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Münchener Freiheit   01.03.2007   Chemnitz, Stadthalle
von rls

Den Auftaktgig zur 2007er Tour legte die Münchener Freiheit wie schon 2006 wieder auf einen Märzdonnerstag in Chemnitz - diesmal immerhin ein lauer Frühlingsabend, während der Rezensent vor Jahresfrist auf der Heimfahrt plötzlich eine geschlossene Neuschneedecke vorgefunden hatte. Die Witterung sollte natürlich nicht den einzigen Unterschied zum letztjährigen Gig markieren. Aktueller Release damals war die CD-Box mit allen Singleauskopplungen des letzten knappen Vierteljahrhunderts der Bandexistenz - also hauptsächlich Material, das sich sowieso im Liveset befindet, so daß Platz für ein paar Überraschungen blieb. Aktueller Release anno 2007 hingegen war das neue Studioalbum "XVII", und die spannende Frage in einer solchen Situation ist natürlich immer, welche der neuen Songs den Weg in den Liveset finden, welche alten im Set bleiben und ob sich nicht doch noch ein Plätzchen für die eine oder andere Überraschung finden sollte. Die Antwort auf diese dreigeteilte Frage suchte erneut eine gute Anzahl von Besuchern in der Chemnitzer Stadthalle (ungefähr vergleichbar mit der Kopfzahl des Vorjahres, allerdings prinzipiell etwas motivierter, was die Partyfreudigkeit anging) und wurde in bewährter Weise reich belohnt.
Den Auftakt bildete diesmal das Orchesterintro zu "So lang man Träume noch leben kann", in das die Band allerdings nach kurzer Zeit mit "Tausendmal Du" einstieg, von vornherein also klarmachend, daß es dem Hitfeuerwerk wohl an nichts gebrechen sollte, was sich unterm Strich auch als korrekte These erweisen sollte, denn genau die beiden Klassiker, die man im regulären Set vermißte, gab's noch als Zugabe. Während dem Folgesong "Geile Zeit" konnte der Soundmensch die kleinen Unstimmigkeiten größtenteils richtig einpegeln, nur ein kleines Manko sollte den ganzen Gig über andauern: Stefans Stimme stand ein wenig zu weit im Hintergrund, was bei Sologesang noch nicht auffiel, aber in den Situationen, wenn Aron und Micha sich mit ihm zum bandtypischen Satzgesang vereinigten, einige etwas ungewohnte Klangbilder hervorrief. Daß "Geile Zeit" nach wie vor im Set steht, ist und bleibt ein äußerst begrüßenswertes Faktum, denn der freche und originelle Aufbau bildet ein wirkungsvolles Gegengift gegen die Stromlinienförmigkeit, die der Band immer wieder gern vorgehalten wird - in einigen wenigen Fällen zu Recht, in vielen allerdings zu Unrecht. Positiverweise hatte man auch von "XVII" mehrheitlich weniger stromlinienförmige Exempel ausgewählt, wenngleich die Wahl auch dazu führte, daß das vom Rezensenten in seiner fürchterlichen Eurodance-Studioversion nun ganz und gar nicht geliebte "Bis ans Ende der Welt" ebenfalls im Set auftauchte. Siehe da: Die Liveversion war zwar immer noch nicht als der Weisheit letzter Schluß zu kennzeichnen (das Ding mal im Stile von "Bis wir uns wiedersehn" und mit noch etwas einfallsreicheren Keyboards, das wär's doch), aber erstens ist Stefans Stimme viel zu gut, um sie mit komischen Vocodern zu verunstalten (was man live dann auch tunlichst unterließ), und zweitens konnte auch Rennies Livegetrommel zumindest einen kleinen Pluspunkt gegenüber der im Unterbau unschön sterilen Studioversion einfahren. In größerem Maße galt letztgenannter Aspekt auch wieder für "Ich will dich nie wieder verliern", dessen seltsam überproduzierte Studiofassung ja auch den einen oder anderen Wunsch offenließ, den die Liveumsetzung in bereits von der 2006er Tour bekannter Weise erfüllen konnte. "Mein schwerster Fall" kontrastierte live nicht so stark zwischen Strophe und Chorus wie auf der CD, funktionierte aber trotzdem, "Sorry" erwies sich mit seinem Bluesgehalt als reizvoller Farbtupfer im Programm (der auf der CD auch noch etwas untergegangen war), mit dem Intonieren der Singleauskopplung "Nichts ist wie Du" war sowieso zu rechnen - leider konnte sich die Band aber nicht dazu durchringen, den stärksten der neuen Songs, nämlich "Hier und überall", in den Set zu katapultieren und ihn eventuell auch noch zur musikantischen extended version auszubauen, aber vielleicht bekommt der Rezensent diesen Wunsch irgendwann später mal noch erfüllt. Ansonsten herrschte in der Setlist wie bereits erwähnt business as usual - mit zweieinhalb Überraschungen (wenn man den