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J.B.O., Segard   05.10.2012   Leipzig, Anker
von rls

Eigentlich hätte dieses Konzert schon im April 2012 stattfinden sollen, aber eine Erkrankung von Bassist Ralph Bach verhinderte dies, und J.B.O. entschlossen sich, diesen und einige andere Gigs nicht mit einem Ersatzbassisten zu spielen (der gerade gesanglich einige wichtige Passagen zu meistern gehabt hätte), sondern neue Termine ein knappes halbes Jahr später anzusetzen. Dem Publikumszustrom tat dies in Leipzig keinen Abbruch, wie ein sehr gut gefüllter Anker bewies. Davon konnten möglicherweise auch Segard profitieren, zumindest bei dem Teil des Publikums, das sich nicht auf die 21-Uhr-Information, die auf der Homepage des Ankers zu lesen war, verlassen hatte, sondern früher da war. Als der Rezensent nämlich um 21.05 Uhr die Halle betrat, waren Segard längst mit ihrem Set fertig, und wenige Minuten später erklang das bekannte Musikgenesis-Intro, das den Set von J.B.O. einleitete.
Die fränkischen Comedy-Metaller hatten offenbar beschlossen, eine Art Rahmen um ihr Schaffen zu bilden. Heißt praktisch: Betourt wurde das aktuelle "Killeralbum" (weswegen das Ganze natürlich auch "Killertour" hieß), das dementsprechend einige Songs der Setlist stellte, aber die andere Säule des Sets bildete das Frühwerk "Explizite Lyrik", und daß sich dessen Werke nach wie vor einer enormen Beliebtheit beim Publikum erfreuen, ließ sich nicht nur an diesem Abend problemlos feststellen. Freilich sollte man nicht den Fehler begehen, J.B.O. auf ihre frühen, coverlastigeren Werke zu reduzieren, aber das tat das Publikum nicht und belohnte auch den Opener des "Killeralbums", "Dr. Met", mit viel Applaus. Zudem darf die Band sich ein Bienchen für den Mut gutschreiben lassen, das enorm komplexe "Kalaschnikow" in den Liveset aufzunehmen (das ähnlich komplexe, allerdings unernstere "Das vokuhilische Pendel" etwa hatte es nicht in die Setlist der Tour zum "United States Of Blöedsinn"-Album geschafft). Freilich bietet gerade dieser Song einigen Stoff zur visuellen Umsetzung, und diese Gelegenheit nutzte das Quartett natürlich auch weidlich aus, indem es sich hier wie auch sonst öfter zum Sextett erweiterte und seine zwei Helfer als schwer bewaffnete Soldaten, andernfalls aber auch als vollbusige Blondinen oder einfach als Schilderhalter mit den vom Publikum zu singenden Textpassagen (in "Autobahn" und "Ein Fest") in Szene setzte. Ansonsten trat auch dieser Gig wieder den Beweis an, daß man bei J.B.O. auf Konserve wie auch live in schöner Regelmäßigkeit das Hirn ein- und wieder ausschalten darf und halt nur nicht die richtigen Zeitpunkte dafür verpassen sollte, wobei die Definition des richtigen Zeitpunktes je nach persönlicher Konstitution gewissen Schwankungen unterworfen sein kann - dem Rezensenten etwa hat sich auch nach x Jahren nicht erschlossen, was denn an "Bolle" so witzig sein soll, womit er in der Halle freilich weitgehend alleinzustehen schien. Ein allgemeineres Problem dieses Abends bildete dagegen der Sound. Das betraf nicht den der Instrumente (schön klar, nicht zu laut und im Mix durchaus ausgewogen mit nur gelegentlichen leichten Zuordnungsproblemen bei der Lautstärke der Leadgitarren), sondern die Gesangsmikrofone. Daß Ralph Bach kaum zu verstehen war, selbst wenn er eine Ansage machte, scheint ja schon fast ein Running Gag zu sein, aber daß auch Vitos Mikrofon deutlich zu leise eingestellt war und sowohl seine Ansagen als auch zwangsläufig die Dialoge mit Hannes viel von ihrer Wirkung einbüßten, zog manchem Gag den Boden unter den Füßen weg, und auch manche Gesangspassage konnte man eher anhand der persönlichen Textkenntnis als aufgrund des zu Hörenden entschlüsseln. Bei Hannes fiel die Situation etwas besser, aber noch lange nicht zufriedenstellend aus. Gerade bei einer Band wie J.B.O., für deren Wirkung das Verständnis der umgedichteten Coverversionen (und natürlich auch diverser Wendungen in den Eigenkompositionen) ein tragendes Element darstellt, fallen diesbezügliche akustische Probleme natürlich besonders ins Gewicht, so daß man den über zweistündigen Gig zwar problemlos als Basis zum Partymachen nutzen konnte, aber eine tiefere Erschließungsarbeit eher schwierig war. Die gelang dann eher musikalisch mit der Erkenntnis, daß auch manche skurril wirkende Idee wie die, "Älläbätsch" als Mittelteil der "Enter Sandman"-Adaption einzuflechten, durchaus funktionieren kann, während der Geistesblitz, an "Ich vermisse meine Hölle" (worin der von Hannes gespielte Satan schnellstmöglich von der Erde wieder in seine Hölle verschwinden will, weil ihm die Musik der Erdlinge, allen voran die von Modern Talking, so gruselig erscheint - interessanterweise ist das ein Zlatko-Cover, was den Komikfaktor nochmal steigert) zumindest partiell noch das nicht minder schwarzhumorige "Satan ist wieder da" anzuschließen, sich von der allgemeinen Logik her förmlich aufgedrängt hat und man Hannes' diverse Motiveinflechtungen von Slayer auch längst liebgewonnen hat. Die große Village-People- bzw. Pet-Shop-Boys-Adaption "Ein Fest" bildete den bombastischen Setschluß, und die persönliche Trefferquote von drei aus vier im Zugabeblock mit dem manowaresken "Verteidiger des Blöedsinns" als Grande Finale ließ auch den Rezensenten problemlos verschmerzen, daß die bei Manowar entlehnte Bandhymne "J.B.O." im Set fehlte ...

Gefahr von hinten  Rosa Armee Fraktion

Ralph und Vito  Texthilfe

Stilleben mit Drummer  Dr. Met sagt sich an

Einer der beiden Helfer von Dr. Met  Hannes geht in Rauch auf

Der Bassist ölt seine Stimme

Setlist J.B.O.:
Walk With An Erection
Gimme Dope Joanna / Fahrende Musikanten / Autobahn
Dr. Met
Geh' mer halt zu Slayer
Killer
Girls Girls Girls
Mensch ärgere Dich nicht
Arschloch und Spaß dabei
Dadadidadadadei
Im Verkehr
Kalaschnikow
Bimber Bumber Dödel Dei
Ich vermisse meine Hölle/Satan ist wieder da
Gänseblümchen
Ich liebe dir/Nur geträumt
Glaubensbekenntnis
Hose runter!
Fränkisches Bier
Schlaf Kindlein, schlaf (Ällabätsch als Mittelteil)
Mei Alde is' im Playboy drin
Ein Fest
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I Don't Like Metal
Ein guter Tag zum Sterben
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Bolle
Verteidiger des Blöedsinns
Fotos: Heike Kraft



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