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Grave Digger, Astral Doors, Stormhammer   19.02.2005   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Schön, wenn Kritik tatsächlich mal zu Verbesserungen führt (was ja eigentlich auch ihr originärer Zweck ist - das vergessen diverse Schreiberlinge anderer Magazine mitunter gern). Wir erinnern uns an das fürchterliche Zeitmanagement der Grave Digger-Spinnerei-Gigs anno 2000 und anno 2002, wo zur verbrieften Anstoßzeit 21 Uhr (die sowohl in der Presse als auch auf den Eintrittskarten vermerkt war) der Support White Skull bzw. der erste Support Tierra Santa ihren Set bereits wieder beendet hatten. Darüber hatte ich mich in meinem Review zum zweitgenannten Gig auch ausführlich ausgelassen (da ich gerade auf Tierra Santa sehr gespannt gewesen war, aber von denen nur noch die letzten zweieinhalb Songs mitbekommen hatte). Diesmal war ich, da ich die an erster Setposition angekündigten Astral Doors auf gar keinen Fall verpassen wollte, bei wiederum verbriefter Anstoßzeit 21 Uhr sicherheitshalber um 19.45 Uhr vor Ort - da war der Einlaß (der eigentlich 20 Uhr hätte beginnen sollen - aber man wollte die Fans wohl nicht in der Kälte stehen lassen) auch schon im vollen Gange. Diesmal allerdings wurde die Anstoßzeit von 21 Uhr eingehalten, was also den ebenfalls im damaligen Review genannten anderen Extremfall (man kommt sehr früh, um nichts zu verpassen, wartet dann aber noch entsprechend lange) evozierte. Zum Glück hatte ich dem vorgebeugt und ein Buch mitgebracht, so daß ich die Zeit wenigstens noch sinnvoll mit Lesen verbringen konnte. Bleibt die spannende Frage, ob das diesmalige Zeitmanagement nur ein "Ausrutscher" war, der nächste Gig also wieder in die bewährten Probleme zurückfällt, oder ob die Situation tatsächlich stabil bleibt (gelegentliche Unwägbarkeiten können bei dem unsteten Tourleben natürlich immer mal vorkommen, da sagt ja auch niemand was dagegen). Zu wünschen wäre natürlich zweitgenannte Option, von der ich mich beim nächsten Mal gern überzeugen lasse.
Die nächste Überraschung kam, als nach einem wenig aussagekräftigen Intro nicht die erwarteten Astral Doors, sondern Stormhammer auf die Bühne kamen. Diese Truppe hatte ich vor viereinhalb Jahren an gleicher Stelle schon mal gesehen (das war die Tour mit Lefay, Angel Dust und Steel Prophet, wenn ich mich recht erinnere), und der damalige Sänger hatte mit extrem hohen Schreien mein Gehör beinahe genauso beeinträchtigt wie 2002 Wade Black von Seven Witches auf der Annihilator-Tour (und ich hatte bei beiden Gigs Gehörschutz drin!). Der diesmalige Sänger, in einen langen Ledermantel gehüllt, intonierte seine Gesangslinien deutlich tiefer und streute auch mal ein deathmetallisches "Uaaah" ein, während die dreiköpfige Saitenfront recht saubere Backings sang. Ein späterer Blick auf die Bandhomepage offenbarte allerdings das Paradoxon, daß zumindest laut dem dortigen Bandstammbaum der heutige Sänger Tommi auch damals schon mit von der Partie gewesen sein soll. Komisch. Im Tonträgerbestand habe ich von Stormhammer nur den 2001er Zweitling "Cold Desert Moon" und diesen als durchaus gutklassiges Teutonenmetalscheibchen in Erinnerung (müßte ihn bei Gelegenheit mal wieder einwerfen); "Sinner's Soul", der Opener dieser Scheibe, überzeugte mit furioser Instrumentalarbeit und bildete dementsprechend auch das Glanzstück des Sets. Das Debüt "Fireball" dagegen ist mir ebensowenig bekannt wie das neue Album "Lord Of Darkness" (letztgenanntes