, obwohl sie durchaus nicht sonderlich bühnenbewegungsaktiv sind. Das liegt zum einen daran, daß wenig Platz ist, zum anderen aber auch daran, daß sie Doom spielen, wenngleich keinen Funeral Doom, wie man anhand des extrem trägen Intros noch hätte vermuten können. Für Doom-Verhältnisse agieren sie sogar relativ flott, auch wenn man sich wünschen würde, daß sie noch etwas stärkere Tempovariationen einbauen würden, da sich die meisten der sieben gespielten Songs doch etwas ähneln. Ab Song 3 bekommt man dann auch den Keyboarder gelegentlich zu hören, dessen Beiträge zweifellos der Band eine gewisse originelle Note verleihen. Finden sich vor allem anfangs noch gelegentlich Black-Sabbath-Anklänge, so treten diese im Verlauf des Sets immer weiter in den Hintergrund, selbst wenn die Schweizer es fertigbringen, ihr aktuelles Album "Into The Void" zu nennen. Dessen Titeltrack ist nämlich keine Sab-Coverversion, sondern ein eigenes Werk, das an Position 5 erklingt und den Schlußteil des Sets einleitet, in dem die Band immer atmosphärischer musiziert und letztlich irgendwo bei einer Metalversion von Pink Floyd ankommt. Der auch Baß spielende Sänger sieht wiederum ein bißchen wie Peter Steele aus, klingt aber knurrig wie Lemmy, wobei er im ansonsten bis auf die schwer hörbaren Keyboards klaren, ausgewogenen und angenehm bemessenen Sound auffällig in den Hintergrund gemischt worden ist. Der Drummer entpuppt sich als Showtyp, dessen Arm-Hochreckarbeit auch zu viel lebensfroheren Bands passen würde, und das ganze Gemisch mundet den Leipzigern durchaus, auch wenn die Publikumskopfzahl bei überschaubaren 30 bis 40 verharrt und unklar ist, wie viele davon schon einen der beiden früheren Auftritte des Schweizer Quartetts in der Messestadt gesehen haben.
Watered waren unlängst mit Ahab auf Tour, aber auch sie spielen keinen Funeral Doom, sondern Postrock, auch wenn der im zweiten der insgesamt fünf urlangen Songs tatsächlich häufig in Kriechgeschwindigkeit vorgetragen wird, wobei das Intro mit seinem Elektrosample eher Erinnerungen an Tiamat in der "A Deeper Kind Of Slumber"-Phase oder diverse andere Bands der gleichen Stilistik aufkommen läßt. Das Material entpuppt sich allerdings als äußerst vielschichtig, wobei oftmals Halbakustikpassagen zum Einsatz kommen, die beispielsweise den letzten Song, den Titeltrack des Debütalbums "To Those Who Will Never Exist", weitgehend prägen. Nur für einen Einsatz in selbigem Song (und die Ansage vor ihm) steht ein Mikrofon vor dem Bassisten, und im Songfinale erklingt verzweifeltes Gekreisch, während das komplette sonstige Material instrumental bleibt. Das Finale des Setopeners wiederum hat bewiesen, daß das Karlsruher Quartett durchaus auch gerade Vierviertelbeats spielen kann, wenn es denn will. Das Material ist gerade in harmonischer Hinsicht ziemlich interessant (wobei der klare und transparente Sound beim Analysieren enorm hilft) und gibt neben den beiden Gitarristen auch dem Bassisten bisweilen Gelegenheit, mit technischen Kabinettstückchen zu glänzen. Zudem schaffen es Watered, trotz beträchtlicher Songlängen (oder auch wegen ihnen und der damit verbundenen Zeit, Ideen konsequent zu entwickeln) eine enorme Spannung zu erzeugen, die das Publikum ergreift und sich in befreiendem Applaus entlädt, auch wenn die Band die Songs mit Ausnahme des letzten unmittelbar an den jeweiligen Vorgänger anschließt. Zum Schluß erzeugen die drei Saitenartisten eine Geräuschkulisse und stöpseln dann alle gleichzeitig ihre Instrumente aus, wozu im gleichen Moment das Licht ausgeht - ein passender Effekt als Abschluß eines sehr starken Gigs.
Danach hätte es jede Band schwer gehabt, und Tank86 schaffen es letztlich auch nicht ganz, dieses Niveau zu halten oder gar noch zu toppen - aber auch sie liefern einen richtig guten Auftritt ab, der sich auch stilistisch gut ins Gesamtbild des Abends einfügt, auch wenn die Holländer wiederum ihr eigenständiges Süppchen kochen: Sie mixen Postrock mit Stoner Rock zu einem hochgradig interessanten Gebräu und verzichten dabei komplett auf Gesang. Das könnte über die Distanz eines vollen zweistündigen Headlinergigs vielleicht zu Aufmerksamkeitsdefiziten im Publikum führen, aber die sieben Songs des regulären Sets an diesem Abend werden definitiv nicht langweilig, zumal das Quartett nicht vergißt, die Songs mit eingängigen und wiedererkennbaren Passagen zu strukturieren. Zudem gibt es hier und da Gelegenheit, in geradlinigeren Passagen das Tanzbein zu schwingen, wobei man freilich mit dem Material bereits vertraut sein sollte, um das Bewegungsmuster beim nächsten Break rechtzeitig umzuschalten (der Rezensent versucht zudem einige der komplizierteren Abläufe nachzuvollziehen, was ihn allerdings an die Grenzen seines Rhythmusgefühls bringt). Auch hier sind zwei Gitarristen am Start, die im Bühnenbild den mittig plazierten Bassisten flankieren, welcher die Rolle des Showtyps zu übernehmen hat. Tank86 können die große Intensität von Watered nicht ganz reproduzieren, aber Unterhaltungswert hat auch ihr Auftritt definitiv, zudem abermals bei gutem und klarem Sound. Auf Ansagen verzichtet die Band gleich ganz, sondern kündigt nur zwischen Song 5 und 6 "We have two more" an, aber das Publikum verlegt sich dann halt auf informelle Kommunikation und gibt sich letztlich ohne eine Zugabe nicht zufrieden. Ein interessanter Gig, der durchaus mehr Zuspruch verdient gehabt hätte, und überhaupt ist der Veranstaltungskalender, den man auf www.bandcommunity-leipzig.de findet, derzeit mit vielversprechenden Events sehr gut gefüllt.



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