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Xandria, Monoblock, Lacrima Cruenta   09.06.2007   Zwickau, Alter Gasometer
von rls

Was haben Xandria und Rage gemeinsam? Beide lassen fast immer starke Supportbands mit an den Start gehen. Was haben Xandria und Rage mittlerweile wieder gemeinsam? Ihre aktuellen Auftritte bzw. Erscheinungsbilder senkten den mehr oder weniger stark ausgeprägten hölzern-deutschen Touch ein Stück ab. Beide Fragen sollten im Verlaufe des Gigs auf Relevanz stoßen.
Zunächst betrat ein Quartett namens Lacrima Cruenta die Bühne und brachte das Kunststück fertig, fünfeinhalb Songs zu spielen, denn das Instrumentalstück an Position 5 mußte aufgrund einer durchgerauchten Sicherung nach geschätzt der halben Spielzeit (wenn man die Evolution der musikalischen Ideen als Maßstab nimmt) abgebrochen werden und erfuhr nach Reparatur des Schadens keine Neuaufnahme. Problem an der Frage der musikalischen Ideen und ihrer Erkennbarkeit war ihre Durchhörbarkeit, da das Schlagzeug besonders in den hihatlastigen Passagen wenig andere Klänge neben sich duldete - das betraf nicht nur die beiden Saiteninstrumente, sondern auch den fast kompletten cleanen Gesang sowie Teile des dominierenden angerauhten Sprechgesangs, dessen sich der Frontmann befleißigte. Trotzdem reichte das Durchhörbare, um Lacrima Cruenta eine komische, aber zumindest leidlich originelle Mixtur aus Anathema, Rammstein und Eisregen zu bescheinigen, wobei erstgenannte Band in den Halbakustikpassagen deutliche Spuren hinterlassen hat, während die beiden anderen eher als neutrale Einflußgeber ohne exakte Wiedererkennbarkeit anzusehen waren. Hier und da erlebte man dann gar noch Ausflüge in den Punkrock, und ein Song wie "Verdammt" faßte das ganze Spektrum der nach eigenem Bekunden schon geraume Jährchen aktiven, aber bisher noch auf keinen richtigen grünen Zweig gekommenen Band gut zusammen (positiverweise handelte es sich nicht um ein Cover von Wolfgang Petry ...).
Monoblock genossen Heimvorteil und nutzten diesen auch konsequent aus. Im sieben Songs umfassenden Set griffen sie nur einmal auf ihr Debütalbum "Blutige Jahre" zurück, und dessen Titeltrack entpuppte sich als recht abwechslungsreicher Gothic Metal mit leichten Black Metal-Einflüssen, die hauptsächlich durch die gekreischten Gastvocals des Gitarristen ihre Hörbarmachung erfuhren. Die anderen Songs aber stammten vom neuen Album, und sie machten deutlich, daß Monoblock offensichtlich eine ähnliche Entwicklung durchgemacht haben wie Ancient Prophecy und vom Gothic-Act zur progressiven Power/Speed-Band mutiert sind. Gewisse Düstereinflüsse ließen sich natürlich auch in diesen Songs noch vernehmen, aber der Drummer (der passenderweise ein Disillusion-Shirt trug) schraubte das Tempo so weit nach oben, daß der Gothicaspekt schon dadurch unter die Grasnarbe verbannt wurde, der Gitarrist setzte traditionelle Metalriffs und -soli dazu, und der Keyboarder flitzefingerte durch die Soli, daß es eine wahre Freude gewesen wäre, wenn man die denn besser bzw. überhaupt gehört hätte. Über einen Bassisten verfügten Monoblock aktuell nicht, aber irgendwie vermißte man auch keinen Baßsound bei ihnen - sie ließen diesen zwar vom Band einspielen, aber man hörte ihn ebenfalls kaum, und trotzdem entstand ein erstaunlich rundes Klangbild, dem wie gesagt nur noch die zwar sicht-, aber nicht hörbaren Farbtupfer des auch bühnenpositurtechnisch stark engagierten Keyboarders fehlten. Die Sangesposition haben Monoblock doppelt besetzt, und während die männliche Hälfte quasi in allen Lagen von klar bis brüllend überzeugte, hatte seine Partnerin ihr Optimum offensichtlich in den höheren Lagen, wohingegen die tieferen bisweilen leicht zu wackeln schienen, was allerdings auch ein Soundproblem gewesen sein könnte. Im Closer "Mein Freund, der Traum, ist tot" (Ähnlichkeiten zu einem Alexandra-Klassiker sind sicher nicht zufällig) übertrieben es Monoblock phasenweise mit dem Versprühen des Pathosnebels, allerdings hatte auch dieser Song genug hochklassige Passagen intus, um neben seinen Kollegen bestehen zu können. Lauter Applaus belohnte Monoblock für diese hervorragende Vorstellung, skurrilerweise forderte jedoch niemand eine Zugabe ein.
