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Standing On A Rock   24.09.2011   Mölbis, Pfarrgarten
von rls

Nach dem völlig verregneten Jahrgang 2010 geht das siebente Standing On A Rock-Festival auf äußerst angenehme Weise back to the roots: Schon bei den ersten fünf Auflagen herrschte bestes Spätsommerwetter mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen, und das ist auch bei Numero sieben anno 2011 der Fall. Den zeitlichen Ablauf hat das Organisationsteam um Chefdenker Andreas Bergmann diesmal etwas entzerrt: nur vier Acts auf der Hauptbühne, diese aber dann mit der Option auf längere Spielzeit, zudem die Möglichkeit längerer Umbaupausen, die mit drei Kurzfilmen ausgestaltet werden, wohingegen der fünfte und letzte Act in bewährter Weise das Festival nachts in der gleich neben dem Pfarrgarten befindlichen Mölbiser Kirche ausklingen läßt.
Pub'n'Steel, eine Band mit einem äußerst lautmalerisch geprägten Namen, eröffnen den Abend mit der gewohnten, sich aber im überschaubaren Rahmen haltenden Verspätung und haben einen Quasi-Fanclub dabei, der vor der Bühne für Stimmung sorgt. Die Stilistik ist allerdings zur Stimmungs- und Bewegungserzeugung auch mehr als geeignet, spielt das Quartett doch eine Mixtur aus Punk und Rock mit einer gewissen Popschlagseite, gelegentlich auch noch durch andere bewegungserzeugende Genres wie russischen Folk und Ska ergänzt. Allerdings leiden sie unter einem nicht ganz optimalen Sound, der den Drums etwas zuviel Spielraum gewährt, während vor allem der Gesang nicht ganz die wünschenswerte Durchhörbarkeit besitzt. Das ist schade, denn Stücke wie "Konsum" oder das Prinzen-Cover "Bombe" weisen durchaus anhörenswerte Textgebilde auf, wenngleich auch die beiden Vokalisten nicht zu den Großmeistern ihrer Zunft zählen, allerdings ihre Sache im gegebenen Punk-Kontext wiederum nicht schlecht machen. Die Musik wiederum zeigt sich in partiell höchst eigentümlichen Gewichtungen. So kommt Bassistin Tina (nur echt mit leuchtend pinkfarbenen Haaren) eine bedeutende Rolle zu, teilweise sogar im Solobereich, aber auch sonst sind ihre Läufe sehr prägend für den Gesamtsound, weisen nur bisweilen das Problem auf, daß ihre Koordination mit der Gitarrenarbeit mitunter arg weit von gewohnten Hörschemata entfernt liegt, wobei nicht zu vermuten ist, daß die so entstehenden Anklänge an Schräg-Heroen wie Sonic Youth beabsichtigt wären. Dieses Problem entpuppt sich allerdings als für das Gros der Zuhörer irrelevant, und die Tanzbarkeit der Stücke leidet darunter natürlich auch nicht. Einige traditionelle Hardrocksoli wie in "Meins" finden eine Konterkarierung durch reggaelastige Parts in Stücken wie "Rückwärts auf'm Ohrensessel", hymnische Refrains kommen dazu, und das andere Cover "Der Traum ist aus" von Ton Steine Scherben erntet die lautesten Mitsingreaktionen aus dem Publikum, wird allerdings interessanterweise ohne den abschließenden "Tochter Zion"-Part gespielt. Die Stimmung erreicht ihren Höhepunkt in den letzten beiden Songs, nämlich dem regulären Setcloser "Der Tanz auf dem Samowar" (das ist die Eigenkomposition mit dem größten Anteil russischer Folklore, den Gitarristen stilecht an eine Balalaika wechseln lassend) und der Zugabe "Planica" (der Anteil russischer Folklore hierin ergibt sich aus dem Original, auch wenn entgegen der Ansage des Sängers Kasachstan keineswegs in Sibirien liegt, zumindest zum größten Teil nicht - einige nicht kasachische, aber zumindest russische Textpassagen müssen aber natürlich sein). Daß Pub'n'Steel auch schon größere Audienzen trefflich zu unterhalten wußten, erscheint nach diesem Gig durchaus nicht als hohle Phrase.
