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Tankard, Burden Of Grief, Getränkealkoholiker, Satin Black   27.11.2010   Hohenstein-Ernstthal, Schützenhaus
von rls

"Autumn From Hell" hatte das rührige Organisationsteam des Iron Eagle-Rockclubs Lugau diese alljährliche Veranstaltung überschrieben, wobei "Winter From Hell" angesichts der Wetterlage an diesem Abend korrekter gewesen wäre. Aber die Straßen waren frei, und so stand einer zahlreichen Anreise der Anhänger harter Gitarrenmusik nichts im Wege.
Der Rezensent kam zehn Minuten nach offiziellem Beginn am Ort des Geschehens an - exakt pünktlich zum Beginn des Gigs von Satin Black. Deren "Harlequin"-CD war ja schon sehr achtbar gewesen, und live bestätigten die Freiberger den guten Eindruck problemlos, sowohl mit vom Tonträger bekannten Material als auch mit dem noch unkonservierten Neuling "Against The Flow": klassischer Metal der ideenreichen und kompetent gespielten Sorte. Leider mußte man sich etwas anstrengen, um diese Qualitäten vollumfänglich wahrnehmen zu können: Der Sound war lange Zeit etwas zu undifferenziert, vor allem die Feinheiten der Rhythmusgitarrenarbeit gingen weitgehend unter, während die Leadgitarren stets deutlich durchhörbar blieben - und die bilden ja sowieso einen stechenden Trumpf des Quintetts. Auch der neue Sänger muß unbedingt zu den Trümpfen gerechnet werden - er dürfte eine der extremsten Power Metal-Sirenen sein, die der schöne Freistaat Sachsen derzeit so zu bieten hat, obwohl selbst er hier und da an seine stimmlichen Grenzen zu stoßen schien. Komischerweise unterbrach er die sonst klassische Metaloptik der Band mit Dreadlocks, aber das störte das Gesamtbild einer stimmigen Traditionsmetalshow nicht. Der Shirtindikator wies übrigens Helloween, Anthrax, Iron Maiden, Angel Dust und Sodom aus, und als letzten Song spielten Satin Black denn auch noch ein Doppelcover aus "I Want Out" und "Metal Thrashing Mad", wobei man sich an die ganz leicht angerauhte Artikulation des Sängers im erstgenannten Song erstmal gewöhnen mußte, vor allem wenn man wie der Rezensent wenige Tage zuvor zufällig grade mal wieder das Original im CD-Player gehabt hat. Starker Gig, auch gebührend vom Publikum bejubelt.
Über die erste Hälfte des Sets der Getränkealkoholiker Worte zu verlieren wäre verlorene Zeit, denn die vier guten Ideen ihres Sets hatten die Pseudofunpunker, die auch alle möglichen und unmöglichen anderen Stile einfließen lassen, welche nicht bei drei einen rettenden Baum gefunden haben, allesamt in der zweiten Sethälfte untergebracht (sieht man davon ab, daß der Sänger/Gitarrist zum Soundcheck ein erzgebirgisches Volkslied intonierte). Als da wären: die Grindcore-Parodie "Nächstenliebe", die Viking Metal-Parodie "Bruder Gottfried" (das ist der "Arbeitstitel", denn der Haupttitel ist ultrakompliziert und lateinisch), die Entwicklung der Figur des ABV aka Aldi-Bier-Vampir, stilecht mit Büchsenkrone und aus Einkaufstüten gebasteltem Umhang (den Song selbst konnte man allerdings großteils gleich wieder vergessen) und der "Black Metal ist Kindergarten"-Song. Über den Rest des Sets bettet man besser den Mantel des Schweigens; möglicherweise hätte mancher Einfall sein Humorpotential noch offenbaren können, wären die Vocals etwas dominanter abgemischt worden und auch Zutaten wie die beiden Tenorhörner im Setcloser "Razzia auf dem Tschechenstrich" hörbar gewesen. Daß der "Musiker", der den ABV gab, eher unkoordiniert über die Bühne torkelte, stellte sich später nicht als Schauspielerei heraus. Das geschmackssichere Publikum, dessen Applaus und Bühnennähe mit zunehmender Spielzeit deutlich abnahmen, machte sich einen Scherz daraus, noch mitten im Set Zugabeforderungen zu skandieren, aber nach dem Setcloser "Razzia ..." auf ebensolche zu verzichten.
Nicht ganz so geschmackssicher agierte das Publikum bei Burden Of Grief, denn deren eigentlich durchaus kompetenter Melodic Death erntete erstaunlich verhaltene Reaktionen. Freilich hatte das mehrere Ursachen. Zum einen dauerte es wieder fünf, sechs Songs, bis man halbwegs differenzierte Rhythmusgitarren heraushören konnte (die stilprägenden Leads allerdings waren auch hier von Anfang an klar und deutlich zu vernehmen), zum anderen machte beispielsweise das an dritter Setposition befindliche "Born In Fire" ein Grundproblem deutlich: Ein geradliniger Beginn verführte viele zum Bangen, und in den folgenden Breaks kamen alle gnadenlos aus dem Bangtakt und beschlossen, sich solche Aktivitäten in der Folgezeit gut zu überlegen. Der vielschichtigen und interessanten Gitarrenarbeit deutlich unterlegen war der eher monoton hustende Gesang, der auch den Genußfaktor des Coversongs im Set deutlich senkte - es war nicht Blind Guardians "Valhalla", wie mancher Kenner vielleicht gemutmaßt haben könnte (dort übernimmt nämlich Tankard-Gerre die Rolle des Zweitsängers, und der wäre eh gerade da gewesen), sondern Maidens "Aces High". Der Set enthielt etliches Material vom neuen Album "Feed The Flames", wurde mit dem Speedie "Running Scared" abgeschlossen und verzichtete zum Leidwesen des Rezensenten auf den Oldie "Immense Infinity". Da niemand eine Zugabe einforderte, blieb die Frage, ob besagter Song vielleicht als solche geplant gewesen war, unbeantwortet.
Tankard standen drei Wochen vor Release ihres neuen Albums "Vol(l)ume 14", aber sie nutzten kurioserweise die Gelegenheit, sich dessen erste Käufer zu erspielen, nicht, indem sie es in der Setlist komplett außen vor ließen. Dafür freute sich das Auditorium über einen gepflegten oldschooligen Thrashset, in dem die vereinzelten neueren Songs wie "Slipping From Reality" oder "Die With A Beer In Your Hand" nicht wie Fremdkörper wirkten, zumal Andys typische klassikgeschulte Spielweise auch manchem Oldie noch nicht gehörte Facetten abrang. Freilich trat auch hier das Problem auf, das man schon bei der "Best Case Szenario"-Best Of-CD bemerkt hatte: Die größten "Hits" von Tankard ähneln sich in der Bauart alle ziemlich stark, und wenn man die aneinanderreiht, kommt ein homogener, aber auch leicht zur Monotonie neigender Set heraus. Ebendas war an diesem Abend der Fall: Die Band verzichtete auf den Einbau des einen oder anderen ungewöhnlicheren Songs ihres Schaffens (und wenn's "Katjuscha" gewesen wäre, das man als Hidden Track auf der "Thirst"-CD untergebracht hatte), und so stand der Gesamtset wie ein Monolith vor dem Hörer. Freilich reduzierte das seinen Unterhaltungswert nur geringfügig, zumal ein glänzend aufgelegter Gerre demonstrierte, wie man als Frontmann einer Metalband zu agieren hat (er wirkte sowohl körperlich als auch stimmlich topfit). Und die Publikumsreaktionen fielen dann auch entsprechend enthusiastisch aus, zumal auch das soundliche Grundproblem des ganzen Abends, nämlich die Differenzierung der Rhythmusgitarrenarbeit, nach schwierigem Beginn (wenn man bis zum Refrain braucht, um "Zombie Attack" zu erkennen, muß was faul sein) noch halbwegs zufriedenstellend gelöst werden konnte. Drei Zugaben, darunter als finaler Song das unvermeidliche "Empty Tankard", schlossen den unterhaltsamen Gig ab. Wer spielt nächstes Jahr?

Setlist Tankard:
The Morning After
Zombie Attack
Slipping From Reality
Stay Thirsty
The Beauty And The Beast
Beermuda
Need Money For Beer
Alcohol
Maniac Forces
Octane Warriors
Die With A Beer In Your Hand
Nation Over Nation
666 Packs
Sexy Feet Under
Rectifier
Chemical Invasion
Freibier
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We Still Drink The Old Ways
Alien
Empty Tankard



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