www.Crossover-agm.de
Münchener Freiheit   27.02.2008   Chemnitz, Stadthalle
von rls

Den Tourauftakt nach Chemnitz zu legen scheint bei der Münchener Freiheit zur Tradition zu werden, denn auch anno 2008 stand die dortige Stadthalle an oberster Position der abzuarbeitenden Liste. Diesmal durfte man besonders gespannt auf die Setlist sein, denn schließlich hatte die Band kein aktuelles Album zu promoten (dem 2007er "XVII" hatte man sich ja damals schon ausgiebig gewidmet), und somit war mit der einen oder anderen Überraschung zu rechnen. Eine augenscheinlich etwas geringere Publikumskopfzahl als 2007 rechnete mit, allerdings machte das Publikum diesmal nach vergleichsweise furiosem Beginn einen eigentümlichen Lahmheitsschwenk durch und geriet erst kurz vor Setende wieder in größere Feierstimmung - der eine oder andere, der halt nur die Handvoll Hits von damals kennt, dürfte von den Überraschungen dann doch etwas kalt erwischt worden sein, während andere Anwesende inclusive des Rezensenten die seltenen Gelegenheiten dankbar aufnahmen.
Aber der Reihe nach: Der Einstieg entsprach dem 2007er, also mit der Orchesterversion von "Solang man Träume noch leben kann" als Intro, aber "Tausendmal Du" als Opener. Die erste Überraschung lauerte allerdings gleich an Setposition 2, denn die Jungs gruben "Komm zurück" mal wieder aus - eine gute Wahl, wenngleich noch den einen oder anderen Wunsch offenlassend, denn die 2008er Version transportierte doch ein bissel weniger Energie als die, welche man auf der 1991er Livescheibe kennen- und schätzengelernt hat. "Herzschlag ist der Takt" an Position 3 entsprach wieder dem 2007er Programm, aber danach ging der Überraschungsreigen über weite Teile des Sets munter weiter. Mit "Land der Fantasie" hatte man (trotz dessen Streichung auf den Open Airs 2007) schon gerechnet (auch anno 2008 ohne den Falsettmittelteil von 1991 - trotzdem darf sich Stefan wieder eine erstklassige Gesangsleistung gutschreiben lassen, die ihm in diesem Alter erstmal einer nachmachen soll und die diesmal auch soundtechnisch gut präsent war, so daß man auch die diversen, möglicherweise ungeplanten Änderungen wie den Strophentausch in "Land der Fantasie" deutlich mitbekam, während das leichte Umarrangement von "Komm zurück" wohl so geplant war, aber nicht ganz überzeugte), und dankenswerterweise hatte die Band auch "Sommernachtstraum" in der aus den letzten Jahren bekannten zauberhaften extended version im Set belassen. Nur vier Songs besaßen ein Entstehungsdatum im 3. Jahrtausend, wobei "Geile Zeit" mittlerweile offenbar einen erfreulichen Live-Unverzichtbar-Status entwickelt hat, wie ihn letztmalig das zehn Jahre ältere "Du bist Energie für mich" (wenngleich selbiges in der Akustikversion von 2006 irgendwie noch schöner war als in der 2008er Mitklatschversion, die das rhythmische Unvermögen des Publikums schmerzhaft ans Tageslicht zerrte) aufwies, "Sorry" als einziger Beitrag des "XVII"-Albums wieder einen reizvollen Blues-Farbtupfer setzte, "Kleine Wunder" gern durch "Hier und überall", den immer noch allerbesten Track von "XVII", hätte ersetzt werden dürfen und "Nur die Liebe zählt" schlußendlich die bereits von der 2006er-Tour bekannte Praxis des Live-Antestens noch nicht konservierten Songmaterials fortsetzte. Vom einmaligen Anhören her schlägt der Song das damals getestete "Ich will dich nie wieder verliern" sogar noch aus dem Feld (bezüglich seiner eines Tages anstehenden Konservenumsetzung ist zu wünschen, daß er seinen rockenden Charakter behält