Die erste Hälfte des Gigs von Against The Flow verpaßt der Rezensent aufgrund von Interviewverpflichtungen, die zweite Hälfte zeigt aber, daß das Quintett nach dem etwas schwächeren Gig von Geithain 2011 wieder auf der richtigen Spur ist und deutlich mehr "Zug zum Tor" zeigt, auch wenn das alte und eigentlich recht unterhaltsame "Fly Away" an diesem Abend fürchterlich in die Binsen geht, was dem schönen Breitwandrefrain etwas von seiner Wirkung raubt. Dafür entschädigen einige teils ergreifende balladeske Passagen und der wiederum breitwandig-hymnische Closer "Open Your Eyes", die den einen oder anderen nach wie vor noch etwas zu unentschlossen zwischen Alternative und Emo pendelnden Moment vergessen machen. An den eigentümlichen, teils nasalen und betonungstechnisch merkwürdigen Gesang gewöhnt man sich wieder sehr schnell und erkennt ihn als integralen Bestandteil der originellen Mixtur des Pirnaer Quintetts, selbst wenn auch hier der Gesang einen Tick zu sehr in den Hintergrund gemischt ist. Dafür hört man den Keyboarder diesmal exzellent, und der setzt reizvolle Farbtupfer, ohne das Ganze irgendwie zu verwässern. Ein guter Gig, der allerdings nicht ganz so viel Enthusiasmus beim Publikum erzeugt wie der von Pub'n'Steel.
Ancient Prophecy hat der Rezensent neuneinhalb Jahre zuvor zum ersten und bisher auch letzten Mal gesehen, und schon damals hatten sie ihre Doomursprünge weitgehend ad acta gelegt und sich einer originellen Sorte progressiven Metals gewidmet. Das ist jetzt, fast eine Dekade und drei Besetzungswechsel später, immer noch der Fall, allerdings hat die neue Sängerin Elisabeth eine deutlich klassisch orientierte Stimme, was indes trotzdem nicht ermöglicht, die Band etwa in die Nightwish-Schublade zu stecken. Auch der neue Zweitgitarrist zeichnet sich zudem wieder für die harschen Vocals verantwortlich, wohingegen Trommler Lynn den Breakfaktor gefühlt noch etwas erhöht hat, allerdings immer noch stets im songdienlichen Bereich verbleibt. Unglücklicherweise läßt sich die Leistung beider Gitarristen ebenso schwierig bewerten wie die des Keyboarders, denn beide stehen im Gegensatz zu Drums und Baß im Mix derart weit hinten, daß man von ihnen kaum etwas vernehmen kann, und ab Song sechs bahnen sich auch noch fiese Rückkopplungen den Weg, die dazu führen, daß die Sängerin leiser und der Sänger fast abgedreht werden muß. Der allgemeinen Spielfreude tut das allerdings keinen Abbruch, nachdem sich die Band nach dem Intro erstmal gefunden und vor allem geeinigt hat, welcher Song denn nun zu spielen ist. Auch im stimmlich "nackten" Bereich überzeugt die Sängerin, nämlich in der reinen Klavierballade "The Moment", wo ihr nur die erste Höhe im Refrain ein klein wenig wegkippt und ansonsten eine emotionale wie technische Klasseleistung gelingt. Das neue Material weiß ebenfalls von vorne bis hinten zu überzeugen (soweit man seine Parts denn vernehmen kann), beispielsweise "The Calvinist Fury", das an diesem Abend seine Livepremiere erlebt. Zum Leidwesen der anwesenden Altanhänger der Band (also im wesentlichen des Rezensenten :-)) verzichtet das Sextett auf seine unterhaltsame Version des Türkischen Marschs, aber das Publikum fordert trotzdem (und trotz der Soundprobleme) eine Zugabe ein, die es auch gewährt bekommt: Die Hessen spielen kurzerhand "True Trinity" noch ein zweites Mal. Das Fazit kann jedenfalls nur lauten: auch in der neuen Besetzung eine vielversprechende Band, die man sich unbedingt nochmal bei sauberen Soundverhältnissen anhören sollte.
