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Nomans Land, Obscurity, Heathen Foray   30.12.2009   Gera, Sächsischer Bahnhof
von rls

Der Gelegenheiten, die russischen Viking Metaller Nomans Land hierzulande mal live zu erleben, sind nicht eben viele, trotzdem ließ die Füllung des Sächsischen Bahnhofs in Gera, letzter Spielort einer Minitour mit vier Gigs, durchaus noch Reserven nach oben offen. Aber die Anwesenden erlebten einen durchaus unterhaltsamen Gig, den Punkt 21.30 Uhr Heathen Foray eröffneten. Die Österreicher konzentrierten sich naturgemäß auf ihr Debütalbum "The Passage" und spielten sich kreuz und quer durch dessen Material. Der Liveeindruck bestätigte denn auch denjenigen, den man anhand des Studiomaterials gewonnen hatte - eine durchaus vielversprechende Band, die allerdings mit dem Debüt noch keinen großen Wurf, sondern "lediglich" einen gutklassigen Genrebeitrag im Pagan Metal abgeliefert hat. Songs wie "Northstar" oder "Fortress Of Faith" boten jedenfalls auch live gute Unterhaltung, und mit der Doppelhalsgitarre des rechten Gitarristen sowie der punktuellen Bedienung seines Hauptinstrumentes mit einem Geigenbogen fand man auch außergewöhnliche Elemente auf der Bühne vor. Der Bassist, der mit Hut recht stoisch in seiner Ecke verharrte, bildete irgendwie ein eigentümliches Element der Show, und zudem war er akustisch nur schwer vernehmbar, was zwei Stellen, in denen er ein Break zu spielen hatte, einen eher skurrilen Anstrich verlieh. Ansonsten gab es am Klangbild aber nichts auszusetzen - endlich mal ein Soundmann, der kapiert hatte, daß a) Lautstärke nicht alles ist und b) ein Metalgig nicht nur aus Schlagzeug und einer Krachwand zu bestehen hat! Rätsel gaben allerdings die Gitarren auf: Spielten beide Gitarristen Leads oder beide Rhythmusparts, klappte alles. Spielte aber einer Leads und der andere Rhythmusparts (egal in welcher Kombination), hatte man stets den Eindruck, hier würde irgendwas nicht richtig zusammenpassen. Der technisch nur mäßig begabte Rezensent kann keine weitere Ursachenforschung vornehmen; ob es daran lag, daß Heathen Foray nur von einigen Anwesenden bejubelt wurden, muß offenbleiben. Sänger Robert wirkte anfangs etwas steif und nervös, taute aber im Verlauf des Sets zunehmend auf und brachte das Publikum sogar zum Skandieren des Bandschlachtrufes "Hipphipp - Foray!", was zum Gigende gleich noch als Zugabeforderung gewertet wurde; mit dem Spielen von laut Ansage "Ihaargh Of Uaaah" (müßte "Theatre Of Battle" geheißen haben sollen) erreichte das Quintett eine Spielzeit von exakt einer Dreiviertelstunde.
