www.Crossover-agm.de
Epica, Dragonforce   19.01.2015   Leipzig, Hellraiser
von rls

Ein eher traditionell orientiertes Metalkonzert in Leipzig an einem Montag, noch dazu mitten im nominellen Winter anzusetzen zeugt von Wagemut - aber der wird im vorliegenden Fall belohnt: Der große Hellraiser-Saal ist gut gefüllt, zumal etwaige Wintereinbrüche samt schwieriger Straßenverhältnisse, die den überregionalen Teil der Zielgruppe am Kommen hätten hindern können, ausbleiben. Suboptimal ist allenfalls mal wieder das Zeitmanagement: 20 Uhr lautet die laut Homepage verbriefte Startzeit, aber als der Rezensent 20.10 Uhr eintrifft, ist von der ersten Supportband Diablo Blvd. schon längst nichts mehr zu sehen, und wenige Minuten später steigen bereits Dragonforce auf die Bühne. Auch die bereiten den Anwesenden erstmal eine Überraschung, denn sie rücken nur in Quintettbesetzung an - Keyboarder Vadim sieht Vaterfreuden entgegen, und der Rest der Band entschloß sich, keine Aushilfe anzulernen, sondern einen Teil der Keys vom Band kommen zu lassen und diverse Soli kurzerhand auch noch auf die Gitarren zu übertragen. Das Konzept funktioniert erstaunlich gut, und auch die Setdramaturgie paßt: Dragonforce haben ja schon vor geraumer Zeit erkannt, daß ständige Überschallgeschwindigkeit auf Dauer ihren Effekt verliert, und so folgt auch an diesem Abend dem Speedorkanopener "Fury Of The Storm" erstmal das deutlich langsamere "Three Hammers", wenngleich "langsam" bei Dragonforce natürlich immer noch relativ zu sehen ist. Aber auch "Cry Thunder" steht (als einziger Beitrag des Vorgängeralbums "The Power Within") im Set, und dieser Stampfer ist bekanntlich das Langsamste, was Dragonforce je geschrieben haben. Bis er (an Setposition 5) erklingt, hat sich der anfänglichen Euphorie (die Spielfreude der Band ist durchaus dazu geeignet, den geneigten Anhänger zu erinnern, wie lebensbejahend melodischer Speed Metal doch sein kann) ein Wermutstropfen beigemischt: Zwar hat es der Soundmensch bei "Three Hammers" geschafft, die leichte Matschigkeit des Klangbildes zu beseitigen, aber dafür dreht er ab dem dritten Song "The Game" die Bassdrums so weit (und künstlich) hoch, daß sie sich wie Maschinengewehrfeuer anhören. Das mag zu einer Band wie Fear Factory passen, aber an diesem Abend verdirbt es die Freude nachhaltig, und man atmet regelrecht auf, wenn der neue Drummer der Band diesen Teil seines Instrumentes sparsamer einsetzt, zumal man im Sperrfeuer auch die Leadgitarren nicht mehr so richtig heraushören kann. Schade drum, denn ansonsten stimmt der Gesamteindruck mehr als positiv, und auch der mittlerweile nicht mehr ganz so neue Sänger erledigt einen prima Job. Dreimal bedenken Dragonforce ihren Albumneuling "Maximum Overload", vier weitere Alben dürfen je einen Song beisteuern, wobei "Valley Of The Damned" alle Ur-Fans beglückt und "Through The Fire And Flames", der wohl bekannteste Song der Band, den Set auf hohem bis höchstem Niveau abschließen würde - wenn da nicht diese Drums wären ...
Auch Epica haben ein neues Album zu betouren, und "The Quantum Enigma" stellt folgerichtig vier Beiträge im Set, darunter mutigerweise auch "Unchain Utopia" als zweite Zugabe - in diesem Block neue Songs zu bringen ist ja doch eher ungewöhnlich, selbst wenn beispielsweise Nightwish das regelmäßig vorexerziert haben. Das Stichwort Nightwish ist ein gutes, denn Epica siedeln bekanntlich gleichfalls im sinfonischen Metalbereich mit Frontfrau, allerdings in einer etwas anderen Nische. Die Grundhärte ist deutlich größer, und die Songs werden viel stärker von der Gitarre her gedacht, was auch nicht verwundert, da eben nicht der Keyboarder als Hauptsongwriter fungiert. Quasi-Hits Marke "Nemo" gibt es im Epica-Schaffen bisher auch keine, obwohl eingängige Refrains durchaus kein Fremdwort im Schaffen der Holländer darstellen. Sonderlich groß ist die Eingängigkeit des Materials freilich auch nicht, zumindest auf den ersten Höreindruck nicht, den der Rezensent an diesem Abend in einigen Fällen bekommt (er hat nicht alle Epica-Werke in seiner Sammlung stehen). Zudem sieht er die Band zum ersten Mal live, kann also keine Direktvergleiche mit anderen Gigs ziehen, im Gegensatz zu einem weiteren Anwesenden, der bekundet, die Band schon in besserer Verfassung erlebt zu haben. Das wird neben dem nicht immer optimalen Sound (auch wenn zumindest das Maschinengewehr-Problem verschwunden ist) partiell an Sängerin Simone liegen, denn die schleppt eine Erkältung mit sich herum und ist stimmlich daher nicht gerade hundertprozentig fit - aber sie kämpft sich tapfer durch den Set, verschwindet während längerer Instrumentalpassagen hinter der Bühne und freut sich, daß sie aus dem Auditorium viel gesangliche Unterstützung bekommt (wobei sich Mitsingspielchen hier übrigens nicht auf das übliche Lalala beschränken, sondern längere und durchaus komplexere Textzeilen beinhalten). Trotzdem: Wenn man hört, wie sie schon in "The Essence Of Silence" in der Höhe zu kämpfen hat, bekommt man Zweifel, a) ob sie das Konzert durchhält und b) ob am Folgetag der (ausverkaufte!) Prag-Auftritt stattfinden kann. Beide Punkte können aber mit Entwarnung bedacht werden, und mit ihren Ansagen in charmantem Deutsch (sie ist ja bekanntlich mit einem Deutschen, nämlich Kamelot-Keyboarder Oliver Palotai, verheiratet) weiß die rotmähnige Niederländerin natürlich ganz besonders zu punkten. Irgendwie macht sich am Ende der letzten Zugabe "Consign To Oblivion" doch Erleichterung breit, daß sie es geschafft hat, auch wenn gerade hier die Stimme nochmal sehr wackelt. Bisweilen übernehmen die Bandkollegen Teile der Ansagen, um ihre Stimme zumindest ein wenig zu schonen, und der ganze Trupp stellt sich dabei als durchaus witzig heraus (der Keyboarder rennt übrigens in einigen Songs mit einem tragbaren Keyboard über die Bühne, und zwar nicht etwa in klassischer Keytar-Form, sondern bogenförmig). Aber all das wäre nichts wert, würde das Songmaterial nicht stimmen. Zum Glück versagen Epica auch hier nicht, verstecken keinen einzigen Durchhänger im Set und punkten beim Rezensenten besonders mit dem mächtigen Epos "The Phantom Agony" vom gleichnamigen Album, das den regulären Set abschließt, bevor wie erwähnt noch drei Zugaben ausgepackt werden und das Publikum überwiegend gut gelaunt in die noch junge Nacht entschwindet (das ist der unbestreitbare Vorteil eines frühen Konzertbeginns - der arbeitende Teil der Konzertbevölkerung ist relativ zeitig wieder zu Hause).



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver