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Winternachtstraum-Festival   11.-12.02.2005   Arnsberg, Schützenhalle Oeventrop
von tk

Winternachtstraum
Freitag, 11.02.
Mit dem zweiten Winternachtstraum-Festival (www.winternachtstraum.com) führte der Veranstalter sein Bestreben fort, den deutschen Metal-Underground mit größtmöglichem Engagement zu fördern und bewusst nicht auf Kommerz, sondern auf umfassende Promotion für die Bands zu setzen. Der Titel "Winternachtstraum" mag zwar angesichts der überwiegend auf Prügel- und Knüppelbands ausgerichteten Veranstaltung nicht unbedingt glücklich gewählt sein. Insgesamt ist die Idee und das Konzept dieses Festivals aber eine unterstützenswerte Sache, der wir uns als Förderer des Undergrounds natürlich gerne annehmen.
Der freitägliche Winternachtstraum fiel wettermäßig buchstäblich ins Wasser, aber schon die zweite Band MINDCRIME (den Opener BEREAVED habe ich nicht mitbekommen) ließ angesichts frischer und knalliger progressiver Powermetal-Mucke mit leichten Thrash- und Deathmetal-Einsprengseln in der Schützenhalle Oeventrop die Sonne wieder scheinen. Im Verlaufe des Sets stellte sich heraus, dass die Herrschaften bei den Großen auch schon mal gerne abgekupfert haben, aber den Metal könnten selbst Priest und Maiden heute nicht noch mal neu erfinden.
Ein wirklich sicker Haufen aus Köln bestieg anschließend die Bühne: GUERRILLA, die sich selbst als "Sexualexperten des Metal" bezeichnen. Nun gut, die Statements des Sängers wie auch die Grimassenschneiderei (insbesondere die des Bassisten) muteten doch recht albern an, allerdings muß ich den Herren aus der Domstadt eine wirklich tadellose spielerische Leistung bescheinigen. Den Stil könnte man als schizoiden Thrash/Death bezeichnen, der von halsbrecherischen Licks und Tempiwechseln lebte. WATCHTOWER und EXTOL hätten ihre Freude an dieser Truppe gehabt.
Die Hamburger BÄD INFLUENCE verwirrten mich dann aber zusehends, denn hier war eine stilistische Zuordnung gänzlich nicht mehr möglich. Interessanterweise baute man beim Opener des Sets zusätzlichen Trommelschlag und ein Didgeridoo ein, so dass die Neugier der Besucher in jedem Fall geweckt war. BÄD INFLUENCE mischten Powermetal mit Thrash und Death, tranceartigen Versatzstücken und einem Hauch von Gothic. Immerhin schien die komplette Fangemeinde anwesend zu sein und feierte ihre Helden ab.
TEMPLE OF DEAD, welche lediglich als ORDEN OGAN-Sideproject mit ausgeliehenem Growler existieren, fuhren dann wohl die massivste Soundwand des Abends auf. Brutal Deathcore war angesagt, der vor allem vom jungen Publikum begeistert aufgenommen wurde. Tonnenschwere, ultratiefe Grooves wechselten sich mit kurzen Blastspeed-Attacken ab. Mein Genick sagte Dankeschön.
Und dann folgte die Band, die mich einfach nur wegblies: FINAL BREATH aus Würzburg. Diese Herrschaften legten mit Abstand das genialste Old School-Thrash/Death-Brett hin, das ich seit langem gehört habe. Der Vierer arbeitete auf der Bühne wie ein Schweizer Präzisions-Uhrwerk, thrashte auf technisch höchstem Niveau alles in Grund und Boden und kam bei bei diesem vernichtenden Rundumschlag auch noch recht sympathisch rüber, allen voran Schreihals Jürgen "Eumel" Aumann. Diese Band lässt SODOM, DESTRUCTION und KREATOR im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen.
Dass der Headliner AGATHODAIMON dem schwerlich noch einen draufsetzen konnte, erschien vorprogrammiert. In der Tat zeigte sich schon beim verspäteten Soundcheck, dass der Sound alles andere als ein Genuß werden sollte. Besonders der Drum-Sound klang arg nach Blechbüchse und die synthetisch wirkenden Keyboardpassagen hätte man von Bandseite aus getrost außen vorlassen können. Der Symphonic Death/Black der Mainzer waberte unspektakulär durchs Hallenrund und selbst bei den Blastspeed-Tracks wollte der Funke nicht so richtig zünden. Ihrem Headliner-Status konnten AGATHODAIMON in dieser Nacht leider nicht gerecht werden.

