www.Crossover-agm.de AHAB: The Divinity Of Oceans
von ta

AHAB: The Divinity Of Oceans   (Napalm Records)

Mit "The Call Of The Wretched Sea" haben Ahab im Jahr 2006 ein Meisterstück des Funeral Doom hingelegt: Bosheit, Schwere, Düsternis traf auf schöne, melancholische, erhabene Melodien, und ein originelles Konzept rund um die Jagd auf das aggressiv gesinnte Wassertier Moby Dick gab es obendrauf. Das konnte man in der Gesamtbetrachtung nicht 100%ig ernst nehmen, dafür reicht ein Blick auf den überdrehten Webseiten-Auftritt der Band, aber auch dieses Kokettieren mit einem gewissen Witz machte Ahab so gut. Um die Band entwickelte sich schnell ein regelrechter Kult - in dem Maße zumindest, wie es in der kleinen Doom-Szene eben möglich ist. Man durfte deshalb überaus gespannt sein auf den Nachfolger von "The Call Of The Wretched Sea".
Ahab ließen sich drei Jahre Zeit für diesen Nachfolger, aber das ist für Doom-Verhältnisse natürlich nichts (man denke etwa an die acht Jahre, die Solitude Aeturnus für den Nachfolger von "Adagio" brauchten) und hier ist er nun. Die ersten Hördurchläufe des knapp 68minütigen "The Divinity Of Oceans" gestalteten sich etwas schwierig, denn Ahab sind nicht auf Nummer sicher gegangen, d.h. es gibt keine Zweitauflage des Debüts. Im richtigen Jargon: Ein Kurswechsel fand statt, und zwar in Gewässer, die einerseits schön sind, sich andererseits aber auch sehr unvorhersehbar verhalten können. Wo fange ich an? Der Bosheitsfaktor wurde merklich zurückgeschraubt: Die fiesesten Riffs, wie etwas das Einstiegsriff des Titeltracks "The Divinity Of Oceans", wären auf dem Vorgänger noch als mittelfies durchgegangen. Dafür hat die Menge an erhabenen Gitarrenmelodien merklich zugenommen. Am weitesten lotet hier "Redemption Lost" die musikalischen Grenzen aus, das sich fast drei Minuten in wunderbaren Spielereien auf einem sphärischen Akkordteppich ergeht, bevor überhaupt der Gesang einsetzt. Womit das zweite Stichwort gefallen ist: Daniel Droste singt. Nicht immer, aber immer öfter. Die Stellen mit Klargesang, die auf "The Call ..." nur als kleine Ergänzung zum kellertiefen Geröchel an ein, zwei Stellen auftauchten, gibt es hier in jedem Song zu bewundern und sie sind als völlig gleichberechtigt zu den Grunzpassagen anzusehen. Die Bandbreite der Stimmungen hierbei ist hoch, selbst vor zweistimmigen Passagen wird nicht zurückgeschreckt (höre "O Father Sea"). Und es funktioniert einwandfrei: Nichts wirkt gekünstelt, nichts auf Zwang gesungen, sondern eben so, wie die entsprechende Stelle es verlangt. Das wiederum liegt daran, dass auch der instrumentale Unterbau entsprechende Erweiterungen erfahren hat: Die Bassarbeit ist komplexer geworden. Die Schlagzeugarbeit ist komplexer geworden und reicht von verspielten Toms bis in Doublebassgewitter. Typische Funeral-Doom- oder auch nur Doom-Riffs machen schätzungsweise die Hälfte der Platte aus (auf dem Vorgänger waren es an die 100%) und sind am konzentriertesten versammelt in "Tombstone Carousal", das denn auch stilistisch am ehesten an den Vorgänger anschließt. Daneben gibt es aber eben auch mehr melodiöses Breitwandriffing, das stilistisch schwer zu beschreiben ist: Es erinnert an Primordial und an Devin Townsend zu "Terria"-Zeiten, ist aber doch etwas völlig anderes. Außerdem hat neben der bereits benannten erhöhten Soloarbeit auch der Anteil unverzerrter Passagen zugenommen, so dass es in jedem Song ruhige Momente gibt, die - teilweise von Wah-Wah-artigen Effekten unterstützt - sehr malerisch ausfallen. Man glaubt förmlich den leichten Wellenschlag gegen den Schiffsbug plätschern zu hören.
Natürlich führt der Kurswechsel nicht in völlig fremde Gewässer. Die Songs sind immer noch überlang, das Grundtempo ist immer noch schön langsam und wenn das hier in irgendeine Schublade gehört, dann ist es die Doom-Schublade und keine sonst. Sie ist halt heute nur nicht mehr als eine Groborientierung. Auch die Texte spiegeln die Teiländerung wieder: Das Grundthema - Meer und Walfang - ist erhalten geblieben, aber heuer wird nicht Melvilles Geschichte von Kapitän Ahab, sondern die (Melville zugrunde liegende) Geschichte der Essex erzählt, eines Walfangsegelschiffes, das am 20. November 1820 von einem Pottwal attackiert wurde, schließlich unterging und die Mannschaft in einen monatelangen Überlebenskampf auf den Walfängerbooten führte. Kein einfacher Stoff, der lyrisch hervorragend umgesetzt wurde.
Fazit: Ahab gehen anno 2009 offener, progressiver vor und deshalb ist "The Divinity Of Oceans" nicht so beklemmend und monolithisch ausgefallen wie "The Call Of The Wretched Sea", wozu auch die etwas erdigere und weniger gewaltige Produktion passt. Aber nach den ersten Hördurchläufen und der damit verbundenen Phase der Angewöhnung erkennt man: Auf die ihm eigene Weise ist dieses Album genauso gut wie sein Vorgänger.
Kontakt: www.ahabdoom.de, www.napalmrecords.com

Tracklist:
1. Yet Another Raft Of The Medusa (Pollard's Weakness)
2. The Divinity Of Oceans
3. O Father Sea
4. Redemption Lost
5. Tombstone Carousal
6. Grawing Bondes (Coffin's Lot)
7. Nickerson's Theme



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