stellte erwartungsgemäß einen Gutteil des Sets), so daß ich zu diesen Songs nur aufgrund des Liveeindrucks was sagen kann. Und der war insgesamt durchaus positiv, wenngleich die den Set abschließende Bandhymne "Stormhammer" einen eher recht holzhammergeprägten Umgang mit der Frage der Betonung in der englischen Sprache und der Umsetzung eines Textes in einen Refrain verriet. Die kniend intonierte pathetische "Hail Lucifer"-Passage in "Lord Of Darkness" hätte sich Tommi (der in der Ansage dieses Stückes bekundete, daß es ihm persönlich sehr wichtig sei) auch sparen können, da sie eher peinlich als etwa rebellisch wirkte - es mache ihm gelegentlich jemand klar, daß er nicht bei Dark Funeral singt. Was fiel sonst noch auf? Der neue Drummer Chris überzeugte durch sehr intensive Arbeit hinter seinem Instrument, überdeckte aber akustisch schon etwas zuviel vom Rest der Musik, der riesige Bassist Horst und der kleine Rhythmusgitarrist Manny wechselten bei "Stormhammer" ihre Position auf der Bühne, was beiden aufgrund der jeweiligen Mikrohöhe akute Probleme beim Backgroundgesang einbrachte, und Manny hatte noch genau die gleiche zeitlose Frisur wie vor Jahren.
Astral Doors sorgten danach ebenfalls für eine Überraschung, denn sie hatten sich noch einen zweiten Gitarristen zugelegt. Der sah zwar aus wie eine Kreuzung aus Trouble-Hippie und Skandi-Rock'n'Roller, spielte aber eine weiße Flying V und übernahm auch einen Teil der Leadarbeit. Daß er kein Frischling war, machte auch hier ein späterer Blick auf die Bandhomepage deutlich, denn es handelte sich um genau den Martin, der auf dem Debüt noch am Baß zu hören gewesen war, mittlerweile aber, dieses Amt an Mika weitergebend, an die zweite Gitarre gewechselt ist. Allerdings sorgte sein Mitwirken auch dafür, daß Keyboarder Jocke akustisch relativ stark untergebuttert wurde, seine Uralt-Orgelparts also nicht die atmosphärische Wirkung entfalten konnten, wie sie das auf den zwei Studioalben tun. Prinzipiell tat das der Klasse der Songs aber nicht allzuviel Abbruch (was als großes Kompliment zu werten ist - viele Songs zahlreicher Bands funktionieren ohne die eine oder andere im Studio relevante Komponente eben nicht). "Of The Son And The Father" etwa transportierte auch live den besten "Heaven And Hell"-Gedächtnisgroove, den man sich nur irgendwie vorstellen kann, "Time To Rock" stellt zumindest von der Aussage her den ultimativen Opener dar (Astral Doors verzichteten auf ein Intro und legten direkt mit diesem Song los, der trotz seines musikalisch gar nicht so forschen Charakters gut auf die folgende reichliche halbe Stunde urtümlichen Hardrocks einstimmte), und im Laufe der Spielzeit fand die Band auch einen guten Mix aus speedlastigen Exempeln ("Bride Of Christ", textlich mal wieder mit dem alten Priester- und Mißbrauchsthema - sollte die mediale Präsenz solcher Vorfälle in Schweden tatsächlich so immens sein?), mannigfachem Midtempo ("Hungry People" oder "Man On The Rock", letzteres übrigens ohne die zweite Halbzeile im Refrain, die auf Konserve "... like Jesus Christ" heißt) und schleppenden, aber trotzdem zu keiner Sekunde langweiligen Kompositionen ("Of The Son And The Father" oder "Evil Is Forever", wobei im epischen Intro des letztgenannten endlich auch Jocke mal seine Fähigkeiten hörbar demonstrieren konnte). Auf "Lionheart" vom neuen Album "Evil Is Forever" verzichtete man allerdings - dafür sollte später noch ein gleichnamiger Song erklingen. Livehaftiger Mittelpunkt von Astral Doors ist (trotz intensiver Bemühungen von Gitarrist Joachim um Stageaction) eindeutig Sänger Patrik, der wie eine Kreuzung aus Ozzy und Peter Tägtgren aussieht, sich vom Gesangsstil her zumindest an diesem Abend ein klein wenig von Dio wegzubewegen versuchte (im Studiomaterial von Astral Doors klingt er ja zumeist originalgetreu wie der Sohn von good old Ronnie, agiert aber bei Wuthering Heights und Richard Andersson's Space Odyssey etwas vielschichtiger) und dies auch schaffte, trotzdem aber jederzeit wiedererkennbar blieb und jedem Dio-Altfan ein seliges Lächeln ins Gesicht gezaubert haben dürfte, zumal er von der Performance her ebenfalls einige Dio-Elemente originalgetreu übernommen hatte, so beispielsweise in einigen sonst gesangsfreien Bridges das Zeigen auf bestimmte Publikumsteile verbunden mit den Worten "and you ... and you ... and you ..." (wonach wir alle wußten, daß wir nach seiner Interpretation hungry people sind). Astral Doors ernteten unterm Strich sehr positive Reaktionen beim vielköpfigen Publikum, das zumindest teilweise bereits mit der Band vertraut schien und zwischenzeitlich lautstark "Cloudbreaker" forderte, das gegen Setende dann auch tatsächlich erklang und die letzten Wolken des Zweifels, es mit einer sehr vielversprechenden Band zu tun zu haben, beiseiteschob (falls es diese Wolken überhaupt jemals gegeben haben sollte).
Was konnte man von Grave Digger erwarten? Die Institution des deutschen Traditionsmetal (neben einigen Weggefährten) hatte mich auf der 2002er Tour bitter enttäuscht (eine Meinung, mit der ich auch im Redaktionskontext nach wie vor allein dastehe), die beiden seither erschienenen Alben "Rheingold" und "The Last Supper" haben sich noch nicht in meiner Sammlung eingefunden. Aber, um es vorwegzunehmen, das Fazit über den diesmaligen Gig fällt deutlich positiver aus, wenngleich etliche der 2002er Kritikpunkte auch anno 2005 noch relevant bleiben (und vermutlich wie damals auch den größten Teil des Publikums nicht störten - die gefüllte Halle zeigte sich jedenfalls mal wieder reichlich in Feierlaune). Größtes Ärgernis war wiederum der Sound. Hatten schon Stormhammer und Astral Doors leichte Probleme mit zu lauten Drums gehabt, so schraubte man zu Grave Digger den allgemeinen Pegel noch einmal gewaltig in die Höhe, so daß speziell Stefans Bassdrums mal wieder akustisch sehr viel niederknüppelten (ganz besonders herb war's im ersten Teil des Chorus von "Morgane LeFay", in der Studioversion bekanntlich eine atmosphärische Meisterleistung mit leise im Hintergrund grollenden Doublebassattacken - live gelang genau dieser Hintergrundeffekt nicht, und die Bassdrums übertönten fast alles andere). Daß man auch bei hoher Lautstärke immer noch klare Soundbilder fahren kann, haben Manowar mehrmals bewiesen - ich weiß nicht, ob ich da mit meinen Ansprüchen alleine dastehe, aber wenn ich zu einem Metalgig gehe, will ich etwas mehr als nur pure Dröhnung (nennen wir es "Strukturierten Lärm") zu hören bekommen, denn die kann ich mir zu Hause mit rhythmischem Ein- und Ausschalten eines Bosch-Hammers einfacher und billiger erzeugen. HPs Keyboardeinwürfe konnte man dementsprechend nur in den Intros wahrnehmen, nur sehr selten mal in den Songs selbst (positive Ausnahme: das erstklassige doomlastige Epos "The House"), und auch von Mannis Gitarrenarbeit ging etliches unter. Manni hat sich stilistisch mittlerweile übrigens besser eingefügt, sein Spiel im Kontext der Songs aus der Lulis-Ära wirkt nicht mehr so stark