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von ta

AHAB: The Giant   (Napalm Records)

"The Pacific", der zweite Track von Ahabs Debüt "The Call Of The Wretched Sea", beginnt mit einem einfachen Schlagzeugrhythmus: Bumm-Tschak-Bumm-Tschak in Valiumtempo, ohne Variation und mit viel Hall. "Aeons Elapse", der zweite Track von "The Giant", dem hier vorliegenden dritten Album der Band, endet mit einem einfachen Schlagzeugrhythmus, immer noch langsam, aber verspielter, mit unauffälligen Akzenten neben den Zählzeiten, betonten und unbetonten Schlägen. Der Unterschied zwischen dem Sound, mit dem Ahab sich einen Namen verschafften, und dem Sound, den ihr drittes Album präsentiert, verdichtet sich in diesen zwei Schlagzeugsoli. Dort und damals mächtiger, monolithischer Funeral Doom, hier und heute ein Formexperiment aus Doom und Post Rock. "The Giant" führt den mit "The Divinity Of Oceans" eingeschlagenen Kurs fort, ist noch progressiver und melodiöser, aber auch konzentrierter. Die streckenweise ausufernde Melodiösität von "The Divinity of Oceans" wurde zurückgeschraubt zugunsten überschaubarer Strukturen. Die Songs sind allesamt ähnlich aufgebaut, mit Wechseln aus Gesang und Geröchel, ruhigen Momenten und Momenten des Aufbruchs. Die Kälte und Zerstörung aus dem Funeral Doom verteilen sich auf Passagen u.a. im erwähnten "Aeons Elapse" und in "Deliverance", sind aber im Gesamtbild merklich zurückgetreten. Stattdessen dominieren erhabene wie klagende Melodien, Wärme. Daniel Droste singt inzwischen mehr, als er grunzt und die Grundstimmung ist elegisch, nicht böse.
"The Giant" ist ein Album der Wechsel. "Antarctica The Polymorphess" beginnt mit einem lupenreinem Post-Rock-Thema, sphärisch und luftig, wird rapide unterbrochen von dunklem, langsamem Grunzdoom und mündet in ein ausschweifendes zweistimmiges Lamento, das melodisch nicht zufällig an neue Enslaved erinnert, denn deren Herbrand Larsen wirkt hier ebenso wie im Titeltrack als Gastsänger mit. Trotz der der starken dynamischen Unterschiede wirkt das Lied nicht zerrissen, da die einzelnen Teile stimmungstechnisch aneinander angeglichen wurden. Der Doom ist wärmer, weniger destruktiv als auf dem Debüt und der Post Rock fokussierter, weniger verträumt, als bei, sagen wir, Mogwai. Und das gilt für das ganze Album.
Auch textlich macht "The Giant" einen weiteren Schritt nach vorne. Während das Debüt auf Melvilles Ahab-Roman beruhte und der Zweitling auf der Geschichte des Walfangsegelschiffs Essex, löst sich "The Giant" vom Walfangthema, verbleibt aber im nautischen Bereich. Arthur Gordon Pym, der Protagonist des einzigen und gleichnamigen Romans von Edgar Allan Poe, ist ein getriebener Geist, der das Abenteuer auf See sucht. "The Giant" erzählt seine Geschichte nach, stets aus der Sicht des Arthur Gordon Pym und mit subtilen intertextuellen Verweisen auf das zugrunde liegende Poe-Werk. Poes Vorwort mit seinem Spiel zwischen Autorfiktion und Autobiographie wird im Opener "Further South" aufgenommen ("I'm Arthur Gordon Pym/Or is he me?") und die Geschichte des Pym wird als Geschichte der Selbstbehauptung angesichts des Horrors der gewaltigen See erzählt, voller lyrischer Finesse und mit kleinen doppelsinnigen Anspielungen auf den Doom - "Fathoms deep below/Doomwards let us row!" Poesie, Dunkelheit, Intertextualität und Humor treffen hier in einer Form aufeinander, die weit über das hinausgeht, was man lyrisch im Doom Metal ansonsten im Gros der Fälle geboten bekommt. Exorbitant.
Wie lautet das Abschlussurteil? "The Giant" ist wie bereits sein Vorgänger kein einfaches Album, fordert Geduld und Scheuklappenfreiheit ein. Belohnt wird beides mit einem stimmungsvollen Grenzgänger, der allerdings nicht die Vielfalt von "The Divinity Of Oceans" erreicht. Unter progressiven Gesichtspunkten ziehe ich den Vorgänger deshalb vor und unter doomigen ohnehin das Debüt. "The Giant" ist dennoch ein absolut beeindruckendes, entdeckenswürdiges Werk und im Zusammenspiel aus Musik und Texten überdurchschnittlich. Das limitierte Digipack enthält übrigens mit dem zähen "Time's Like Molten Lead" noch einen lohnenswerten Bonus Track.
Kontakt: www.ahab-doom.de, www.napalmrecords.com

Tracklist:
1. Further South
2. Aeons Elapse
3. Deliverance (Shouting At The Dead)
4. Antarctica The Polymorphess
5. Fathoms Deep Below
6. The Giant
7. Time's Like Molten Lead (Bonus Track)



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