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Damian Wilson, Mangrove   16.10.2009   Pratteln (CH), Z7
von CSB

Das Z7 im schweizerischen Pratteln an der deutschen Grenze gehört sicherlich zu den etabliertesten und angenehmsten Clubs Europas. Die Preise sind stets fair, der Sound zumeist herausragend und auch die sonstigen Begleitumstände für ein angenehmes Konzerterlebnis wie Parkplatzsituation, Getränkeversorgung oder Einlassprozedere sorgen nie für schlechte Laune. In ganz wenigen Fällen kann sich die alte Fabrikhalle aber auch als unpassend erweisen, für Damien Wilson und Mangrove war sie schlicht und einfach zu groß ... So peilt der Rezensent an diesem Abend maximal 40 zahlende Gäste über den Daumen, was angesichts der dargebotenen Qualität auf der Bühne entsetzlich kümmerlich ist.
Die nicht eben gefüllte Halle
Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Aber am ehesten wird es wohl daran liegen, dass der sympathische Wilson zwar an etlichen Bands und Projekten aus dem Prog- und Rockzirkus beteiligt war bzw. ist (Threshold, Ayreon, Rick Wakeman, Landmarq), sein eigenes Material stilistisch jedoch komplett von seinen Brötchengebern abweicht. So ließen sich seine beinahe Liedermacherähnlichen Songzyklen kaum gewinnbringend und popularitätssteigernd unters Progvolk bringen, wenngleich insbesondere sein Erstling "Disciple" und das letzte Werk "Let's Start A Commune" grandiose Poprockkunst darstellen. Im Übrigen gibt es diese Solowerke allesamt als freien Download, da sich Wilson nach eigener Aussage offenbar über seine geringen kommerziellen Aussichten im Klaren und vor allem an der Verbreitung seiner Klangwerke interessiert ist (http://www.damianwilsonmusic.com). Dass Herr Wilson tatsächlich ein ganz seiner Kunst verschriebener Zeitgenosse ist, ließ sich an diesem Abend eindrücklich erleben. Trotz der kümmerlichen Besucherzahl sprang der Fronter noch vor Konzertbeginn durch die ganze Halle, begrüßte jeden Anwesenden persönlich und bedankte sich für das Kommen. Dass es so wenig seien, wäre ja wohl klar, schließlich habe er nur seine allerbesten Freunde eingeladen :-) - das ließ auf einen großen Konzertabend hoffen.

Mangrove
Vorher waren jedoch die Progger von Mangrove dran, die bis auf zwei Shirtträger wohl niemand auf der Rechnung gehabt haben dürfte. Was die vier ganz in weiß gehüllten Holländer dann aber in den nächsten 40 Minuten vom Stapel ließen, war ganz großes Kino. Mangrove zelebrierten allerfeinsten Neo- bzw. Retroprog irgendwo in der Schnittmenge von alten Genesis, Yes, Marillion und Saga auf allerhöchstem Niveau mit allem, was diese wunderbare Spielart ausmacht: ein warmer und ziemlich keyboardlastiger Sound, opulente und epische Arrangements, nachvollziehbare und dennoch vertrackte Melodien und nicht zuletzt wie es sich gehört - exzellente musikalische Fertigkeiten! Allein am etwas kauzigen Stageacting und an den ein wenig unbeholfen wirkenden Aussagen sollte Frontmann und Sänger Roland van der Horst noch ein wenig feilen, irgendwie wirkte das alles aber auch eher sympathisch. Schließlich war es der erste Aufritt in der Schweiz überhaupt und am Schluss hatten Mangrove den stürmischen Applaus der Z7-Horden sicher. Allen Proggies seien die noch ohne Plattenvertrag dastehenden Niederländer wärmstens ans Herz gelegt. Auf http://www.myspace.com/mangrovemusic lassen sich einige Ausschnitte des aktuellen Albums "Beyond Reality" probehören. Ebenso finden sich unter dieser Adresse Liveaufnahmen des Prattelner Gigs vom wahnsinnig starken "Voyager".

