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UFO, Warped Cross   27.04.2012   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Schwieriges Zeitmanagement, die 3258.: 21 Uhr soll's losgehen, der Rezensent ist eine einstellige Minutenzahl vorher da, aber als er die Halle betritt, spielt der Support schon mindestens seinen zweiten Song, wobei aufgrund der Länge des noch folgenden Gigs davon auszugehen ist, daß es aber auch nicht viel mehr als der zweite war. Wer da auf der Bühne steht, sind nicht The Wheel, die das Gros der UFO-Tour als Support mitfahren, sondern Warped Cross. Deren einziger am Merchandisingstand erhältlicher Tonträger ist eine Vinyl-Single namens "Wherever I May Doom" - aha, Freaks also, und das wird anhand der Musik auch recht schnell klar. Wobei das Quintett keine Doomband ist, sondern sich eher der Einflußlinie bedient, die von dort zum Ur-Grunge einer Band wie Soundgarden führte, und auch die alten Alice In Chains haben deutliche Spuren im Klang der Band hinterlassen. Dazu kommen etwas Classic Rock (aber nicht so viel wie etwa auf den neueren Werken von Audrey Horne), ein markanter Bluestouch und eine offensichtliche Vorliebe der Gitarristen für alte Helden wie Cream oder Jimi Hendrix, von denen man den einen oder anderen Schmitzer mehr oder weniger augenzwinkernd in den Set einbaut. Der Sänger changiert kompetent zwischen herbem Gebrüll und leidendem Grunge-Pathos, einige zweistimmige Gitarrenparts lassen wohlige Erinnerungen an frühe Cathedral-Zeiten aufkommen, und die Vielseitigkeit der Stücke gerät einerseits nicht zum Selbstzweck, verhindert für den Nichtkenner der Band aber auch das Aufkommen von so etwas wie Wiedererkennungswert, zumal der Sänger seine Ansagen sehr zurückhaltend ins sowieso schon recht leise eingestellte Frontmikro flüstert. Auch die Gitarrenbalance beginnt zum Setende hin zu wackeln, so daß einige der Soli ohne hörbare unterlegte Rhythmusgitarre auskommen müssen, was dem Seventies-Touch der Band freilich keinen Abbruch tut. In den frühen Neunzigern wären Warped Cross prima bei Hellhound Records aufgehoben gewesen, und wer das als Qualitätsmerkmal ansieht, sollte sich näher mit dem altersmäßig scheinbar etwas gemischten deutschen Quintett (der Drummer könnte den Bassisten durchaus zu den Klängen der ersten Soundgarden-Tonzeugnisse gezeugt haben) mal näher beschäftigen. Mehr als Höflichkeitsapplaus ist an diesem Abend für die Band allerdings nicht drin ...
... denn das Publikum wartet sehnsüchtig auf die Landung des UFOs. Die geschieht überraschend holprig: Ein unauffälliges Intro erklingt, die Musiker kommen ebenso unauffällig auf die Bühne, das Intro verklingt ohne große Dramaturgie, und irgendwann legt die Band mit "Mother Mary" los. Zum allgemeinen Leidwesen ist der Sound allerdings unter aller Kanone, sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerraum. Wer wie der Rezensent im Auto gelegentlich noch alte Kassetten hört, wird sicherlich noch eine aktive Erinnerung an das Phänomen der Gleichlaufschwankungen, landläufig auch als Leiern bezeichnet, haben. Solche Gleichlaufschwankungen treten an diesem Abend nun kurioserweise im Livesound auf, allerdings nicht in der Gestalt, daß die Band etwa mal langsamer und mal schneller zu spielen schiene, sondern mit rasch aufeinanderfolgenden Lautstärkeschwankungen. Das klingt mal wie ein Flackereffekt, den man eine Woche zuvor an gleicher Stelle hätte hören können, falls Crematory das Intro von "Dreams" in einer der Studiofassung entsprechenden Version gespielt haben sollten, mal hinterläßt es einfach nur Verwirrung, wenn man Vinnie Moore in einem seiner vielen rasanten Soli vier Noten spielen sieht, aber nur die ersten