www.Crossover-agm.de DRAGONFORCE: The Power Within
von rls

DRAGONFORCE: The Power Within   (Electric Generation Records)

Der König ist tot, es lebe der König? Naja, fast. Daß ausschließliche Höchstgeschwindigkeit mit der Zeit ihren überwältigenden Effekt verliert, der durch ein paar geschickt eingeflochtene langsamere Passagen wieder hergestellt werden kann, haben Dragonforce bereits vor einiger Zeit kapiert, und die mit Abstand schnellste Band im melodischen Speed Metal sind sie locker immer noch - klassische Songs dieser Sparte mit Blastbeats zu unterlegen traut sich bisher immer noch niemand anders. Trotzdem verwundert der Fakt doch ein wenig, daß sie als Downloadsingleauskopplung ihres fünften Albums "The Power Within" nun ausgerechnet "Cry Thunder" gewählt haben, den mit Abstand langsamsten der neun regulären Songs, nämlich einen locker-gelösten Midtempostampfer. Aber andererseits ist das schon vor vielen Jahren eine gängige Strategie im Hardrock und Melodic Metal gewesen, einen eher untypischen Track, nämlich weiland die Ballade des Albums, auszukoppeln, um damit möglicherweise neue Hörerschichten anzusprechen. Freilich ist das nicht die einzige Neuerung auf "The Power Within". Die eine hat freilich so gut wie keinen Einfluß ausgeübt: Sänger ZP Theart nahm bekanntlich anno 2010 seinen Hut, und an dessen Stelle ist ein Nobody namens Marc Hudson getreten, für den selbst die Encyclopedia Metallum keinerlei Ex-Bands angibt - aber der erledigt einen exzellenten Job sowohl in den allerhöchsten Bereichen als auch, wie etwa "Give Me The Night" demonstriert, eine oder gar zwei Oktaven tiefer, und auch im balladesken Bereich weiß er zu berühren, wie man im Intro von "Wings Of Liberty" hört. Im Kreise dieser Ausnahmekönner fällt er also keineswegs nach unten durchs Sieb. Als weitere Neuerung fällt allerdings auch eine geringfügig kompaktere Inszenierungsweise der Songs auf: Gab es früher kaum einen Dragonforce-Song mit weniger als fünf Minuten Spielzeit, so stellen diese fünf Minuten auf "The Power Within" den Durchschnitt dar, und da etwa "Wings Of Liberty" knapp siebeneinhalb Minuten dauert, bedeutet das im Umkehrschluß das Vorhandensein auch kürzerer Songs. Tja, und dann wäre da noch der reine Geschwindigkeitsfaktor. Song 10, eine Akustikfassung von "Seasons", muß da außerhalb der Betrachtung bleiben, aber auch wenn man die neun regulären Songs hernimmt, tritt das Stilmittel der Blastbeats nur noch in sehr überschaubarer Dosis auf und sind das speedige Stakkato und das schnelle Ufta-Ufta zu den nunmehr dominierenden Tempi geworden. Daraus erschließt sich die einleitende Feststellung, Dragonforce seien immer noch die Schnellsten im Rund des Stils, und die wird auch nicht durch "Cry Thunder", das sehr tempovariable "Wings Of Liberty" und das für Dragonforce-Verhältnisse auch noch eher gemäßigte "Seasons" ad absurdum geführt. Aber das Stilmittel der Differenzierung setzt die Band diesmal deutlich stärker ein; ob da der sonst ebenfalls mit eher differenziert agierenden Musikern arbeitende Karl Groom einen Einfluß ausgeübt hat, in dessen Studio die Band aufgenommen hat und der auch für den Mix hauptverantwortlich war, kann nur vermutet werden. Fakt ist, daß Fans, die ausschließlich die reine überwältigende Wirkung früherer Dragonforce-Alben, die wie eine riesige Welle auf einen zurollten und einen dann verschlangen, schätzten, möglicherweise ein Problem mit dem neuen Album haben werden. Das Intro von "Fallen World" greift dieses tsunamiartige Stilmittel noch einmal auf, aber es soll in der Gesamtbetrachtung eher selten bleiben, und so erinnert "The Power Within" eher an einen Tsunami, den man von einem sicheren Standplatz aus beobachtet, ohne selbst von ihm erfaßt zu werden. Diese Herangehensweise wiederum könnte Dragonforce eine Legion neuer Fans bescheren, und wer ganz einfach Spielfreude, Power und starke Melodien schätzt, bekommt keinerlei Grund, Dragonforce die Freundschaft zu kündigen - im Gegenteil: Hat man sich erstmal in das neue Material eingehört (manche Idee rauscht tatsächlich bei den ersten Hördurchläufen noch durch und erschließt sich erst später), kann man es richtig liebgewinnen und stellt dann sogar fest, es mit einem der begeisterndsten Alben des Jahrgangs 2012 zu tun zu haben, wo nur das etwas einfallslose Cover nicht richtig mithalten kann. Dafür bekommt man im Booklet außer den Lyrics auch noch jeweils einen Sinnspruch zum Inhalt geliefert, und mit "Die By The Sword" begeben sich Dragonforce textlich sogar auf geheiligtes Manowar-Territorium, schlagen sich aber auch dort glänzend, zumal musikalisch hier wie auch sonst exzellenter Melodic Speed drunterliegt, bei dem es auch in klassischer Metal-Tradition wichtig ist, wer welches Solo spielt, weshalb auch diese Information im Booklet nicht fehlt. Der König ist tot, es lebe der König? Naja, fast, wie gesagt: Auch "langsamere" Dragonforce können noch exzellente Dragonforce sein.
Kontakt: www.dragonforce.com, www.essential-music.com

Tracklist:
Holding On
Fallen World
Cry Thunder
Give Me The Night
Wings Of Liberty
Seasons
Heart Of The Storm
Die By The Sword
Last Man Stands
Seasons (Acoustic Version)
 




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