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Münchener Freiheit, Andreas Geffarth   06.06.2009   Wernesgrün, Brauerei-Gutshof
von rls

Nix mit Klimaerwärmung - 12 Grad (immerhin über Null :-)) an diesem ersten Juniwochenende führten dazu, daß man beim Brauereifest in Wernesgrün eigentlich eher Grog als Bier hätte ausschenken sollen. Am Tag war auch noch ein Regengebiet übers Vogtland gezogen, aber irgendwann im Laufe des Nachmittags hatte es aufgehört zu regnen, und sogar ein paar ganz kurze Momente Sonnenscheins mischten sich unter die immer noch drohend über dem Tal hängenden Wolken, die es bis auf eine kurze Dusche dann auch fertigbrachten, sich ruhig zu verhalten und sich zum Gigende hin gar ganz aufzulösen.
Der Job eines unangekündigten Supports ist gemeiniglich kein sonderlich dankbarer, aber Andreas Geffarth machte das Beste aus der Sache, zumal er wohl zumindest auf den Flyern genannt worden war. Bewaffnet nur mit einer Akustikgitarre und einer Loopstation, spannte er ein Coversongspektrum, das witterungstechnisch zwischen "Here Comes The Sun" als Opener und "Raindrops Keep Falling On My Head" irgendwo gegen Setende lag, wobei die letztgenannten diese Tätigkeit dankenswerterweise noch längere Zeit unterließen. Dazwischen fand sich dann Material von Paul Simon, Gilbert Sullivan oder John Lennon ("Woman", versehen mit der Aufforderung, den "I love you"-Refrain für den Partner, sofern anwesend, mitzusingen) und auch ein eher ruhigerer Akustiksong namens "Isolation" aus eigener Feder. Den Kontrapunkt bildeten einige Songs, in denen der Barde seine Gitarre zunächst in ein Perkussionsinstrument verwandelte und die dadurch erzeugten Klänge dann per Loopstation unter den jeweiligen Song legte. Mehrere Songs faßte er zu Medleys zusammen, in die dann beispielsweise auch mal "Alt wie ein Baum" als Instrumentalfassung eingejammt wurde, und gegen Ende hin ging er auch gitarrentechnisch noch etwas stärker aus sich heraus. Auch am Gesang gab's prinzipiell wenig zu mäkeln (das sahen einige notorische Nörgler in der Reihe hinter dem Rezensenten anders), und gute Teile des Publikums hatten durchaus ihren Spaß mit den vielen wohlbekannten Songs in den Soloarrangements - die vorderen Reihen jedenfalls formulierten manchen Text andächtig oder lautstark mit. Eine durchaus unterhaltsame Dreiviertelstunde.
Allerdings war das Publikum im sehr gut gefüllten Gutshof natürlich in erster Linie wegen der Münchener Freiheit da, und die stieg dann kurz vor 21 Uhr auf die Bühne. Mit "Eigene Wege" ist im Frühjahr ja ein neues Album erschienen, allerdings diesmal mit etwas anderem Tourrhythmus als sonst - übers Frühjahr und den Sommer verteilt gibt es nur etliche Einzelgigs und die eigentliche Tour zum Album dann erst im Oktober. Insofern durfte man natürlich mit etlichem neuem Material in der Setlist rechnen, aber die konkrete Zusammensetzung und die sonstige Überraschungsdichte blieben spannend. Daß es allerdings gleich sechs Songs vom neuen Album in die Setlist schaffen würden und trotzdem noch Platz für eine Überraschung ganz alten Datums bleiben sollte, damit war dann doch nicht zu rechnen gewesen. Der Eröffnungsteil blieb mit dem Orchesterintro zu "Solang man Träume noch leben kann", das in "Tausendmal Du" überging, der bereits seit einiger Zeit gewohnte, aber danach wechselten jeweils ein neuer Song und ein Klassiker miteinander ab, wobei "Geile Zeit", der einzige Song aus der Periode zwischen 1994 und 2009, hier schon unter die Klassiker eingereiht ist. Welche neuen Songs gab's nun zu hören? "Eigene Wege" enthält ja einen ganzen Stapel starke Nummern, aber auch einige schwächere - die Setzusammenstellungsfraktion hatte ein glückliches Händchen bewiesen und aus dem regulären Teil des Albums nur vier Highlights extrahiert: "Sie liebt dich wie du bist" (gleich nach "Tausendmal Du" plaziert und die emotional schwerste Prüfung für den Rezensenten, die in ihm aber irgendwie eine Art kathartische Wirkung entfaltete), "Ein Augenblick in Rot", "Unterwegs in die Freiheit" (angesagt, daß man mal wieder was Schnelles spielen wolle) und "Aus der Nummer raus". Daß die sprachlos machende "Sommernachtstraum"-Fassung, die ja in gleicher Form als Bonustrack