Nach recht zügigem Umbau betraten Obscurity die Bühne. Und siehe da, mancher der Rhythmuswechsel klang tatsächlich recht obskur, auch manche Ansage machte einen obskuren Eindruck (welche germanischen Stämme wurden eigentlich in der Varusschlacht verraten?). Das Quintett aus dem Bergischen Land spielte ebenfalls paganlastigen Metal, aber mit überwiegend deutschsprachiger Lyrik über historische Themen, wobei freilich aufgrund des rauhen Gesanges von Agalaz das Gros im obskuren Bereich blieb. Zumeist hielt sich das Quintett in Midtempobereichen auf, schaltete aber in "Wer Wind säht..." (sic!) auch auf Sturmstärke um, und die beiden Zugaben "Battle Metal" (einer der wenigen aktuellen Songs der Band, die englisch betextet sind) und "Unter der Erde" schraubten den Tempodurchschnitt noch einmal etwas nach oben, nachdem der überraschende Doompart im Closer des regulären Sets, "Ruhm und Ehr'", für dessen Senkung gesorgt hatte. Wie der Schweinegrippevirus breitet sich derzeit der Witz aus, schnelle Songs als langsame anzusagen (in den anderthalb Wochen zuvor gehört bei: Arch Enemy, Swashbuckle, Neaera); auch Agalaz tat dies bei "Im Herzen des Eises". Die Setlist konzentrierte sich auf Material vom neuen Album "Várar", und der Sound war wieder als sehr gut einzustufen - nicht zu laut und alles gut durchhörbar, allenfalls einen Tick schärfere Leadgitarren hätte man noch dankend entgegengenommen. Freilich machte sich nach einem Teil des insgesamt weit über einstündigen Sets eine gewisse Vorhersehbarkeit samt entsprechender Monotonie breit (daher auch die befreiende Überraschung des erwähnten Doomparts), und Agalaz (Optik an Jon Schaffer von Iced Earth erinnernd) konnte einen gewissen Eindruck von Verkrampftheit bis zum Schluß nicht wegwischen, wozu auch die nach wie vor seltsame Sitte der gebrüllten Ansagen beitrug (der auch Heathen Foray erlegen waren). Als er einen Saitenriß seines Gitarristen überbrücken mußte und mit normaler Stimme erzählte, wirkte er jedenfalls viel zugänglicher und einnehmender. Einige Enthusiasten feierten den Gig trotzdem ab, aber das extreme Stroboskoplicht in den beiden Zugaben trieb manchen zur Flucht.
Zehn Minuten der Geisterstunde waren bereits vergangen, als Nomans Land ihren Linecheck ohne pompöses Intro gleich in den Gig übergehen ließen. Auch sie hatten ein neues Album zu promoten, so daß "Farnord"-Material erwartungsgemäß einen nicht geringen Teil der viel zu kurzen 50 Minuten (inclusive zweier Zugaben, von denen die zweite nicht mal eingeplant war, aber vom lautstark fordernden Publikum inclusive des "Katjuscha" singenden Rezensenten erzwungen wurde) bildete. Und ob nun schnelleres Material wie "Valhalla Calls" oder große Hymnen wie "Father North", hier herrschte beste Viking Metal-Unterhaltung auf technisch hohem Niveau und erneut bei sehr gutem Sound. Bandkopf Sigurd sorgte zudem für die einzigen Klargesangsmomente des gesamten Konzertes, was dem hymnischen Faktor eines Teils der Kompositionen natürlich entgegenkam, während Bassist Hjervard die rauhen Gesänge beisteuerte und trotz auch etwas angerauhter Ansagen (die sich aber zumeist auf "Next song is called ..." beschränkten) bedeutend bodenständiger und sympathischer wirkte als seine Kollegen zuvor. Viel mehr läßt sich nicht berichten - es herrschte jedenfalls Partystimmung im Publikum, von dem der eine Teil fleißig bangte, während der andere das Tanzbein schwang und ein dritter, bestehend aus einer schlanken Blondine mit reichlich nackenlangem Haar, gar beides zu kombinieren suchte. Eine russische Band auf der Bühne, russisches Partyfeeling vor derselben - eine schöne Kombination, nur wie erwähnt leider viel zu kurz; da hätte man vom Obscurity-Set noch einiges an Spielzeit gen Nomans Land hinüberschieben können, was auch den erstgenannten vielleicht etwas kurzweiliger gemacht hätte. "Storm Of Steel" pustete das Publikum als Beginn der ersten Zugabe um, bevor der Song immer langsamer wurde, der Sturm sich also offensichtlich legte; was war gleich die zweite Zugabe noch? Egal - ein prima Auftritt der vier Leningrader, äh, St. Petersburger Metaller und ein schöner Abschluß der Konzertrekordsaison 2009 für den Rezensenten (das war Konzertreview Nr. 72/2009).



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