wie ein Fremdkörper, und allzu offensichtliche Ausfälle leistete er sich (jedenfalls soweit man es hören konnte) diesmal auch nicht. Seine Bühnenperformance aber macht nach wie vor einen mehr als hölzernen, im negativen Sinne "bäuerischen" Eindruck, wenngleich er in der Bandvorstellung mit einer lang ausgespielten Superstarpose durchaus Ironiefähigkeit bewies (wenn sie denn gespielt war - ansonsten zimmert dieses Detail einen weiteren Nagel ins Thesengebälk). Die Aussage mit der geringeren Ausfallquote trifft diesmal auch auf Drummer Stefan zu, dessen Drumstickjongliereinlagen diesmal nicht zu ungewollten Breaks führten, wenngleich das wiederkehrende lange Break in "The Dark Of The Sun" nach wie vor komisch klingt. Apropos komisch: Ich konnte auch in den rasendsten Doublebasspassagen keinerlei Anschläge in den Bassdrums sehen, statt dessen auch in solchen Passagen manchmal das Bedienen eines der Becken mit dem linken Fuß. Ein biologisches Wunder? Man entscheide selbst. Einen gewohnt souveränen Eindruck hinterließ Bassist Jens, und Chris führte mit offensichtlich echter guter Laune souverän durchs Programm, wenngleich er gesanglich zwischen Höchstform und einigen Ausfällen pendelte (keine Ahnung, welche Melodievariante er da im Chorus von "Excalibur" singen wollte - er überließ klugerweise bald dem Publikum das Intonieren des Chorus, das diese Aufgabe auch dankbar wahrnahm). Mit elf Studioalben in der Hinterhand (zählt man "Stronger Than Ever", unter dem Digger-Banner veröffentlicht, mit) gerät das Aufstellen der Setlist natürlich zur Tortur - klugerweise verzichtete man diesmal aber auf ein hölzern zusammengestricktes Medley (ein solches hatte 2002 den Tiefpunkt des Gigs markiert). Die Alben zwei ("Witch Hunter") bis fünf ("The Reaper") blieben außen vor, und die Songverteilung auf die restlichen Alben beinhaltete zumindest im regulären Set keine größeren Überraschungen (wenn man "The Curse Of Jacques" von "Knights Of The Cross" nicht als solche interpretieren möchte). Die (wenn ich mich nicht verzählt habe) drei Beiträge vom "Rheingold"-Album (neben dem mir noch vom RockHard-Sampler bekannten "Valhalla" noch "Twilight Of The Gods", das den regulären Set beschloß, und der Titeltrack im Zugabenblock) ließen allerdings den Wunsch offen, das Anspruchsniveau der Refrains hätte dem des behandelten Sujets etwas mehr angeglichen werden sollen. "The Grave Digger" eröffnete den Zugabenteil, bevor die marschierenden Clans wieder von der Leine gelassen worden - und zwar in deutlich energischerer Version als die Routineübung anno 2002, nur mit einem Problemfall behaftet: Diesmal nämlich spielten die Soundverhältnisse HP einen ganz anders gelagerten Streich - er war zwar deutlich zu hören, aber seine Dudelsackimitation im Mittelteil klang derart grell-blechern, daß es nicht mehr feierlich war. Feierlich wurde es dann aber mit dem Beginn des zweiten Zugabenblocks: Man hatte schon vermutet, Grave Digger würden diesmal gar keine Ballade spielen, aber sie gruben doch noch eine aus - und zwar "Yesterday" vom ersten Album! Dieser Song bildete zweifellos die positivste Überraschung im Set, der über das erwähnte "Rheingold" in einer leichtfüßigen und hochgradig partytauglichen Version von "Heavy Metal Breakdown" gipfelte. Damit endete eine insgesamt gute Metalparty, die aber für die nächste Auflage immer noch genügend Steigerungsmöglichkeiten offenläßt. Die generelle Richtung stimmt aber wieder.



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