drei hört, während die vierte akustisch verschwindet. Der Rezensent ist nicht Techniker genug, um zu beurteilen, woran das gelegen hat - er steht allerdings direkt vor dem Mischpult, muß also die gleichen Verhältnisse gehabt haben wie der Knöpfchendreher, der hörbar einige Versuche der Verbesserung unternimmt und in den ersten sechs Minuten von "Love To Love" dann auch ein wunderbar klares Ergebnis hinzaubert. Dabei bleibt's freilich nicht - die letzte Minute dieses Songs endet im Lärm, und danach ist wieder alles so wie in der ersten Konzerthälfte. Schade drum - die Beurteilung von Einzelheiten bleibt da weitgehend auf der Strecke, wenngleich man natürlich trotzdem erkennt, was für ein banddienlicher Könner Moore ist, wie gut Phil Mogg noch bei Stimme ist (weniger rauh als früher, aber vielleicht gerade deshalb gut), eine wie wichtige Rolle Paul Raymond als Gitarrist und Keyboarder spielt (er war übrigens offenbar beim Friseur und hat seinem zeitlosen Topfschnitt noch etwas mehr Volumen verpassen lassen) und wie hervorragend sich Rob De Luca als Vertreter Pete Ways am Baß eingelebt hat. Zusammen mit Raymond singt der Jungspund auch Backings, ist für einen guten Teil der Bewegung auf der Bühne verantwortlich - und am Merchandisingstand gibt es gebrauchte, nein, nicht Unterhosen, sondern Baßsaiten von ihm zu kaufen. Mogg selbst ist guter Laune, ärgert sich nicht mal übermäßig über den miesen Monitorsound (der nach einigen Songs sogar nochmal nachjustiert werden muß), erzählt mehr oder weniger verständliche Witze und wird diesmal von Moore schachmatt gesetzt. Wir erinnern uns: 2010 in Dresden stimmte Mogg einen alten Blues an, aber Moore fand nicht in die kleine Jamsession hinein. Diesmal nun ist Moore der Anstifter solcher kleinen Einlagen, zumeist aus dem Hendrix-Fundus, und Mogg bekommt die Texte nur partiell zusammen. Gute Laune ist also garantiert, und die herrscht auch bei den vorderen zwei Dritteln des Publikums, die sich nicht um die Soundverhältnisse scheren und die Band förmlich frenetisch abfeiern, während der audiophilere Teil der Anwesenden nach hinten oder gleich ganz aus der Halle flüchtet. Spannend ist noch die Setlist - die spricht von großem Selbstbewußtsein: Wer als alte Siebziger-Rockband von den ersten sieben Songs gleich vier vom aktuellen Album nimmt, der beweist Wagemut, aber selbiger wird belohnt: Die neuen Songs vom zwei Monate zuvor erschienenen "Seven Deadly"-Album machen (soweit wahrnehmbar) überwiegend richtig Laune, allenfalls das ebenfalls neueren Datums entsprungene "Venus" (vom 2000er "Covenant"-Album) entspricht der alten UFO-Tradition, in jedem Set mal einen Downer unterzubringen, und "Hell Driver" vom Vorgänger "The Visitor", dort immerhin einer der stärkeren Songs, sieht gegen die meisten der Neuzugänge auch nur bedingt einen Stich. Natürlich wartet man aber besonders auf die Klassiker, und da macht neben dem urlangen "Rock Bottom" besonders die ergreifende Halbballade "Love To Love" Punkte, wenngleich aus dem weiter oben erwähnten Grund nur in den ersten sechs Minuten. Mit den Zugaben "Doctor Doctor" (man vergleiche Moores Version in puncto des Oktavsprungs am Ende des Hauptthemas mal mit der von Michael Schenker auf "One Night At Budokan"!) und "Shoot Shoot" endet ein Konzert, das den Hörer hin und her reißt: Klasseband, Klassesongs, Klassestimmung - aber dieser Sound ...

Setlist:
Mother Mary
Fight Night
Wonderland
Loser
Let It Roll
Mojo Town
Burn Your House Down
Only You Can Rock Me
Love To Love
Hell Driver
Venus
Too Hot To Handle
Lights Out
Rock Bottom
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Doctor Doctor
Shoot Shoot



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