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Chemnitz rocken! Vorrunde 4   19.02.2010   Chemnitz, Schauspielhaus
von rls

Die 2009/2010er Runde des Bandwettbewerbs "Chemnitz rocken!" läuft, und da das Prozedere gegenüber der Vorsaison unverändert geblieben ist, kann es im Review zu deren Vorrunde 5 nachgelesen werden. Der Rezensent traf zehn Minuten nach planmäßiger Anstoßzeit 22 Uhr im Schauspielhaus ein, und fünf Minuten nach seinem Eintreffen legten Lord Advocate los. Der Moderator kündigte vielfältige Einflüsse an, von Dream Theater bis Van Halen, von den Smashing Pumpkins bis "Rise Against The Machine", was für einige Schmunzler sorgte, aber auch noch offenließ, ob denn nun Rise Against oder Rage Against The Machine gemeint sein würden. Das Intro jedenfalls klang nach fürchterlich bekifften Dream Theater, wohingegen das Gros der danach gebotenen fünf Eigenkompositionen deutlich geradliniger zu Werke ging und die Harmonik der Gitarren besonders in "Pyromane" und dem vierten Song überdeutlich aus klassischen Iron Maiden-Tagen stammte. Für den alternativen Anstrich sorgte der Gesang, streckenweise einen Tick zu nölig ausgefallen, aber generell auf gutem Niveau, zumal der Sänger auch einen engagierten Eindruck machte und zudem gut mit seinem auch gitarrespielenden (im Batman-Shirt angetretenen und von einer Windmaschine mit wehendem Haupthaar ausstaffierten) Backingsänger harmonierte, wohingegen man die Leads des anderen Gitarristen (Optik: weißes Hemd und Schlips) nicht so deutlich wie gewünscht vernehmen konnte (beide teilten sich in die Leadarbeit) und generell der Sound in angenehmer Lautstärke, aber einen Tick zu verwaschen aus den Boxen scholl. Die eingangs gestellte Frage beantwortete Song 5 mit plötzlich heruntergestimmten Gitarren und einem klassischen Mittneunziger-Zappelrhythmus, der sich mit straighteren Parts abwechselte und mit einem wenigsekündigen klassischen Speedsolo auf kuriose Weise ausstaffiert wurde: Rage Against The Machine standen für diesen Song überdeutlich Pate, wenngleich dankenswerterweise kein Rapgesang eingebaut wurde. Das Cover an sechster Setposition hat der Rezensent nicht erkannt, und da von der zur Verfügung stehenden halben Stunde Spielzeit noch anderthalb Minuten übrig waren, setzte man noch ein kurzes Batman-Instrumental hinten dran. Der Applaus des Publikums war mehr als freundlich, aber noch nicht frenetisch.
Eine Band dreimal innerhalb nur wenig mehr als einem Jahr live gesehen zu haben - ein Vorgang mit Seltenheitswert beim Rezensenten. Narph dürfen sich diesen imaginären Orden ans Revers heften, und man ist immer wieder beeindruckt vom Potential dieser Band, die ihren Stiefel mit steigender Professionalität durchspielt und nach wie vor den berühmten feuchten Kehricht auf stilistische Einschubladisierungen gibt. Das lange, halbakustische und sich in wenig vorhersehbaren Schritten immer weiter im Energiepegel steigernde Intro hatte diesmal fast was von mittelalten Katatonia, der gängige Postmetal war selbstredend auch anwesend, und manche der nur leicht angerauhten Gesangspassagen erinnerten an einen imaginären James Hetfield, wenn er Grunge singen würde (wer hat das Zitat des hämmernden Schlagzeugbreaks aus "One" entdeckt?). Die Vielschichtigkeit sowohl der Instrumentalarbeit als auch des Gesanges beeindruckt immer wieder, trotzdem zerschnippelten Narph nie den roten Faden, hatte "Truth" beispielsweise einen klaren A-B-A-Aufbau mit schnellen Außenteilen, die einen ausladend-epischen Mittelteil rahmten (wer hat hier den ca. fünfsekündigen Tangorhythmus entdeckt?). Der letzte Song war noch unbetitelt und laut Band "ganz, ganz neu"; er verdeutlichte, daß das Quartett seinen Weg des selbstdefinierten Narph-Metals nahtlos weiterzugehen gedenkt. Zu wünschen blieb lediglich eine klarer durchhörbare Leadgitarre, was der Band in dem einen Song, den sie nur mit einer Gitarre bestritt (nämlich genau dieser üblicherweise Leads spielenden), zum Verhängnis wurde, da der Teppich hier klar an Energiemangel litt. Auch an der Souveränität der Pausenkommunikation darf man auf dem Weg zur Weltherrschaft gern noch ein wenig arbeiten, aber offensichtlich lassen Narph lieber ihre Musik für sich sprechen. Für die erste Strophe der ausladenden Halbballade "Behind Yourself" holten sich Narph noch Roman von Panos als Gastsänger auf die Bühne, der in dieser kurzen Zeit mehr Publikumskommunikation betrieb als die komplette Band im gesamten Set. Das Publikum dankte es der Band mit lautem Applaus, wilden Bangbewegungen in den vordersten Reihen und lauten Zugabeforderungen, die die Band, obwohl das eigentlich laut Reglement unzulässig ist, auch erfüllte (es war halt niemand da, der widersprach). Der Zugabesong setzte der originellen Mixtur der Truppe dann auch noch einen metallisierten Reggaeschlußteil hinzu.