Damian Wilson  Damian Wilson

Damian Wilson Band
Damian Wilson ließ sich schon in der anschließenden Umbaupause nicht lumpen, ordentlich mit Hand anzulegen, ein paar Runden durch die Halle zu drehen und mit einigen Fans zu plaudern. Trotz gähnender Leere schien sich der sympathische Fronter die gute Laune nicht verderben lassen zu wollen und war von Beginn an darauf bedacht, für eine familiäre Atmosphäre zu sorgen, was ihm im Verlauf des Gigs nun wirklich eindrucksvoll gelang. So richtig wusste allerdings im Vorfeld wohl niemand, was man von Wilson und seiner prominent und kompetent besetzten Begleitband (mit aktuellen bzw. ehemaligen Mitgliedern von Pain of Salvation, Within Temptation, Elegy, After Forever und Ayreon), die in dieser Form keine eigene Veröffentlichung vorzuweisen hatte, nun eigentlich erwarten sollte. Letztlich entschied man sich für einen repräsentativen Querschnitt von Wilsons gesanglichem Schaffen und bedachte im Prinzip alle Projekte, an denen der Fronter irgendwie mitgewirkt hat. Dass so eine Werkschau durchaus Sinn macht, ist inbesondere dem Umstand geschuldet, dass bis auf Threshold ja kaum noch Bands aktiv sind, die sich sonst um diese Perlen der Rock- und Proggeschichte kümmern würden. Und so kamen die wenigen Glücklichen an diesem Abend in den Genuss der Ayreon-Hymnen "Into The Black Hole" und "Castle Hall", die Rick Wakeman-Tafelrunden-Hits "King Arthur" und "Sir Lancelot And The Black Knight" feierten ihre Wiederauferstehung und auch die beinahe vergessenen Landmarq-Knaller "Solitary Witness" und "Forever Young" wurden nach Jahren mal wieder aufgeführt. Dazwischen hatte Herr Wilson einen längeren Block seiner eigenen Songs untergebracht, die er allein mit der Akustikgitarre bzw. Keyboardbegleitung eines gewissen Nick Slack intonierte.
Auch wenn sich diese Songwritersession ein wenig zog und die Songs nicht ganz so eindrücklich wie auf Scheibe funktionierten, ließ sich besonders in diesen ruhigen Minuten das ganze Spektrum von Wilson enormer Stimmgewalt erleben. Dieser Mann gehört ganz eindeutig zu den besten Sängern der Szene und hätte eigentlich deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient ... Neben seinen stimmlichen Qualitäten ist Damien aber auch einfach nur ein netter Kerl, der ständig den Kontakt mit dem Publikum sucht, scherzt, lacht und selbst nach über zwei Stunden kaum von der Bühne zu bekommen ist. So wollten seine Kollegen nach dem den regulären Set abschließenden Theshold-Kracher "Sanitys End" und einer überragenden Zugabe von AC/DCs "If You Want Blood" schon zusammenpacken, als Wilson im Stile eines Diktators befahl, noch einige "Pop-Classics" zu spielen und Spaß zu haben. So gab die Band noch "All Right Now", improvisierte Versionen von "Satisfaction", "Halleluja" und "Johnny B. Goode" zum Besten, in deren Verlauf auf dringendes Verlangen Herrn Wilsons auch noch einige Zuschauer die Bühne enterten.
Irgendwann war dann wirklich Schluss, weil auch die Fans nicht mehr konnten, obwohl der Frontmann sicher noch einiges auf Lager gehabt hätte. Zum Abschluss lud er noch alle zum Feiern in den Van ein und verabschiedete sich von den nicht mehr Partywilligen, zu denen sich auch der Rezensent zählt, persönlich. Also ehrlich, selten erlebt man so unverhofft nette Abende ...
Mehr Infos:
http://www.myspace.com/damianwilsonofficial
http://www.damian-wilson.com/

Setlist Damien Wilson Band
Forever Young (Landmarq)
King Arthur (Rick Wakeman)
Into The Black Hole (Ayreon)
Starship Trooper (Yes)
Sir Lancelot And The Black Knight (Rick Wakeman)
Commune
Build My World
Please Don't Leave Me
Nothing Without You
Quietly Spoken
Homegrown
Part Of Me
She's Like A Fable
When I Leave This Land
Naked

Solitary Witness (Landmarq)
Castle Hall (Ayreon)
Best Years (Praying Mantis)
Sanitys End (Threshold)

If You Want Blood (AC/DC)
Rock-Classic Session (u.a. All Right Now, Satisfaction, Johnny B. Goode)



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