der Special Edition dient, sich im Set halten würde, war eigentlich nicht nur zu hoffen, sondern sogar zu vermuten gewesen (und die Vermutung traf auch ein) - daß aber noch ein weiterer Bonussong der Special Edition, nämlich "12 Uhr nachts", im Set stehen würde, damit dürfte wohl kaum jemand gerechnet haben. Aber die Entscheidung war prinzipiell zu begrüßen, denn der Song ist gut, auch wenn er es unter dem emotionalen Eindruck des unmittelbar zuvor gespielten "Sommernachtstraum" schwer hatte. Die erwähnte Uraltüberraschung rahmte "Sommernachtstraum" von der anderen Seite: "Katrin", ein flott-frecher Rocker vom 1983er "Licht"-Album, hatte erstmals seit 2005 wieder den Weg in den Liveset gefunden. Der Rest: Business as usual - oder doch nicht? "Verlieben Verlieren" hat sich jedenfalls im Set festgekrallt (und die "Baa-BaBaa-BaBaa"-Chöre im Refrain mußte man sich trotz ihrer anderweitigen Wiederverwertung auf dem neuen Album hier wieder dazudenken), einiges ist verschwunden, u.a. auch "Kleine Wunder", das in den letzten Setlisten immer so ein wenig den Schwachpunkt gebildet hatte, neben der Bandfassung von "Solang man Träume noch leben kann", an die der Rezensent nach wie vor nicht so richtig rankommt, womit er im Publikum allerdings relativ allein dastand (den Song kann man natürlich schlecht aus dem Programm entfernen, das ist schon klar). Die oben erwähnte Dusche setzte übrigens bei "Du bist Energie für mich" ein, wobei das Publikum immerhin ein deutlich besseres Mitklatsch-Rhythmusgefühl offenbarte als das vor Jahresfrist beim Tourauftakt in Chemnitz; sie erstreckte sich über den Block um "Sommernachtstraum" und endete pünktlich mit dem Schluß von "Wenn das so einfach ist". Anno 2006 bei Ian Anderson hatte man übrigens brauereiseitig das Mitbringen von Regenschirmen untersagt (die Wetterlage war ähnlich zweifelhaft gewesen wie diesmal), was diesmal nicht der Fall gewesen zu sein schien - die meisten Anwesenden hatten sich zwar mit Regenjacken ausgerüstet, aber einige klassisch sichtbehindernde Schirme gingen doch auf. Im Gegensatz zu 2006 war der Gutshof diesmal auch unbestuhlt - eine zweifellos gute Entscheidung. Und noch ein Positivum: Der Sound war der beste, den der Rezensent bei seinen durchaus nicht wenigen MF-Gigs bisher gehört hat - glasklar (nur gegen Setende hin hatte man bisweilen mit Rückkopplungen zu kämpfen) und zugleich für Bandverhältnisse diamantenhart. Der deutliche Rockschwenk des neuen Materials wurde schon allein dadurch deutlich, daß Stefan in allen neuen Songs zur zweiten Gitarre griff - und nach den noch etwas gemächlicheren Einleitungsparts entpuppten sich vor allem "Sie liebt dich wie du bist" und "Aus der Nummer raus" als qualmende Rocknummern mit satter Power, was man ja schon anhand der Studiofassungen erhoffen durfte. Die Balance zwischen den Instrumenten ließ nichts zu wünschen übrig - auch wenn Aron harte Riffs spielte, was er nicht selten tat, blieb stets genug akustischer Platz für den "Rest". Leicht angeschlagen dagegen wirkte Stefans Stimme - er sang immer noch gut und klar, aber man hat ihn eben schon besser gehört, und in manchen dreistimmigen Passagen nahm er sich wohl nicht ganz unbeabsichtigt ein wenig zurück. Trotzdem bleibt es beeindruckend, was er in seinem nicht mehr eben jugendlich zu nennenden Alter über knapp zwei Stunden hin stimmlich noch zu leisten vermag. Generell waren die Jungs offensichtlich sehr gut drauf, scherzten und frozzelten und versprühten eine Begeisterung und Spielfreude, wie man sie bei vielen halb so alten Bands nicht findet. Keine Veränderungen offenbarte das übliche Setschlußschema: "Ohne dich (schlaf ich heut nacht nicht ein)" und "Ich steh' auf Licht" als Closer des regulären Teils, "Oh Baby" (wieder mit der hervorragenden neuen Sologestaltung) und "Bis wir uns wiedersehn" als Zugaben - und das Schlußcover unter Instrumententausch fehlte auch nicht, wobei man sich bei den Gigs außerhalb der regulären Touren mittlerweile bei "I Love Rock'n'Roll" festgebissen zu haben scheint. Sehr starker Gig mit sehr starker Setlist - sollte die nicht eigentlich mal wieder als Livedokument festgehalten werden?



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