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Axel Rudi Pell, Mad Max   21.10.2012    Leipzig, Hellraiser
von rls

Touren mit mehreren Armen in ein und demselben Territorium sind mittlerweile gang und gäbe, und auch Axel Rudi Pell befleißigt sich einer solchen Kombination. Im Gegensatz zu beispielsweise J.B.O., die fast parallel im Frühjahr und Herbst 2012 ihre Tourarme absolvieren, greift der Ruhrpöttler allerdings damals wie heute auf die gleiche Vorband zurück, und Mad Max sind als Pell-Supports auch keine Neulinge, denn bereits zu "White Sands"-Zeiten waren beide Acts gemeinsam unterwegs gewesen, und Pell hatte zudem auch schon als Studiogast seine Visitenkarte bei Mad Max abgegeben. Mit nur unwesentlicher Verspätung entert das Quartett die Bühne im für ein traditionelles Hardrockpackage ordentlich gefüllten Hellraiser (man erinnere sich: Der Anhänger traditionellen Hardrocks ist in Leipzig eine vom Aussterben bedrohte Spezies) und gibt mit "Burning The Stage" ein gutes Motto vor, dessen Grenzen quasi von den beiden folgenden Songtiteln "Welcome To Rock Bottom" und "Metal Edge" markiert werden. Heißt: Mad Max agieren irgendwo zwischen Hardrockwurzeln und leichter Melodic-Metal-Kante, variieren gekonnt das Tempo von balladesker Andeutung bis zum Flottbeat und überzeugen durch Spielfreude und gute technische Leistungen. Speziell Sänger Michael Voss macht eine exzellente Figur, und obwohl er sich zumeist in relativ "normalen" Lagen aufhält, beweist er an einigen Stellen auch, daß er immer noch sirenenhafte Höhen zu erreichen imstande ist. Zudem spielt er auch fast alle Leadgitarren, widmet sein angenehm kompaktes Gitarrensolo dem anno 2011 verstorbenen Gary Moore (von dem er dort auch einige Stilelemente anklingen läßt) und feuert das gut gelaunte Publikum immer wieder an. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, er wäre ein perfekter Ersatz für Michael Sweet bei Stryper, wenn der mal wieder eigene Wege gehen sollte, und generell hätte mancher Song im Mad-Max-Repertoire auch von Stryper geschrieben werden können, zumal sich Bassist Roland Bergmann auch als passabler Backingsänger erweist, ergo mit Stryper-Chören sicher auch kein Problem hätte. Die Setlist umfaßt neue Songs ebenso wie Material aus der frühen, in den Achtzigern befindlich gewesenen Schaffensperiode, unter denen das packende "Night Of Passion" sicherlich das Highlight darstellt. Keine Ahnung, welcher Teufel die Band geritten hat, das deutlich unauffälligere The-Sweet-Cover "Fever Of Love" als Setcloser zu positionieren und nicht diesen Song oder das ebenfalls hochklassige "Lonely Is The Hunter" (Kollege Georg meint, das sei quasi eine Abwandlung der früheren Praxis, das ebenfalls dem Sweet-Repertoire entstammende "Fox On The Run" als Setcloser zu covern - aber selbst wenn dem so sein sollte: Man muß ja nicht jede Tradition fortsetzen ...). Zusammen mit einigen irgendwie im Nichts endenden Gitarrensoli und dem deutlich zu lange ausgespielten Schlußteil von "Burning The Stage" sind das die einzigen Kritikpunkte an einem ansonsten gelungenen Gig - eine optische Sache muß aber noch angesprochen werden: Wenn man wie Mad Max konsequent auf die musikalische Traditionalistenkarte setzt, wirkt die numetallische Optik von Gitarrist Jürgen Breforth mit seiner Wollmütze irgendwie komisch ...
Setlist Mad Max:
Burning The Stage
Welcome To Rock Bottom
Metal Edge
Wait For The Night
Guitar Solo
Fallen From Grace
Lonely Is The Hunter
Night Of Passion
Fever Of Love

Jürgen Breforth  Michael Voss und Jürgen Breforth

Roland Bergmann  Kunststück: Wie bekomme ich eine komplette Rockband aus kurzer Distanz aufs Bild?