und nicht wie "Ich will ..." in eine seltsam sterile Version umgewandelt wird), präsentierte sich eingängig, aber nicht zu platt und ließ nur an zwei Stellen noch Fragen offen, die vielleicht bei häufigerem Hören eine Antwort finden können: Zum einen erschloß sich die Akkordstruktur beim dritten Mal "zählt" im Refrain nicht ganz, zum anderen dominierte Rennies beckengeprägter Lauf den Übergang in den Refrain einen Tick zu sehr, so daß dessen erste Zeile etwas holprig begann. Aber das geht jetzt schon in Richtung Feinschliff - einen solchen hätte auch "Verlieben Verlieren" noch vertragen können (laut Stefan übrigens noch nie live gespielt - ob das so stimmt? Immerhin war das damals sogar erste Singleauskopplung von "Purpurmond", wobei es auf der Livescheibe, die ja von der zugehörigen Tour stammt, tatsächlich nicht zu hören ist), denn bis sich die Band hier auf den jazzigen Touch "eingegroovt" hatte, war die erste Strophe schon vorbei, und das Fehlen weiter Teile der Backings im Refrain sorgte auch für das eine oder andere verdutzte Gesicht. Weiter im Reigen der Neuzugänge in der Setlist: "Aus und vorbei" und "In deinen Augen" hätten beide noch einen Tick mehr Pep vertragen können (vor allem letzteres, das in der Studioversion deutlich lockerer daherkommt), aber auch über diese beiden war der geneigte Altfan keineswegs unglücklich, und der Nur-Radiosingles-Kenner ergötzte sich eben dazwischen an "S.O.S.", "Liebe auf den ersten Blick" oder der den Rezensenten nach wie vor nicht so richtig vom Hocker reißenden Ohne-Orchester-Version von "Solang man Träume noch leben kann". Der Rockfaktor des Mittelteils von "Wenn das so einfach ist" wurde hervorragend vom Sound gestützt (vor allem Rennies donnernde Drums kamen erfreulich raumgreifend aus den Boxen geflogen), wohingegen der Soundmensch diesmal Alex' Keyboards allgemein ein wenig zu weit in den Hintergrund stellte - anfangs waren sie fast gar nicht zu hören, nach einigen Songs wurde es etwas besser, aber sie blieben etwas unterrepräsentiert, wohingegen man Arons Gitarre diesmal erstklassig hören konnte, worüber der aus der Rockecke kommende Rezensent natürlich alles andere als unglücklich war. Der Schlußteil entsprach dann wieder dem 2007er Gig: "Ohne dich (schlaf ich heut nacht nicht ein)" und "Ich steh auf Licht" als traditionelle Setcloser, auch der erste Zugabenblock glich mit "Oh Baby" und "Bis wir uns wiedersehn" strukturell dem letzten Jahr. Neu dagegen war die traditionelle Coverversion als letzte Zugabe unter dem bekannten Instrumententausch - oder vielmehr alles andere als neu, nämlich immerhin aus dem Jahre 1970 stammend: Man hatte diesmal die Kinks mit "Lola" ausgewählt - eine deutlich bessere Wahl als das eher verunglückte "Rock Me Amadeus" anno 2007, wenngleich Rennie auch hier für seine stimmlichen Verhältnisse fast zu "sauber" singen mußte (mit einer kleinen Träne im Knopfloch denkt der Rezensent immer noch an die brillante Umsetzung von "All Right Now" anno 1998 zurück). Aber Spaß machte der Track zweifellos (über seinen Bekanntheitsgrad in den neuen Bundesländern soll nicht spekuliert werden; der Rezensent erkannte ihn auch nicht und mußte sich erst erkundigen) und beendete einen erneut hochinteressanten zweistündigen Gig (daran sollten sich diverse deutlich jüngere Bands ein Beispiel nehmen!) einer Band, die erfreulicherweise ihre noch heute zu bemerkende musikalische Relevanz ein ums andere Mal neu zu unterstreichen in der Lage ist.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver