www.Crossover-agm.de VICTOR SMOLSKI: Majesty And Passion - J.S. Bach
von ta

VICTOR SMOLSKI: Majesty And Passion - J.S. Bach   (Drakkar)

Bach ist eine Fundgrube, ein musikalischer Steinbruch, an dem abzuarbeiten - wie die Zeit zeigte - durchaus nicht dem klassischen Metier vorbehalten ist. Die Vorteile einer Uminterpretation der Bachschen Werke gegenüber den Werken vieler anderer Komponisten sind verschiedener Natur. Ein trivialer soll hier genannt werden, er ist praktischen Ursprungs: Bachs Kompositionen sind nicht zwingend auf eine bestimmte Instrumentierung angelegt - was auf die Musik eines großen Teils seiner, allerdings unbekannteren, Zeitgenossen auch zutrifft -, ihre Umsetzung ist variabel, ihr Wert liegt nicht primär in ihrer instrumentellen Gestaltung. Das heißt auf der einen Seite, dass es nicht verwundern muss, dass Bach öfter im Jazz- oder Rock-Bereich zitiert wird als etwa Mozart, Bruckner oder Schönberg, auf der anderen Seite muss sich ein Musiker, wenn seine Bach-Umsetzung gelungen ist, darauf beschränken, zuzugeben, der Bachschen Basis lediglich ein paar Tupfer hinzugefügt zu haben. Das Hauptverdienst am gelungenen Resultat trägt immer noch der Komponist, nicht der Interpret.
Smolski, in Metallerkreisen bekannt als hauptamtlicher Sechssaitenartist bei Rage, meint, Bachs Kompositionen ein paar treffende Elemente hinzufügen zu können. Nun, diese Meinung ist - Voilà! - ganz berechtigt, denn "Majesty And Passion" ist ein Sahnestück der popularmusikalischen Bach-Interpretation geworden. Virtuos und ausschweifend, dabei gleichsam differenziert wie originell ist seine Bearbeitung ausgefallen. Ein versierter Gitarrist, verschiedene nicht weniger versierte Begleitmusiker an Gitarre, Keyboard, E-Bass und Schlagzeug sowie ein beinahe nur aus Streichern bestehendes Orchester teilen sich eine knappe Stunde lang ein paar Mikrofone, in die überwiegend Bachsche Kompositionen intoniert werden. (Die letzten vier Titel des Albums sind Smolski, nicht Bach, beinhalten hardrocklastige Instrumentalmusik auf hohem technischen Niveau, aber keineswegs dahingefrickelt, sondern zurückhaltend arrangiert und gespielt. Im Bann des Nachklangs des Vorherigen sind die Stücke aber m.E. verzichtbar.)
Smolski gehört nicht zu den selbsternannten Avantgardisten, die Bach durch den Fleischwolf drehen, bis er nicht mehr wiederzuerkennen ist. Stattdessen findet der Gitarrist eine hervorragende Balance zwischen Originaltreue und Eigeninitiative: Der Bachsche Satz wird nicht angerührt und vom Orchester wiedergegeben, Smolskis Gitarre breitet sich über diesem Teppich aus, mal streng am Original orientiert, ein anderes Mal geschickt das Original in eine neuzeitliche Spielart überführend (oder wusste schon Bach, was "Tapping" ist?), es mit ein paar gewagten Schlenkern verzierend oder frei darüber improvisierend. Höchste Anerkennung gebührt dem Gitarristen für das homogene Einbinden verschiedener Stilistiken in den Bachkontext; Smolski hört nicht beim Metal auf, sondern fängt dort nur an, um sich durch progrockige oder funkige Partien zu manövrieren. Besonders tatkräftigen Unterstützung liefern hierbei die verschiedenen Bassisten, die sich mit Smolski die Soloarbeit teilen oder einfach nur für einen fetten Groove sorgen.
Dankenswerterweise hat Smolski darauf verzichtet, allzu offensichtliche Bach-Dauerbrenner wiederzugeben (Tracklist s.u.), was den Konsum von "Majesty And Passion" um ein Weiteres spannender macht und auch recht deutlich zeigt, dass das hier keineswegs der Versuch ist, sich über den Umweg des schon Bekannten in das Bewusstsein einer großen Hörerschaft zu katapultieren (wie es Künstler im Radioprogramm größerer Jugendsender eine Zeit lang gerne taten und teilweise immer noch tun). Für ganz eingefleischte Metaller könnte "Majesty And Passion" ein zu harter Brocken werden, aber primär für diese ist die Scheibe zugegebenermaßen auch nicht gemacht - während Bach-Liebhaber durchaus an der interessanten Umsetzung Gefallen finden dürften, sofern sie sich nicht allzuschnell von treibenden Schlagzeugsounds irritieren lassen. Äußerst gelungene Scheibe, Respekt.
Kontakt: www.drakkar.de

Tracklist:
1. Majesty And Passion
SUITE 1:
2. Courante
3. Gavotte
4. Forlane
5. Menuet
Concert For Violin And Oboe With Orchestra:
6. Chapter 3
SUITE 2:
7. Bourreé
8. Menuet
SUITE 4:
9. Sarabande
Concert For Two Violins With Orchestra:
10. Chapter 1
11. Chapter 2
12. Chapter 3
Bonus tracks (from EP "Destiny"):
13. Rocker Rider
14. Day Without Your Love
15. Destiny
16. Longing (Dedicated To My Family)



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