Die Sangesfraktion



Der blonde Gitarrist mit zeitloser und nur geringen Wandlungen unterworfener Wischmopfrisur ...  ... spielt mit seinen vier Kumpanen erstklassigen siebzigerlastigen Hardrock

Der Keyboarder, der rein optisch jede NYHC-Combo fronten könnte  Der schrankartige Bassist mit Bandana

Der völlig harmlos aussehende kurzhaarige Sänger  Der muskelbepackte Drummer mit Irokesenschnitt
Mit der Optik ist's freilich auch in der Band von Axel Rudi Pell so eine Sache: Ein muskelbepackter Drummer mit Irokesenschnitt, ein völlig harmlos aussehender kurzhaariger Sänger, ein schrankartiger Bassist mit Bandana und ein Keyboarder, der rein optisch jede NYHC-Combo fronten könnte, scharen sich seit dem letzten Jahrtausend um einen blonden Gitarristen mit zeitloser und nur geringen Wandlungen unterworfener Wischmopfrisur - und spielen erstklassigen siebzigerlastigen Hardrock. The Mop, äh, Mob rules? Definitiv: Pell und seine blendend aufeinander eingespielten Spießgesellen bringen in ihrem über zweistündigen Set gerade mal neun Songs plus zwei Zugabesongs unter, wobei sie allerdings bisweilen auf Medleys zurückgreifen, auch auf solche eher unvermuteter Zusammensetzung, weil die verschmolzenen Songs einen durchaus verschiedenen Charakter haben, etwa "Mystica", das als Mittelteil Deep Purples "Mistreated" verpaßt bekommt. Trotzdem funktionieren die Mixturen exzellent, wenn man nun nicht gerade traurig ist, daß beispielsweise "Tear Down The Walls" nur die erste Strophe behalten durfte, während das angehängte "Nasty Reputation" in vollem Umfang erklingt. Pells Blackmore-Verehrung klingt in "Mistreated" natürlich am deutlichsten durch, aber auch in vielen anderen Songs entdeckt man Wendungen und Harmonien, die Blackmore ganz ähnlich gestaltet haben könnte - aber der Mann in Schwarz bleibt nicht der einzige an diesem Abend zitierte Musiker: Das große Medley aus "The Masquerade Ball", "Casbah" und "Dreaming Dead" bekommt noch einen Appendix in Gestalt von Led Zeppelins "Whole Lotta Love", und danach zitiert der Gitarrist auch noch das Riff von Black Sabbaths "Heaven And Hell", dem erklärten Vorbildsong von "Dreaming Dead". Und manches "Cover" wird gar spontan intoniert - in den Pausen zwischen den Songs spielen einzelne Musiker immer wieder irgendwelche Themen an, und andere fallen mehr oder weniger gekonnt ein, so daß dann plötzlich etwa Johnny Cashs "Ring Of Fire" von der Bühne erschallt, natürlich zum großen Gaudium des Publikums. Interessanterweise nimmt sich Pell während der Hauptteile der Songs recht bescheiden zurück (er steht fast unauffällig rechts hinten vor den Boxen) und tritt erst zu den Soli ins Rampenlicht, während ansonsten Johnny Gioeli die Bühne dominiert - der Sänger rennt herum, als singe er in einer Hardcoreband, und liefert trotzdem eine erstklassige stimmliche Leistung ab. Bisweilen wirkt er fast übermotiviert, wenn er die Halbballade "Oceans Of Time" beinahe übertrieben durchleidet, den Mikroständer in die Ecke pfeffert oder auch in emotional angespannteren Momenten zum Mitklatschen auffordert - aber das macht er mit sympathischer Nähe wieder wett. Bassist Volker Krawczak, mit dem Pell schon seit Urzeiten Musik macht, sorgt gemeinsam mit Keyboarder Ferdy Doernberg für paßgenaue Backingvocals, wobei Doernberg als Keyboarder erstaunlicherweise eine weniger ausgeprägte Rolle übernimmt als die diversen Blackmore-Sidekicks - auch sein Solo, das in "Carousel" übergeht, wirkt irgendwie eher pflichtschuldig, wogegen Mike Terrana am Schlagzeug auch solistisch zu beeindrucken weiß und im Gegensatz zu den zwölf Minuten bei Rage anno 1999 diesmal auch schneller zum Ziel kommt, wobei er den ersten Teil tatsächlich solistisch spielt, während er im zweiten dann quasi als "Begleitdrummer" vor klassischem Background spielt. Den hätte doch eigentlich Doernberg keyboardsimulieren können ... Sei's drum: Das Publikum ist bester Laune, singt fleißig mit, bekommt nach der erwähnten Doppelzugabe "Tear Down The Walls"/"Nasty Reputation" noch "Rock The Nation" serviert und zieht dann gut gelaunt in die fast spätsommerlich laue Nacht hinaus.

Setlist Axel Rudi Pell:
The Guillotine Suite (Intro)
Ghost In The Black
Strong As A Rock
Before I Die
The Masquerade Ball/Casbah/Dreaming Dead
Drum Solo
Mystica/Mistreated
Oceans Of Time
Circle Of The Oath
Fool Fool
Keyboard Solo/Carousel
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Tear Down The Walls/Nasty Reputation
Rock The Nation

Fotos: sk



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