Fakt, daß "Ihr kommt zu spät" immer noch im Set stand, nicht als solche zählt). Dabei war die eine Überraschung negativer Natur, denn das Spielchen mit dem Wechsel von der aktuellen zur frühesten Single, das die Band bei jedem unter der Beobachtung des Rezensenten gestanden habenden Gigs exerziert hatte, fiel diesmal weg, "Zeig mir die Nacht" war aus der Setlist gekickt worden ("Ich steh' auf Licht", den schon mehr als traditionellen Closer des regulären Sets, damit als ältesten Track im Programm belassend). Die zweite Überraschung bildete das Wiederausgraben von "Land der Fantasie", wenngleich ohne den Falsettmittelteil, dessen Livebewältigung auf der 1991er Livescheibe nachgehört werden kann - so gut Stefan für sein doch schon recht fortgeschrittenes Alter heute noch bei Stimme ist (und auf der neuen CD hat ihm die Komponistenfraktion hier und da auch wieder ein paar Ausbrüche in allerhöchste Lagen zugeschoben, damit er nicht ganz so aus der Übung kommt ...), aber eine komplette Tour lang diesen Part einzubasteln wäre dann wahrscheinlich doch eine zu große Belastung. Ansonsten war das Wiederhören dieses Songs ein sehr angenehmes, wenn man vom etwas zu lang ausgewalzten Schlußteil absieht. Die halbe Überraschung letztlich war die positivste denkbare überhaupt: "Sommernachtstraum" stand erneut in der gleichen Version wie auf der 2006er Tour in der Setlist - Worte scheitern hier in der Beschreibung nach wie vor, auch die Passagen in den Rezensionen vom letzten Jahr sind nur Hilfskonstrukte für dieses bewegende Stück Musik, das man a) selbst live erleben muß und b) vorher eine entsprechende spezielle Beziehung zur Studioversion aufgebaut haben sollte, um in den Genuß seiner vollen eskapistischen Wirkung zu kommen. Wenn es nach dem Rezensenten ginge, könnte diese Version auf allen Touren der Band bis zu ihrem hoffentlich noch fernen Begräbnis auf dem Bandfriedhof intoniert werden - sie würde wohl selbst dann keine Abnutzungserscheinungen zeigen, und interessanterweise scheint sich das Publikum mehr und mehr wieder mit dem Song anzufreunden: Gab es letztes Jahr in Chemnitz nur normalen freundlichen Applaus, fiel die Resonanz in Leipzig schon deutlich enthusiastischer aus, und im Chemnitz des Jahres 2007 erntete "Sommernachtstraum" fast so viel Beifall wie die restlichen großen Klassiker im Set. Interessanterweise war die Stimmung insgesamt diesmal deutlich euphorischer als vor Jahresfrist - offenbar hatte sich auch der noch zu begeisterten Bewegungen fähige Teil des Publikums mit der bestuhlten Halle mittlerweile abgefunden und verbrachte zumindest die zweite Sethälfte mehr oder weniger komplett im Stehen, wobei schon an Setposition 3 ("Herzschlag ist der Takt") alles aufgesprungen war, man sich aber im ausführlichen Block der neuen Songs eher wieder hinsetzte und erst beispielsweise "Wenn das so einfach ist" wieder zum Anlaß nahm, um sich komplett in die Vertikale zu begeben. Daß der lauteste Jubel bei "Ohne dich (schlaf ich heut nacht nicht ein)" ertönen würde, war so sicher wie das Anathema in der Kirche, und da der Rezensent diesmal wieder keinen Grund hatte, hier etwa gedanklich davonzufliegen, verbrachte er die Zeit eben mit gemütlichem Headbangen. "Oh Baby" (cooles Bluessolo in der erneuerten Version!) und "Bis wir uns wiedersehn" (immer noch mit Energiereserven nach oben) markierten die Zugaben, und man durfte wie immer auf den Finalsong gespannt sein - diesmal fiel der Instrumententausch allerdings etwas anders aus, indem Aron ans Keyboard wechselte und Alex an den Baß, während die drei anderen auf ihren tauschgewohnten Positionen blieben. Ausgegraben hatten die Jungs diesmal Falcos "Rock Me Amadeus", das nochmal für reichlich Partystimmung im Publikum sorgte, die allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen konnte, daß der in diesem Falle sogar noch als Mozart verkleidete Rennie als Rockröhre eine deutlich bessere Figur macht als in den Stakkatoshoutpassagen der Strophen dieses Songs, die bisweilen eher hilflos und auch lückenhaft daherkamen. Aber davon wird das generelle Urteil keineswegs beeinträchtigt: Auch der Tourauftaktgig 2007 war ein prinzipiell hochkarätiges Erlebnis ungefähr zweistündiger Dauer und macht neugierig auf weitere Taten der noch lange nicht zum alten Eisen gehörenden Band.



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