Panos, betont übrigens auf der zweiten Silbe, bezeichneten ihren Stil selber als BalalaikaBigBangSound. Die Kernmannschaft der Band besteht aus drei Musikern, aber operativ wird sie immer mal wieder erweitert, und so standen an diesem Abend insgesamt 12 verschiedene Leute auf der Bühne. Das Kerntrio erzeugte zunächst eine seltsam wirkende, aber hochgradig invasive Kombination aus den Instrumenten Schlagzeug, E-Baß und E-Balalaika, wobei die Balalaika meist akkordisches Spiel vollzog und daher eine außergewöhnlich hohe Melodieverpflichtung beim Baß lag, die allerdings bisweilen auch zugunsten der rein tanzbaren Rhythmik bei zumeist flottem Grundbeat hintangestellt wurde. Dazu kam ein etwas zu leise abgemischter Gasttrompeter in mehreren Songs, während Pananny zur festen Mannschaft gehörte: Die Dame, oftmals recht leicht bekleidet, sorgte für einen gewissen komödiantischen Aspekt des Konzertes, der nicht zwingend was mit dem musikalischen Geschehen zu tun hatte, also mit Handlungen wie Den-wie-eine-Mixtur-aus-Slipknotmitglied-und-Karotte-aussehenden-Bassisten-zu-Showbeginn-auf-die-Bühne-Jagen, Publikum-im-Armdrücken-Herausfordern oder Mit-dem-zwölften-Mann-Gemüse-Zerkleinern-und-ins-Publikum-Werfen. Den Höhepunkt der Show bildete allerdings der am voluminösesten besetzte Song der Setlist: Drummer Roman, der auch die zentrale Moderation und die gelegentlich eingestreuten Gesangspassagen (bisweilen auch einfach nur aus Lalala-Lyrik bestehend, die man das Publikum mittels Plakatständer dann auch mitsingen ließ) übernahm, wechselte ans Frontmikro (ein Gasttrommler übernahm derweil seinen Job hinten) und bekam Unterstützung von einem fünfköpfigen Damenensemble namens Kolorit, in russischer Festtracht auf der Bühne erscheinend und entsprechend russische Folklore in Gestalt des Liedes "Oreschina" vortragend, die von der Band etwas gehärtet wurde wie der Stahl in Nikolai Ostrowskis Buch (die originale Version von Kolorit ohne Panos kann man sich auf www.myspace.com/koloritev anhören). Auch der Refrain von "Kalinka" war vor einer Verarbeitung im Panos-Kosmos nicht sicher, und große Teile des Materials waren trotz prinzipieller Tanzbarkeit mit Breaks gespickt. Dieser Eklektizismus gefiel dem Publikum offensichtlich, und so wurden auch Panos zu einer Zugabe genötigt, wobei sie ein Cover wählten: "Remmidemmi" von Deichkind, das man in der Fassung von Rotfront mittlerweile richtig liebgewonnen hat, das unter der anarchistischen Herangehensweise von Panos allerdings ein wenig litt, wobei man Panannys Gesang (ja, sie war offensichtlich nicht nur zum Schauspielern da) allerdings nicht durchgängig gut verstehen konnte. Die Partystimmung im Publikum senkte diese Coverversion natürlich nicht, und vielleicht war sie es, die Panos in der Publikumswertung (die im Wettbewerbskonzept nach wie vor die allein entscheidende ist - jeder Stimmzettel mußte zwei von drei Bands angekreuzt sehen, um als gültig erklärt zu werden) den entscheidenden hauchdünnen Vorsprung vor Narph und damit den direkten Einzug ins Halbfinale sicherte. Die Termine und alles weitere Wissenswerte gibt's unter www.nachtschicht-chemnitz.de



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