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Gideon   19.11.2011   Chemnitz, Arche
von rls

Quiz: Welche deutsche Rockband ging in der Woche vor dem Totensonntag 2011 ihres langjährigen Frontmanns verlustig? Wer jetzt "Münchener Freiheit!" schreit, verliert - allerdings nur, weil man die trotz kerniger Gigs in der jüngeren Vergangenheit nicht unzweifelhaft ins Rockfach einordnen kann. Gemeint sind Gideon: Heiko Gödel, über 24 Jahre hinweg Sänger, Gitarrist und Chefdenker der Band, hat sich entschlossen, in Zukunft nicht mehr auf der Bühne zu stehen, wird aber hinter den Kulissen weiterhin mit Rat, Tat und vielleicht der einen oder anderen Komposition zur Verfügung stehen. Einen solchen Mann, und sei er auch, wie Heiko das ist, die Bescheidenheit in Person, läßt man natürlich nicht so einfach ziehen, und so organisierten Gideon noch ein Abschiedskonzert für ihn, nämlich in der Arche in Chemnitz, wo die Band bereits mehrfach gespielt hatte, meist allerdings noch in der alten Arche mit ihrer winzigen Bühne. In der neuen Arche, dem ehemaligen Weltecho-Kino, ist nun deutlich mehr Platz sowohl auf als auch vor der Bühne, lediglich die grubenartige Vertiefung vor der Bühne dürfte für Rockkonzerte mit größerem Bewegungsdrang beim Publikum oder auch allgemein für Tanzveranstaltungen eher suboptimal sein - der Moshpit kann sich nicht ausbreiten, und der auf der umliegenden Fläche Tanzende muß stets aufpassen, nicht die Stufen in die Grube hinabzustürzen. Leider auch nur suboptimal waren die Klangverhältnisse an diesem Abend, wobei der Rezensent sich kein Urteil erlauben kann, ob das ein Phänomen dieses Konzertes oder ein genereller Problemfall der Räumlichkeit war - er war zum ersten Mal in den neuen Arche-Räumlichkeiten. Jedenfalls hatte man Drummer Sven schon in einen Plexiglaskäfig verfrachtet, aber die Drums waren im Gesamtmix immer noch zu laut, was speziell Markus' Keyboards, von einigen Passagen abgesehen, weitgehend ins Abseits stellte. Gut durchhörbar hingegen waren die Saiteninstrumente und auch das Gros der Vocals, wobei ein Beamer auch den textunsicheren Anwesenden (und viele der Jüngeren waren das - der Löwenanteil des Publikums dürfte, als Gideon anno 1987 ihre ersten Lebenszeichen von sich gaben, noch längst nicht geboren gewesen sein) Mitsingmöglichkeiten eröffnete, wenn denn mal tatsächlich die richtige Strophe bzw. der richtige Refrain angezeigt wurde. Die großangelegten Mitsingpassagen in "Jesus On The Mainline" bekam man allerdings auch noch so hin. Vom "Wichtig."-Album (immer noch das aktuellste Studioerzeugnis, wenngleich auch schon wieder reichlich 11 Jahre alt) stand dreimal Stoff in der Setlist, wobei sich der Rezensent über die Ausgrabung des "500 Dollar Man" sehr freute (der steht Markus gesanglich auch besser als das immer ein wenig bemühte Shouting in "Krieger"); der Rest der Setlist bestand aus Material des 21. Jahrhunderts, garniert mit ein paar Klassikern wie "Mammon". Heiko führte ehrlich und unprätentiös durchs Programm, allerdings ließen es sich seine vier Mitstreiter nicht nehmen, ihn würdig zu verabschieden, indem sie eine Diashow aus 24 Jahren Gideon zusammengebastelt hatten, die man allerdings mit noch etwas größerer Verweildauer hätte programmieren dürfen, um das eine oder andere Bild stärker wirken lassen oder die Chance auf ein wenig Detailsuche einräumen zu können.
Und sonst? Gideon sind bekanntermaßen eine Institution der traditionellen Rockmusik, offen gleichermaßen für Rückgriffe auf den Blues wie für das Einflechten einzelner modernerer Elemente. Der Rezensent hatte sie vier Jahre lang nicht gesehen und konnte an diesem Abend einerseits zufrieden konstatieren, daß sich im positiven Sinne wenig verändert hat - andererseits war er überrascht, wie gut sich Zweitgitarrist Matthias in die Band eingefügt hat, der anno 2007 noch nicht lange dabei und daher noch etwas zurückhaltend war. Nicht nur, daß er jetzt den Großteil der Leads übernahm, er sorgte mit ansteckender Spielfreude für gute Stimmung auf wie vor der Bühne und gönnte sich sogar ein paar Gimmicks wie das blinde Spielen seines Instrumentes hinterm Kopf oder einige größere Tappingausflüge quer übers Griffbrett, was vor allem die jungen Zuschauer äußerst faszinierend fanden und mit Szenenapplaus quittierten. Das "Dorfcham'slied" durfte in der Setlist natürlich ebensowenig fehlen wie "Heiligabend" als den knapp zweistündigen Set beschließende Hymne. Weshalb die Zugabenstruktur gegenüber der Setlist völlig durcheinandergeriet, blieb das Geheimnis der Band - es gab letztlich eine, und zwar "Feierobnd" als dreistimmige A-Cappella-Version, wie immer mit Gänsehautgarantie. Wer immer Heiko am Frontmikro ersetzen wird (man probt bereits mit einem Kandidaten) - dieses Stück wird er hinbekommen müssen ... www.gideon-rockt.de hält den Interessenten über die Nachfolgefrage auf dem laufenden.

Setlist:
He Will Rock You
Komm mit mir
Mammon
Rennst
Sheepherd Blues
Jesus On The Mainline
Dirty Town
Wo bist Du
Zug nach Nirgendwo
Weil Du da bist
Übers Wasser gehn
Wegbereiter
Krieger
Am Ende aller Kriege
Angst
500 Dollar Man
Dorfcham'slied
Heiligabend
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Feierobnd



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