Setlist Ancient Prophecy:
New Chapter
Brightness In The Dark
The Calvinist Fury
The Moment
True Trinity
The Fall Of Vanity
Pounded
Eternity
--
True Trinity
Bei As Words Divine stimmt die Soundbalance dann im wesentlichen wieder, wenn man von den Momenten absieht, in denen außer dem Frontmikro noch andere Mikros in Dienst gestellt werden sollen - von denen kann man nämlich allenfalls ahnen, was in sie hineingesungen (die Merchandiserin der Band fungiert in zwei neuen Songs als Gastsängerin) bzw. hineingebrüllt (der Gitarrist sorgt planmäßig für die herben Gesangselemente) worden ist. Immerhin hört man die Leadsängerin erstklassig, und das ist auch gut so, denn ihr relativ klarer und doch eindeutig dem Rockspektrum zuzuordnender Gesang bildet einen der Haupttrümpfe im Schaffen des Quartetts. Das ist prinzipiell gar nicht so weit von dem der Guano Apes oder auch Die Happy entfernt anzusiedeln, und passenderweise haben die Nürnberger ihre Debüt-EP, deren fünf Songs auch das Gerüst des Sets dieses Abends bilden, auch mit dem Co-Produzenten erstgenannter Vergleichsband aufgenommen. Komme nun aber niemand und spreche von einer Kopie - einige der AWD-Rhythmusverschiebungen hätten sich die Großen sicherlich nicht einzubauen getraut, mit so einer ansteckenden Frische hört man sie auch nicht alle Tage musizieren, der AWD-Gitarrist sorgt nicht nur mit den harschen Vocals, sondern auch mit einem donnernden Riffsound für reichlich Druck (und Metalkompatibilität) des Materials, und das Cover von "Don't Stop At The Top" ist eine durchaus originelle, aber auch richtungsweisende Wahl - diese Band hat definitiv das Zeug zu mehr, auch wenn man sich zur exakteren Einschätzung auch hier nochmal einen Gig mit ganz klaren Soundverhältnissen gönnen sollte, um die Stimmvielfalt und auch die Samples (die allerdings zumindest im richtigen Moment da waren) genauer analysieren zu können. Und eine große Hymne wie "Without You" in den Zugabenteil zu verbannen kann sich auch nicht jede Band erlauben. Dazu kommt der Fakt, daß das Quartett auf der Bühne etwas mehr Platz hat als beispielsweise der Sechser Ancient Prophecy, und vor allem die Sängerin nutzt das weidlich aus, animiert auch das Publikum in energischer, aber nie nervender oder anbiedernder Weise (selbst eine kleine Wall Of Death kommt zustande, wohingegen die Circle Pits um den mittlerweile im Publikum aufgestellten Feuertopf ausbleiben) und schüttelt ihr auch optisch äußerst attraktives Haupt, als würde sie eine Traditionsmetalband fronten. Daß das gutgelaunte Publikum seinen Ulk mit der Band treibt, indem es ihr weismacht, Mölbis läge in Preußen (was dann dazu führt, daß ein bekannter Hymnus "Wir sind Franken, ihr seid Preußen" und nicht "... ihr seid Sachsen" betextet und in dieser Fassung gespielt wird), trägt sein Scherflein zu einem gelungenen Gig bei.
Als der Rezensent zum Late Night Special in der Mölbiser Kirche eintrifft, deklarieren die Black'n'Orange Gospel Singers gerade den neu angebrochenen Tag zum "O Happy Day". Im Altarraum steht bzw. sitzt allerdings erstaunlicherweise kein Chor, sondern ein Trio - eine Minimalbesetzung also, aber auch die weiß zu überzeugen: sauberer, bis zu dreistimmiger Gesang, trotz Sauberkeit aber immer noch reichlich Emotionalität, dazu instrumentale Farbtupfer von Keyboard, Cajón und/oder Gitarre. Neben Standards wie "Awesome God" oder diversen "Halleluja"-geprägten Werken (partiell mit Gänsehautgarantie) graben Chefdenker Peter und seine Mitstreiter auch ganz andere Felder um und integrieren Werke wie U2s "I Still Haven't Found What I'm Looking For" in ihren transparenten Triosound - und das paßt wie das sprichwörtliche Amen in die Kirche. Für die Praxis, am Setende nacheinander "Hotel California" und "You Are God" zu spielen, wären die drei zwar noch vor wenigen Jahren von den "Rockmusik=Satanismus"-Apologeten feierlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, aber die Zeiten sind glücklicherweise über diese Sorte Menschen hinweggegangen, zumindest in vielen Regionen der Welt. So schafft das Trio, in dem das männliche Geschlecht eine Zweidrittelmehrheit besitzt, einen besinnlichen, aber nicht einschläfernden Festivalausklang, den die Besucher mit reichlich Applaus honorieren. 2012 wieder? Aber sicher! Fotos und alles weitere auf www.standing-on-a-rock.de



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