Xandria haben innerhalb von reichlich vier Jahren immerhin schon ihr viertes Album an den Start gebracht - keine schlechte Quote für eine deutsche Band "ohne Vergangenheit". Konnten sie schon mit dem Debüt "Kill The Sun" ein Ausrufezeichen setzen, so haben sie sich über die Jahre hinweg weiter eingenischt, aber gleichzeitig auch versucht, die Grenzen der Nische weiter nach außen zu dehnen. Natürlich sind Parallelen zu Within Temptation nach wie vor allgegenwärtig festzustellen, aber es gibt deutlich schlechtere Bands, an denen man sich orientieren kann, wenngleich Xandria nach wie vor zu wenig aus ihren Möglichkeiten machen, gerade im gitarristischen Bereich. Wenn man schon einen phantasievollen Leadgitarristen besitzt, darf man dessen Stärken durchaus öfter ausspielen, wobei ein Song wie das neue "Save My Life" durchaus schon in die richtige Richtung weist, aber dafür bei der Ausgestaltung des Refrains wiederum ein paar Wünsche nach mehr Mut zur Nichtstromlinienförmigkeit offenläßt. Ein ähnliches Verdikt kann man auch über "Salomé" ziehen, den Titeltrack der neuen CD, der rein songwriterisch zu den anspruchsvollsten und besten Kompositionen gehört, die sich die Bielefelder jemals erdacht haben, der mit intelligenten Tempowechseln nur so um sich wirft, dessen schwächstes Glied aber wiederum der zu unauffällige Refrain bildet, wobei das in diesem Fall als Jammern auf hohem Niveau durchgeht, denn 90 Prozent aller Stilkollegen hätten selbst diesen Part noch mit Kußhand übernommen. Stilbrüche blieben zumindest in den an diesem Abend gespielten neuen Songs aus, so daß der komplette anderthalbstündige Set einen homogenen Eindruck hinterließ und lediglich gegen Ende des regulären Teils noch ein wenig aufgelockerter hätte gestaltet werden können, etwa mit noch einer Halbballade der Marke "Ever Sleeping". Der speedige Closer "Goodbye To India" erstickte solche Gedanken allerdings schnell wieder und blieb auch der einzige Song mit akuten Soundproblemen, da der Soundmensch, der sich zuvor ein meterdickes Lob für den besten und klarsten Sound, den ich je im extrem schwierig zu beschallenden Rundbau des Gasometers gehört habe, verdient hatte, der alten Berufsstandskrankheit anheimfiel, die Regler gegen Setende nach oben zu schieben, was in Verbindung mit dem sehr "dichten" Drumming dieses Songs den Effekt herbeiführte, daß man nach dem Hauptsolo quasi nur noch Drums hörte - bei den Zugaben normalisierte sich der Zustand allerdings wieder. Einen großen Sprung vorwärts kann sich Sängerin Lisa bescheinigen lassen - nicht so sehr gesanglich, denn was sie da kann, ist bekannt, sondern bei den Ansagen, die lockerer und im normalen Tonfall daherkamen, das Angestrengte vom Februar-2006-Gig in Glauchau größtenteils abgelegt hatten und ein gutes Stück dazu beitrugen, den eingangs erwähnten latenten hölzernen Touch der Vergangenheit etwas zu marginalisieren (der andere Teil des Beitrages für diesen Schritt gehört wie bereits erwähnt dem Songwriting für den Titeltrack von "Salomé"). Die Setlist querte die vier Alben der Band komplett, berücksichtigte also auch mit zwei Songs ("Kill The Sun" und "Isis/Osiris") noch das Debütalbum, fand ihre drei Höhepunkte aber dennoch in "Salomé", "Goodbye To India" und dem gewaltigen, leicht doomigen Epos "Snow White" und vergaß natürlich auch den gewissen Hit von "Ravenheart" nicht, der wieder den Zugabenblock einleitete. Alle Bandmitglieder präsentierten sich trotz tropischer Temperaturen in konditioneller Bestform (möchte nicht wissen, was der stark beschäftigte Drummer oder der permanent vom linken zum rechten Bühnenende und zurück sprintende Bassist während der anderthalben Stunde ausgeschwitzt haben) und trugen ihr Scherflein zu einem sehr starken Gig bei, der endgültig dafür sorgen sollte, daß Xandria den bisweilen noch latent spürbaren Ruf des Industriehypes (immerhin sind sie damals aus dem Stand bei einem der stärksten deutschen Labels, nämlich Drakkar, gelandet) verlieren, denn das würde ihrer harten und ehrlichen Arbeit (komme niemand und beschwere sich über die omnipräsenten Orchester- und Effektsamples - keiner verhehlt, daß die eben aus der Konserve kommen und nicht von hart zu arbeiten vorgebenden Bühnenmusikern, und das ist zweifellos eine ehrliche Lösung) nicht gerecht. Zudem überraschte der doch recht ansehnliche Zuschauerzuspruch angesichts der Tatsache, daß im wenige Kilometer entfernten Reichenbach das alljährliche Open Air des dortigen Metalclubs auf dem Programm stand. Starkes Konzert!



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