Samstag, 12.02.
Da zur samstagnachmittäglichen Stunde wettermäßig Weltuntergangsstimmung herrschte, noch dazu der BVB ein Heimspiel hatte, brach ich erst später Richtung Sauerland auf, um gerade pünktlich zum Gig von CONTRADICTION einzutreffen. FORWARD TO CROWNTREE, AMOK VEDAR und SOLAR FRAGMENT habe ich demnach logischerweise nicht sehen können. Die Wuppertaler holzten sich recht ordentlich durch ihre aus Old-School-Thrash und einigen Metalcore-Elementen durchsetzte Setlist, wobei der Sound doch einige Wünsche offenließ.
Anschließend hieß es: Willkommen im Schlachthof zu Oeventrop. DEBAUCHERY luden zu einer derben Mischung aus groovendem Deathmetal der Marke SIX FEET UNDER und Blastspeed-Attacken ein und hatten auch mit kunstblutigem Corpsepaint dafür gesorgt, dass ihr Gemetzel entsprechend optisch aufgewertet wurde. Dass der Mann am Mikro nach diesen ultratiefen Grunz- und Röchelarien noch funktionsfähige Stimmbänder haben sollte, darf glatt als medizinisches Wunder gewertet werden. Besonderer Blickfang: Der Bassist, den man auch locker als Sumo-Ringer auf die Matte hätte schicken können.
Die Bay Area-Thrasher DELIRIOUS aus Hamm hatten in Arnsberg ein Heimspiel, aufgrund der frenetischen Reaktionen wohl auch ihren eigenen Fanclub mitgebracht. Sänger Betty ließ in mir aufgrund seines Körperumfangs und einer meterlangen Matte schmunzelnd Assoziationen zu Luke Renno von CRIMSON THORN aufkommen, wobei er seine Stimme recht variabel einsetzte und auch als Powermetal-Shouter gute Chancen hätte. Die Rhythmus-Fraktion sorgte für den entsprechenden Druck, wobei man die beiden Äxte nicht ganz so gellend schrill hätte abmischen müssen. Ein spieltechnisch sauberer, wenn auch nicht überragender Gig der Westfalen.
Die erste Band, die mich an diesem Abend auf ganzer Linie überzeugen konnte, waren die Melodic Deather BURDEN OF GRIEF. Sie schlugen die perfekte Brücke zwischen klassischem Metal der Marke MAIDEN und modernem melodischen Deathmetal. Der Sound war zwar immer noch nicht das Gelbe vom Ei, besserte sich aber allmählich im Verlaufe des Sets. BOG servierten der Gemeinde jedenfalls einen überaus leckeren Happen an metallischer Musizierkunst, der beim Publikum durchweg positive Reaktionen hinterließ.
Die WNT-Hausband und Veranstalter des Festivals ORDEN OGAN hatten sich wohl arg verkalkuliert und ihren Set zu weit vorn in der Running Order platziert. Der Euro-Symphonic-Power/Speedmetal der Marke "austauschbare Massenware" konnte den von zahlreichen Pleiten, Pech und Pannen inkl. ellenlanger Mitmacheinlagen von Seeb gezeichneten Gig nicht wirklich retten und passte auch irgendwie nicht zur musikalischen Ausrichtung dieses Festivals. Tut mir leid Jungs, aber dieser Schuss ging ordentlich nach hinten los.
Gott sei gedankt, enterte mit der Düsseldorfer Todesbleitruppe SUIDAKRA (denen ich im Rückblick auf das gesamte Festival klar den Headliner-Status zuerkennen muss) eine Band die Bühne, die von vorne bis hinten rulte und die bangenden Massen zu Begeisterungsstürmen hinriß. Mir nur aus diversen Magazinbeiträgen oder Anzeigen bekannt, brannten SUIDAKRA ein melodisches Folk-Death-/Blackmetal-Feuerwerk ab, welches hochgelobte Genrevertreter wie IN FLAMES oder DARK TRANQUILLITY eigentlich vor Neid erblassen lassen sollte. Endlich konnte auch ein amtlicher Livesound aufgefahren werden und das Drumkit klang nicht mehr nach Blechdose. Mit keltischen Einflüssen und tollen doppelstimmigen Gitarrenmelodien ließen es die Mannen vom Rhein ordentlich krachen und zeigten ein rundherum professionelles wie abgeklärtes Stageacting. Grandios!
Sicherlich harrten die meisten der Anwesenden wegen RAGE noch aus. Die lange Umbaupause ließ den Gig aber dermaßen weit in die Nacht hinein wandern, dass mir zu dieser Uhrzeit ein warmes, kuscheliges Bett auch sehr entgegen gekommen wäre.
Dass RAGE in Sachen Powermetal nach wie vor in ihrer eigenen Liga spielen, brauche ich an dieser Stelle nicht explizit zu erwähnen. Aber die familiäre Atmosphäre dieses Gigs, die enthusiastische Stimmung des Publikums und eine sich in bester Spiellaune präsentierende Band verhinderten nahezu automatisch Müdigkeits- und Gähnattacken, die ohne die Herren auf der Bühne zu weit vorgerückter Stunde unvermeidlich gewesen wären. Peavey & Co. ließen spieltechnisch erwartungsgemäß nichts anbrennen. Für das neuerlich erlebte Drum-Entertainment des Herrn Terrana gibt's auch diesmal wieder das Prädikat "göttlich" und über die spielerische Leistung eines Victor Smolski an der Sechssaitigen möchte ich auch nicht großartig Worte verlieren. Der Schwerpunkt der Setlist lag angesichts der gerade abgeschlossenen Jubiläumstour bewusst auf den älteren Songs, die allesamt frenetisch abgefeiert wurden.
Insgesamt ein rundherum gelungenes Festival, das sich angesichts besucherfreundlicher Preise und wirklich sehenswerter Bands in der Region etabliert haben sollte. Allerdings sollte man gerade am Samstag zwei bis drei Bands weniger einladen, um den Headliner (für den man auch länger als 100 Minuten Spielzeit einplanen darf) nicht erst dermaßen spät auf die Bretter schicken zu müssen.



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